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Deduktion; „ihr dagegen bedürft des fremden Vermittlers, eure großen historischen Bilder und Allegorien sprechen nur wenige, auserlesene Kunstkenner an, und euer Ruhm liegt in den Händen des Schriftstellers, der eure Intentionen erst dem Publikum klarmachen, die Hieroglyphenschrift eures Pinsels aller Welt deuten muß.“ Ein mutwilliges Gelächter unterbrach den Redner. Während dieser die Abhängigkeit des Malerruhms von der wohlwollenden Kommentierung des Schriftstellers behauptete, hatte ein begabter Kunstjünger schweigend eine unbarmherzige Karikatur Heines auf ein Blatt Papier gezeichnet und hielt die Skizze jetzt triumphierend empor. Mit ärgerlicher Verlegenheit betrachtete Heine dies schlagende Argument, daß dem Maler doch unter Umständen auch einige Macht über den Dichter gegeben sei, und er hütete sich in Zukunft, durch so törichte Äußerungen eine selbständige Schwesterkunst herabzuwürdigen.

      [„Am liebsten bin ich unter jungen Malern, die besser aussehen als ihre Bilder“, schrieb Heine aus München an Varnhagen am 1. April 1828.]

      154. Robert Schumann216

      8. Mai 1828

      [Tagebuch aus München:] Einkauf – Geschmacksachen – – Heine – geistreiche Unterhaltung – ironisches Männchen – liebenswürdige Verstellung – Gang mit ihm auf die Leuchtenbergische Galerie – der Sessel Napoleons – die Grazien v. Canova nicht edel genug – Magdalena schön – Billard – Table d’hôte.

      [Durch den Schauspieler Karl Krahe in Augsburg waren Schumann, damals siebzehnjähriger Student, und sein Begleiter Gisbert Rosen an Heine empfohlen worden.]

      155. Robert Schumann216

      8. Mai 1828

      [Schumann an Dr. Heinrich v. Kurrer, Leipzig, 9. Juni:] In München befand ich mich... nicht ganz wohl und heimisch und ich merkte den kalten schneidenden Residenzton nur zu bald. Die Glypthotek, so prachtvoll sie angelegt ist, ist noch nicht vollendet und läßt einen daher jetzt nur unbefriedigt und nur die Bekanntschaft mit Heine, welche ich Herrn Krahe... zu verdanken habe, machte meinen Aufenthalt einigermaßen interessant und anziehend. Ich stellte mir nach der Skizze des Herrn Krahe, in Heinen einen mürrischen, menschenfeindlichen Mann vor, der schon wie zu erhaben über den Menschen und dem Leben stünde, als daß er sich noch an sie anschmiegen könnte. Aber wie anders fand ich ihn und wie ganz anders war er, als ich mir ihn gedacht hatte. Er kam mir freundlich, wie ein menschlicher, griechischer Anakreon entgegen, er drückte mir freundschaftlich die Hand und führte mich einige Stunden in München herum – dies alles hatte ich mir nicht von einem Menschen eingebildet, der die Reisebilder geschrieben hatte; nur um seinen Mund lag ein bitteres, ironisches Lächeln, aber ein hohes Lächeln über die Kleinigkeiten des Lebens und ein Hohn über die kleinlichen Menschen; doch selbst jene bittere Satire, die man nur zu oft in seinen Reisebildern wahrnimmt, jener tiefe, innere Groll über das Leben, der bis in das äußerste Mark dringt, machte seine Gespräche sehr anziehend. Wir sprachen viel über den großen Napoleon und ich fand in ihm einen Bewunderer, wie man ihn, außer in Augsburg, wohl selten trifft. Auch sprach er davon, ehestens in die alte Augusta zu reisen, um Sie vorzüglich kennenzulernen.

      [Schumann war ein ebenso glühender Bewunderer Napoleons wie Heine. Die Komposition der „beiden Grenadiere“ (am 12. Mai 1840 vollendet) wurde eines seiner Meisterwerke.]

      156. Gisbert Rosen217

      8. Mai 1828

      [W. J. v. Wasielewski nach Angaben Rosens:] Heine... bewohnte ein schönes Gartenzimmer [im Rechbergschen Palais auf der Hundskugel], dessen Wände durch Gemälde der damals in München lebenden Künstler reich geschmückt waren. Der hochbegabte Dichter entsprach ganz dem Bilde, welches die fremd eintretenden Genossen nach seinen Schriften sich von ihm gemacht hatten; was noch etwa daran fehlte, wurde durch die sarkastische, beißendwitzige Ausdrucksweise Heines, der er freien Zügel ließ, sehr bald ergänzt. Schumann verweilte mehrere Stunden bei Heine, während Rosen sich verabschiedete, um einen Landsmann aufzusuchen. Alle drei trafen sich aber in der Leuchtenbergschen Galerie wieder, wo den beiden Freunden fortgesetzte reichliche Gelegenheit geboten wurde, die skurrilen Einfälle Heines, dessen Laune sich als eine unerschöpfliche zeigte, teils zu bewundern, teils zu belachen.

