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von einem Haufen mehrere Fenster eingeworfen. Dabei ist dieser einer der wohltätigsten Menschen...

      205. Ludolf Wienbarg49

      September 1830

      Heines Umgangsfreunde in Hamburg wurden mit der Zeit teilweise auch die meinigen. Der gewandte literarisch industriöse Lewald, damals Regisseur an der Hamburger Bühne, vermittelte ihn mit dieser und manchen Mitgliedern derselben. Professor Zimmermann vom Hamburger Johanneum, der bekannte Dramaturgist, von so viel klassischem Geschmack und Lessingschem scharf ätzenden Urteil, nahm die Stellung eines älteren Freundes und Mentors bei ihm ein; wie wenige wußte er die außerordentliche Begabung des Dichters zu schätzen, schmeichelte ihm aber auf keine Weise und konnte auch wohl gelegentlich sarkastisch gegen ihn werden. An Zimmermann, als an das derzeitige Hamburger kritische Orakel, hatte sich Heines Onkel, der Bankier, gewandt mit der Frage: „Sagen Sie mir, Herr Professor, ist wirklich was an meinem Neffen?“ Worauf Zimmermann natürlich die befriedigendste Antwort erteilte... Zimmermann gehörte zu den regelmäßigen Pavillongästen, seinem schon derzeitig etwas verdüsterten Gemüt war diese Zerstreuung zur Notwendigkeit geworden... In den kurzen Hamburger Krawalltagen vom Jahre 1830 flammte sein Auge auf, wenn er, im Pavillon sitzend, das Volksgetöse von draußen vernahm... Sein tiefstes Leid oder das Übel, an welchem der wackere Mann allmählich zusammenbrach, hielt ich für unterdrückte Tatkraft. Heine war anderer Meinung. Er schrieb Zimmermanns innere Verstimmung hauptsächlich dem Umstande zu, daß derselbe zur Zeit seiner Jugendkraft nicht als Produzent aufgetreten und über dem Schulmeistern und Rezensieren alt geworden; jetzt nage ein ohnmächtiger und wohl nicht mal gerechtfertigter Vorwurf wie ein Geier an seinem Herzen...

      Zum näheren Kreise des Heineschen Umgangs gehörte auch der Baron von Maltitz, der Verfasser der „Pfefferkörner“, des „Kohlhaas“ usw. Während der genannten Unruhen in Hamburg ließ sich Maltitz nirgends im Öffentlichen sehen, auch klopfte man vergebens an seine Zimmertür, sie war und blieb verschlossen. Heine versicherte, Maltitz hege eine übertriebene Vorstellung von seiner Popularität; er habe sich eingesperrt, aus Furcht, vom Volke abgeholt und zum Hamburger Diktator gepreßt zu werden. „Denken Sie sich unsern kleinen Maltitz,“ sagte er lachend, „wenn die Hamburger Butjes ihn auf die Schulter nehmen und ihn im Triumph durch den Jungfernstieg tragen; denken Sie sich Maltitz auf eine Tonne gehoben, Reden an das Volk haltend!“ Man konnte sich den guten Maltitz allerdings in solcher Lage nicht ohne Lachen vorstellen. Der Dämon, der in Gestalt eines Buckels so manchen witzigen Leuten auf dem Nacken sitzt, äußerte sich bei ihm in polternder Schauspielheldenmanier, und er würde in der Tat als Hamburger Cicerovacchio auf dem Piedestal einer Tonne eine höchst ergötzliche Wirkung gemacht haben. Hinter seinem Tische in der Grubeschen Restauration im Kronprinzen war er jedenfalls besser aufgehoben. Maltitz führte grausenhafte Reden, namentlich wenn er Dom Miguel beim Kopfe kriegte und mit raffinierter Grausamkeit die Strafjustiz über dieses portugiesische Ungeheuer ausübte. Dabei war er der gutmütigste Mensch von der Welt und hätte keiner Fliege was zuleide getan. Erzliberal, doch wo nicht stolz, doch eitel auf seinen alten Adel, hatte er sein auf Glas gemaltes Wappen in ein Fenster seiner Wohnung einsetzen lassen, darunter befand sich der Bequemlichkeitsstuhl. „Hat er Ihnen schon vom Baseler Turnier erzählt?“ fragte mich Heine. Denn gewöhnlich erfuhr man in der ersten oder jedenfalls zweiten Unterredung mit Maltitz, daß ein Maltitz urkundlich schon auf dem ersten Baseler Turnier seine Lanze eingelegt habe, was die glänzendste Ahnenprobe sein sollte. Campe und Grube machten damals ein gutes Geschäft mit ihm, ersterer mit den gedruckten, letzterer mit den gesprochenen Pfefferkörnern, womit Maltitz die Unterhaltung an der Gasttafel würzte und Gäste herbeizog.

      [Über die Hamburger Judenkrawalle im September 1830 spricht Heine in seinen „Gedanken und Einfällen“.]

