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Antwort Varnhagens vom 22. März]: Das Benehmen Heines... spricht nicht für ihn, ich hätte ihn weiter – schneller oder reifer – geglaubt, und daß er den Neid für das Tolle, Tollgeglaubte, hatte, mehr als für das nachher Vernünftiggefundene, ist auch nicht schön. Jetzt ist es geschrieben – ich hab’ ihn, sagt Hamlet, als er die passende Sentenz in seine Schreibtafel angemerkt – und Du wirst schon recht bekommen ... Die Witzworte von Heine sind artig, doch nur wie in Werkeltagskleidern, er kann besseren Staat machen...

      Wie kann Heine diesen Großmeister der deutschen Schreibekunst [Gentz] mit dem elenden Jungen [Wit von Dörring] vergleichen, den ich hier gar nicht nennen will! In betreff meiner dürfte er sich eher solchem Irrtum hingeben, ich bin so viel jünger, näher; aber arg ist es auch. Frau von Cotta freut mich, eine solche heitere Seele hat auch einen richtigen Blick, denn sie ist ja aus tiefer Richtigkeit heiter.

      176. Varnhagen von Ense177

      1829

      [Varnhagens Tagebuch, 8. Oktober 1853:] Der Einfluß von Rahel und mir auf Heine bestand nur einzig darin, seinen Ernst zu stärken und seine Scherzausbrüche zu mäßigen, und darin hat besonders Rahel viel getan, wenn es auch manchen wenig merkbar sein kann, denn allerdings blieb er immer noch zu scharf und wild.

      177. Rahel Varnhagen86

      23. März 1829

      [Rahel an Varnhagen, Berlin, 24. März:] Gestern... vormittag Mad. Dangeville, Heine; nachher Moritz [Robert]... Alle, alle grüßen. Geschwister. Heine...

      178. Varnhagen von Ense102

      29. März 1829

      [Tagebuch:] Herr Dr. Heine bei mir. – Herr Freiherr von Cotta bei mir.

      179. Varnhagen von Ense102

      20. April 1829

      [Tagebuch:] Dr. Gans, Dr. Heine... haben mir durch ihre Erscheinung und ihr Bezeigen am meisten wohlgetan. [Rahel war damals gefährlich erkrankt; ein prächtiger Rosenstrauch, den Heine sandte, erweckte in der Kranken „die ersten Empfindungen eines heilvollen Übergangs“, vgl. „Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde“, Berlin, 1834, III, 384.]

      180. Heinrich Stieglitz12

      April/Mai 1829

      Mit dem erwachenden Frühling ein Ausflug nach Potsdam, wo acht glückliche Tage gelebt wurden. Dort weilte in ländlicher Zurückgezogenheit damals H. Heine, der sich uns [Stieglitz und seiner jungen Gattin Charlotte] freundlich anschloß und vielfältig mit uns die umliegenden Hügel besuchte. – Heine schrieb damals gerade den dritten Band seiner Reisebilder, welcher die nicht immer saubere Polemik gegen Platen enthält. – „Ich bitte Sie um Gottes willen, schöne Frau,“ sagte er eines Tages mit liebenswürdiger Selbstironie, „lesen Sie niemals das abscheuliche Zeug, das ich jetzt schreibe.“

      181. Max Heine70

      Mai 1829

      Während unseres Aufenthalts in Berlin besuchte mein Bruder Heinrich und ich oft das gastliche Haus von Varnhagen von Ense, wo die Sommitäten in der Wissenschaft sich gern um die berühmte Wirtin, die unvergleichliche Rahel, scharten.

      „Haben Sie Heinrich Stieglitz kürzlich gesehen?“ fragte eines Abends Varnhagen meinen Bruder.

      „Seit längerer Zeit nicht.“

      „So kann ich Ihnen seine Adresse geben, er hält sich jetzt in Potsdam auf.“

      Auf dem Rückwege von Varnhagen nach Hause sagte mir mein Bruder: „Morgen früh um zehn Uhr fahren wir nach Potsdam, besuchen Heinrich Stieglitz, und du wirst seine sehr interessante Frau kennenlernen.“

      So geschah es. Nach dreistündiger staubiger Fahrt, wozu man heutigentags kaum eine Stunde braucht, aßen wir in einem Potsdamer Hotel zu Mittag (eine Angelegenheit, die der gesunde Heinrich Heine sehr ungern verzögerte), besuchten dann Stieglitz und seine Frau, die in einem Gartenhause sehr einfach, aber angenehm wohnten.

