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die jeden Abend stattfinden. „Man nennt mich in Berlin den Salondemagogen,“ sagte er lachend, „ohne jedoch zu wissen, wie richtig man mich damit bezeichnet. Ahrends Salon vereinigt die anständigste Gesellschaft. Ich finde da stets den feinsten, ungeniertesten Ton in Hamburg und sehr gute Geschöpfe.“

      Vormittags sah man ihn bei seinem Verleger Campe; besonders wenn der Ballen aus Leipzig neue Journale brachte, die er dann durchflog. Er hatte Campe sehr gern. „Solange er noch so bleibt,“ pflegte er zu sagen, „bleibe ich bei ihm. Sie glauben indes nicht,“ fügte er dann lachend hinzu, „wie sehr er sich verändert hat. Ehe er nach Italien reiste, war er ein vortrefflicher Mensch.“

      Campe war daran gewöhnt, über sich scherzen zu lassen und nahm es Heine vollends nicht übel.

      „Der Börne kostet ihm zuviel“, sagte dieser, „und will noch immer nicht recht ziehen.“

      „Aber Börne wird ziehen, wenn Sie längst vergessen sein werden“, gab dann Campe zurück.

      „Das ist ein Unglück für ihn und für Sie,“ erwiderte Heine, „daß so lange darauf gewartet werden muß.“

      Als Paganini in Hamburg war, interessierte es ihn sehr, ihn zu hören, jedoch nicht ohne Eifersucht schien er bei dem ungeheuren Aufsehen, das er machte. Wir aßen einige Male mit dem berühmten Virtuosen, und Heine beobachtete ihn genau; er schien damals mit dem Gedanken umzugehen, ihn zum Gegenstande einer Schilderung zu wählen. Später forderte er mich dazu auf, und ich sagte es ihm zu. Als ich dann aber nicht meinem Versprechen nachkam, machte er mir Vorwürfe darüber und sagte, er hätte ihn mir freundschaftlich überlassen wollen, und es wäre unrecht, daß ich ihn nun liegen ließe. Besonders verliebt schien er in den Begleiter Paganinis, einen bekannten Schriftsteller [Georg Harrys] aus Hannover, den er sich gar ergötzlich zu schildern vorgenommen hatte.

      Solcher Scherze war er stets voll; sehr schnell ward er von einer Idee ergriffen und erfüllt, aber zur Ausführung kam es nie.

      Einst gingen wir nach dem Stintfang. Auf dem Wege dahin stehen zwei Windmühlen. „Sehen Sie“, sagte Heine zu mir, „diese armen Geschöpfe, wie sie sich sehnen und doch nie Zusammenkommen können. Dieses hier ist der Mühlerich, der andere dort ist die Mühle. Ich werde einen Romanzenzyklus dieser Unglücklichen bekanntmachen.“

      Ins Theater ging er nur selten. Er sprach mit mir davon, daß es ihn verdrieße, von den Direktoren nicht einmal den freien Eintritt erhalten zu haben, den sie einem jeden bewilligten, der in dem unbedeutendsten Blatte eine Korrespondenz einzuschmuggeln wußte. Er legte wahrlich keinen Wert darauf, aber es schien ihm erbärmlich von den Leuten. Er rächte sich jedoch nicht dafür, sondern tat des Hamburger Theaters niemals Erwähnung.

      193. August Lewald1

      Anfang 1830

      Man hat in neuester Zeit so viel von den Nachahmern Heines gehört, und sie selbst haben wohl am meisten von sich gesprochen. Einer der Glücklichsten ist unstreitig Gaudy und, wie ich glaube, auch der erste. Er sandte [im Spätherbst 1829] seine Gedichte [„Erato“ 1829] in Heineschem Geschmacke diesem selbst, als er noch in Hamburg war, und Heine freute sich darüber und nannte sie gelungen. Unter der großen Zahl der übrigen, die größtenteils in Pommern und der Mark nisten, und die Gutzkow mit dem Namen der „pommerschen Dichterschule“ bezeichnet, ist mir kein einziger vorgekommen, der seinem Vorbilde auch nur im entferntesten gleichkäme.

      [Heine erhielt Gaudys „Erato“ im Spätherbst 1829 und antwortete darauf im April 1830; der Brief ist verschollen; vgl. Gaudys Antwort vom 18. Mai 1830 und Heines Brief an Varnhagen vom 11. Juni 1830 (Hirth Nr. 273 und 274).]

      194. Maria Embden-Heine74

      1830

      Sein nervöses Leiden vermehrte sich mit den Jahren; lautes Sprechen, Klavierspielen, jeder Lärm war ihm unangenehm und berührte ihn schmerzlich, sogar seiner Schwester, die ein angenehmes, klangvolles Organ besitzt, sagte er sehr oft: „Liebes Lottchen, schrei nicht so laut.“

      Sein Gehör war so scharf, daß er im Bette, welches mit einem Wandschirm umgeben war, alles hörte, was man draußen sprach.