      206. Anonym8

      1830

      [Mitteilung eines Ungenannten, der in Paris viel mit Heine verkehrte, an Feodor Wehl:] In Stuttgart [richtig: Hamburg!] besuchte Heine viel August Lewald, der, selbst nicht ganz regelrecht gewachsen, einen Diener und mehrere Freunde hatte, die, wie z. B. von Maltitz und von Zettritz, bucklig waren. Ein Freund trifft Heine vor der Zeit aus dem Theater kommend und fragt: wohin? „Die Stücke sind langweilig, die man heute spielt,“ erwiderte Heine, „und da ziehe ich vor, in meine kleine Schweiz zu gehen.“

      207. Eduard Beurmann16

      September 1830

      In den Tagen des Hamburger Tumults, als Maltitz sich vorsichtig auf seinem Zimmer verschloß, sah man Zimmermann an seinem gewöhnlichen Standpunkte, dem Alsterpavillon, im Feuer seiner Jugendjahre. Heine meinte damals, Maltitz fürchte, von dem Volke zum unfreiwilligen Masaniello gemacht zu werden. In der Tat, der Verfasser der „Pfefferkörner“ müßte sich wirklich ergötzlich als Harangueur der Handwerksburschen auf einer Tonne ausgenommen haben.

      208. Ludolf Wienbarg49

      September 1830

      Bei Erwähnung der Hamburger Krawalltage von 1830 fällt mir ein Witzwort ein, das Heine bei jener Gelegenheit losließ. Zur Herstellung der Ruhe wurden sowohl die Hanseaten, das Kontingent Hamburgs, als die Bürgerwehr aufgeboten. Beiderlei Truppen erhielten, während sie auf der Straße kampieren mußten, eine Stärkung an Brot, Käse usf. Heine behauptete, die Hanseaten hätten Schweizer Käse, die Bürger holländischen bekommen.

      209. Ludolf Wienbarg49

      Herbst 1830

      Heine nahm allerdings an den Zeitereignissen den lebhaftesten Anteil, aber ein handelndes oder auch nur schreibendes Eingreifen in dieselben lag ihm unendlich fern. Politische oder soziale Agitationsabsichten haben ihn nie in seiner Schriftstellerei geleitet... Er war so wenig und wollte so wenig Revolutionsmann sein als Regenerator auf andern Gebieten, in welcher Hinsicht ich nur an sein bekanntes Wort: „Ich bin der Kränkste von allen“, zu erinnern brauche. Hätte es von ihm abgehangen, durch einen einzigen Federzug das Bestehende zu stürzen, die Welt zu verwandeln und anscheinend vollkommene Zustände herbeizuführen, er hätte sich wohl bedacht. Welt und Leben boten ihm Stoff zur Satire, zur charakteristischen Abspiegelung, zu dichterischen Ergüssen, er hatte seine Sympathien und Antipathien in stärkster Weise, und wie es von ihm als Dichter zu erwarten stand, er konnte schwärmen für große Charaktere und für die Entfesselung geschichtlicher Kräfte – aber ein Abgrund trennte ihn von den Leuten da draußen, von dem Gewühl der Kämpfenden, von den Umtrieben der Lenker und Beweger. Er wußte, daß ihm diese Zurückhaltung vorkommendenfalls als Aristokratismus ausgelegt, sein freies Urteil, sein nach allen Seiten hin unschonsamer Witz ihm zum Verderben gereichen konnte. „Bricht nun gar“, sagte er mal, „in Deutschland die Revolution aus – sie wird weit schrecklicher und gründlicher sein als die französische – so bin ich nicht der letzte Kopf, der fällt.“ – Zufällig war jener Tage ein deutscher Student in sein Zimmer gestürzt, der sich für seinen größten Bewunderer ausgab und ihm in einem Atem die derbsten Grobheiten sagte, ich glaube wegen seiner laxen Moral und wegen seiner Bewunderung Napoleons.

      210. Ludolf Wienbarg49

      Herbst 1830

      Heine selbst besaß nur das Konversationstalent. Daß von seinen feinen Lippen nicht selten die feinsten Bemerkungen, die köstlichsten Spiele des Witzes und der Ironie und die drastischsten Schilderungen von Charakteren und Erlebnissen glitten, werde ich wohl nicht zu versichern brauchen. Auch das Alltägliche und Unbedeutende nahm einen gewissen Reiz in seinem Munde an. Des richtigen oder vielmehr des besten Ausdrucks war er bei guter Laune stets sicher und konnte sich dann auf seine Überlegenheit verlassen. Jemand wollte mir eine lächerliche Anekdote erzählen. „Halt,“ fiel ihm Heine ins Wort, „lassen Sie mich“ – er wußte nur zu gut, daß die Geschichte bei ihm um zwanzig Prozent gewann.

      Öffentliche Beredsamkeit war nicht seine Sache, auch wenn sein Organ stärker gewesen wäre. Bei seiner Schüchternheit machte ihn jede größere Versammlung beklemmt. Schon in der gewöhnlichen Unterhaltung lähmte ihm ein etwas barscher Widerspruch oder nun gar ein satirischer

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