      [Schumanns Eindruck von dem Besuch bei Heine ist, wie sein Brief an Kurrer zeigt, bedeutend individueller; Rosens Angabe hat das Klischeeartige der meisten solcher Reminiszenzen.]

      157. Max Heine70

      Sommer 1828

      Keinen von allen Dichtern seiner Zeit hat Heine so innig und warm geliebt als Karl Immermann, des Parnasses „jungen Adler“, wie er ihn nannte. Immermann war vielleicht der einzige, selbst seine nächsten liebsten Verwandten nicht ausgenommen, der nie seinen Witz, seine satirische Laune empfunden hatte. Er verschluckte ein mir heimlich mitgeteiltes Witzwort, das, wäre es damals ausgesprochen und öffentlich bekanntgeworden, Immermanns schönes Werk, das „Trauerspiel in Tirol“, die Verherrlichung Andreas Hofers, total lächerlich gemacht hätte. Die ergreifende Schlußszene des Stückes stellt den Hofer dar, wie er nimmer glauben wollte, daß Tirol und seine todesmutigen, treuen Verteidiger von Österreich aufgeopfert würden, und schließlich doch zu dieser Überzeugung gelangen mußte, als man ihm das dahin lautende kaiserliche Aktenstück mitteilte und Hofer, ganz vernichtet, das Dokument erschüttert anschauend, in die Schlußworte der Tragödie ausbricht: „Des Kaisers Siegel!“ Nun ist aber allgemein bekannt, daß der damalige Kaiser Franz von Österreich die große Passion hatte, freie Augenblicke der Anfertigung von Siegellack in allen möglichen Farben zu widmen. „Max,“ sagte Heinrich zu mir, als wir das Stück gelesen hatten, „was für eine Rührung müßte Andreas Hofer oder ein anderer im Publikum hervorbringen, wenn am Ende in Verzweiflung gerufen würde: ‚Des Kaisers Siegellack‘. Um Gottes willen aber erzähle das nie weiter, ich liebe Immermann und schone ihn weit mehr als – meinen Bruder.“

      [Heine verherrlichte den Dichter des „Trauerspiels in Tirol“ im 3. Band der „Reisebilder“ (Kap. 7), der Ende 1829 erschien; der Abschnitt über Immermann, den „Adler im deutschen Vaterlande“, erschien bereits am 3. Dezember 1828 im Stuttgarter „Morgenblatt“. – Max studierte anscheinend im Sommer 1828 in München; er begleitete seinen Bruder im Juli nach Tirol.]

      158. Max Heine70

      Sommer 1828

      In München besuchte ich mit meinem Bruder Heinrich sehr oft das gastliche Haus der Gräfin D. Mittwochs war in der Regel große Abendgesellschaft. Notabilitäten jeder Art fanden sich da ein, und die Gräfin hielt etwas darauf, berühmte Fremde bei sich zu sehen. Allgemeine Unterhaltung belebte eines solchen Abends die ganze Gesellschaft, und namentlich begann ein alter Herr, höherer Marineoffizier in holländischen Diensten, eine Seefahrt zu beschreiben, die viel Interesse darzubieten schien. Alle horchten aufmerksam zu. Da gebrauchte der Erzähler ganz zufällig das Wort Astrolabium (das bekannte Instrument, um Winkel nach Graden, Minuten usw. auf dem Meere zu messen), als Heine in ein solches schallendes Gelächter ausbrach, daß nicht nur der Erzähler ganz betroffen innehielt, sondern auch die ganze herumsitzende Gesellschaft mit dem größten Befremden den Dichter ansah. Die Gräfin D., die Wirtin des Hauses, bat den Erzähler fortzufahren, und als dieser das Wort Astrolabium wiederholte, begann aufs neue das Heinesche Gelächter.

      Man befürchtete allgemein eine durch nichts provozierte maliziöse Bemerkung Heines; schon zeigte sich in den Mienen der Anwesenden Mitleid mit dem so plötzlich chokierten Fremden, als die Gräfin D. das Wort rasch ergriff und sagte: „Lieber Heine, haben Sie die Güte, frei heraus zu sagen, was Sie in der so ernsten Erzählung, die uns alle so interessierte, so außerordentlich lächerlich gefunden haben?“ Jetzt sammelte sich Heine, stand auf, ging zum Fremden, gab ihm die Hand und sagte: „Mein Herr, ich bin Ihnen Genugtuung schuldig, und die Achtung vor dem Hause verlangt, daß ich nicht einen Augenblick zögere. Erlauben Sie mir eine kleine Erzählung. Die jungen Damen mögen mich ruhig ansehen, die älteren dürfen die Augen niederschlagen. Als ich vor einigen Jahren in Göttingen Student war, ritt ich zuweilen und benutzte zur Bequemlichkeit eine Leibbinde,

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