      195. Ludolf Wienbarg49

      Frühjahr 1830

      Der Ursprung meiner persönlichen Bekanntschaft mit ihm [Heine] datiert etwas vor dem Ausbruch der Julirevolution, und noch eine geraume Zeit nachher bis zu unserer beiderseitigen Abreise genoß ich die Reize seines Umgangs, sei’s im Buchladen seines Verlegers, sei’s im sogenannten Damenpavillon auf dem alten Jungfernstiege, oder auf Spaziergängen und in seiner Wohnung. In wessen Erinnerung wird nicht das erste Zusammentreffen mit Heinrich Heine unvergeßlich sein?... Um aufrichtig zu sein, muß ich sagen, daß der Kreis, in dem ich lebte, nicht eben von Heine erbaut war. Man hielt ihn dort für einen ausgezeichneten dichterischen Jongleur, man zweifelte zumal an der Wahrheit seiner Empfindungen und Erlebnisse in bezug auf die Liebe, und es ging auf seine Kosten folgender boshafter [1828 im „Gesellschafter“ erschienene] Vers [von Wilhelm Neumann] um:

      Den Gärtner ernährt sein Spaten,

      Den Bettler sein hölzernes Bein,

      Und ich, ich ernte Dukaten

      Für meine Liebespein.

      Ohne dergleichen Vorurteile in mich aufzunehmen, hielt ich mich an die poetische Totalwirkung, an die ganze Erscheinung des Dichters, die der damaligen Jugend allerdings neu, aber nicht unvorbereitet war. Mehr als man gewöhnlich in Anschlag bringt, war Goethes Faust in die gebildete Welt eingedrungen, für jede neue Schüler- und Studentenjugend eine poetische Bibel, die vom Trivialen fernhielt, hohe und trotzige Prometheusideen nährte und einer kecken Art, das Leben zu fassen und zu genießen, zugunsten sprach. Wohl waren mir aus jener Periode, die ich meine, geistig höhere und schwungvollere Gestalten im Leben bekannt geworden als Heinrich Heine; aber keiner, der durch dichterische Gaben und eminentes ästhetisches Bewußtsein dem Schöpfer des Faustgedichts näherstand, und der auf seinem Gebiet, das heißt auf einem minder ideellen, vom mannhaften Ringen mit den Problemen des Lebens und der Wissenschaft wenig Kunde gebenden, mehr Faust-Mephistopheles in seiner Person gewesen wäre als eben Heinrich Heine...

      Unter dem Einfluß dieser Analyse hatte ich mir auch eine Vorstellung von seiner äußeren Person gebildet und war nicht eben überrascht, als die erste Begegnung statt einer feurigen, kräftigen, burschikosen mir eine feine, stille, vornehme, freundliche Gestalt vor Augen führte.

      Damals war der Dichter, ohne mager zu sein, nichts weniger als fett, was er erst später, nach der Verdauung so vieler satyrischer Opfer und an der Seite seiner Mathilde wurde. Er trug sich sauber, doch einfach; Pretiosen habe ich nie an ihm gewahrt. Ein schönes, weiches, dunkelbraunes Haar umgab sein ovales, völlig glattes Gesicht, in welchem eine zarte Blässe vorherrschte. Zwischen den einander genäherten Wimpern seiner wohlgeschlitzten, mehr kleinen als großen Augen dämmerte für gewöhnlich ein etwas träumerischer Blick, der am meisten den Poeten verriet, in der Anregung drang ein heiteres, kluges Lächeln hindurch, in das sich auch wohl ein wenig Bosheit schlängeln konnte, doch ohne einen stechenden Ausdruck anzunehmen. Faunisches war nicht in ihm und an ihm. Die ziemlich schwache Nasenwurzel verriet, physiognomischen Grundsätzen zufolge, Mangel an Kraft, Großheit, auch mochte die mäßig gebogene Nase nach unten etwas schlaff abfallen. Die faltenlose Stirn leicht und schön gewölbt, die Lippen fein, das Kinn rundlich, doch nicht stark. Das „böse Zucken“ der Oberlippe war ihm offenbar nur eine Angewöhnung, kein Zeichen der Menschenverachtung und des Lebensüberdrusses... Sein Gang, seine Bewegungen waren in der Regel eher langsam als schnell... Dennoch widerfuhr es ihm mal, als er in Gesellschaft einer Dame über den Wall spazierte, von einem schnurrbärtigen, in eine Polonika gekleideten Herrn angerannt zu werden; statt Entschuldigung suchte dieser auf brutale Weise Streit mit ihm. Heine, der leicht den Argwohn faßte, als schickten ihm seine Feinde dergleichen Strolche auf den Hals, überreichte ihm stolz seine Karte und bat sich die seinige aus. Es war indes nicht so ritterlich gemeint. Auf der Polizei fand sich, daß der Mensch ein fremder Abenteurer war, auch mußte derselbe plötzlich Hamburg und das Gebiet

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