      Wir fanden eine sehr herzliche Aufnahme, und Charlotte Stieglitz ließ es sich nicht nehmen, uns einen wohlschmeckenden Kaffee vorzusetzen... Ich weiß nicht, wie es kam, die lebhafte Unterhaltung berührte auch den Heroismus der Frauen in der französischen Revolution.

      „Mit dem Schlusse des vorigen Jahrhunderts“, rief Stieglitz aus, „sind die tatvollen großen Frauencharaktere verschwunden, und die Weiber sind hervorgetreten.“

      „Sie meinen doch nicht die Berliner Waschweiber?“ unterbrach ihn lachend Heine.

      Da verfinsterten sich plötzlich die so schönen Gesichtszüge Charlottens, sie wandte sich rasch zu ihrem Manne um, legte ihre Hand auf seine Schulter und sagte mit einem mir unvergeßlichen Ausdrucke ihrer Stimme: „Also du meinst wirklich, es gibt heutzutage keine Frauen mehr wie jene Römerin, die Arria, welche ihrem Manne den blutenden Dolch wie eine Bonbonniere präsentierte.“

      „ Jedenfalls“, setzte Heine scherzend hinzu, „gehörte er mehr zu den Weibern.“ Es wurde darauf noch vieles über Literatur und hervorragende Persönlichkeiten Berlins gesprochen, und abends fuhren wir nach Berlin zurück...

      Auf dem Rückwege sprachen wir nur von dem Ehepaar, und da brach mein Bruder in die prophetischen Worte aus: „Weißt du, Max, die sind nicht glücklich zusammen, die zanken nicht miteinander, sondern hadern mit dem Schicksal; das ist die schlechteste Sorte von Verdruß, und ich sage dir, entweder er wird verrückt, oder sie begeht einen Selbstmord.“

      Leider hat die Zeit die Wahrheit dieser Worte bestätigt; noch heute gedenke ich des Schreckens, als die Trauerkunde durch ganz Deutschland flog: Charlotte Stieglitz hat sich ermordet, um ihren geliebten Mann, den von ihr überschätzten Dichter, von den Fesseln der Ehe zu befreien, und um durch ein erschütterndes Ereignis, durch einen großen Schmerz den wahnvollen Geist zu neuem Aufschwung zurückzuführen.

      [Max Heines Erinnerung ist unzuverlässig: Heine wohnte von Mitte April bis Ende Juni in Potsdam, und Heinrich Stieglitz nebst Gattin besuchten ihn dort. Von diesem Aufenthalt in Potsdam erzählt Heine selbst, mit starker, dichterischer Freiheit, in den „Florentinischen Nächten“ (Erste Nacht); er erwähnt hier auch den Bruder, der „zufällig“ in diese Potsdamer Idylle eingebrochen sei und dem er „nicht ausweichen“ konnte. Auch der erste der Briefe „Über die französische Bühne“ knüpft an den Aufenthalt in Potsdam an.]

      182. Julius Campe83

      Anfang Juni 1829

      [Campe an Karl Immermann, Hamburg, 12. Juni:] Der dritte Reisebilderband ist der Vollendung nahe, und Heine meinte, der Graf [Platen] wäre ihm eben so gekommen, wie ein Wild bei der Treibjagd die Reihe der Schützen passiert; er würde ihm gehörig auf den Pelz brennen. Während meiner kurzen Anwesenheit [in Potsdam] hatte er nicht Zeit, die Lektüre [des „Romantischen Oedipus“, den ihm Campe gebracht hatte] zu vollenden, denn wir waren meistens beisammen und hatten besseres zu tun, wie Platensche Misere zu verarbeiten; daher kenne ich den ganzen Eindruck nicht, den er auf H. gemacht hat, aber soviel ist mir klar geworden, daß er sich darüber und die Infamie, die so sehr nach Erbärmlichkeit schmeckt, sehr verletzt fühlte, und besonders Ihretwegen...

      183. Varnhagen von Ense103

      Mai 1829

      Heine wohnte im Sommer 1829 eine Zeitlang in Potsdam, kam aber oft nach Berlin und besuchte seine Bekannten. Eines Abends kam er mit Gans aus dem Tiergarten zu Mendelssohn-Bartholdys und erzählte unter anderem: „Wir haben unterwegs uns Nelken gekauft, ich habe die meinigen zerpflückt und ins Wasser geworfen, und Gans hat“ – mit müdem, wehmütigem Tone sprach er das weiter – „die seinigen gegessen!“ Dieser Vortrag, wie ein kleines Gedicht abgerundet und geschlossen, so bezeichnend

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