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frug Heine, der sehr ernsthaft geworden war.

      „Nur keine poesielose Scharlatanerie. Ein Tambour, der aus heiler Haut stirbt und einen Wirbel dazu schlägt, ist ein Unding... Was sah dein Auge, hörte dein Ohr dabei? Du hast sicherlich nie eine Trommel gerührt. Aber du weißt doch vielleicht, daß die gedämpfte Trommel die militärische Totenglocke ist. Ein braver Tambour, der sich sterben fühlt, mag diese letzte soldatische Ehre sich selbst antun, ja, er mag seine letzte Kraft aufbieten, um mit einem tapferen Nachschlag zu enden. Ein Wirbel aber, diminuendo bis zum piano pianissimo, ist ein unmögliches Tambour-Schwanenlied; denn beim Wirbel müssen die Ellenbogen fix gerührt werden; das Piano ist schwieriger als das Forte, und die abnehmende Lebenskraft kann es nicht hervorbringen. Gesetzt aber, sie könnte es, so wäre ein solches Dahinscheiden lächerlich. Das wirst du zugeben, wenn du mit Phantasie gehörig an Aug’ und Ohr appellierst.“

      „Hör’, Bursche!“ rief Heine mit scharfer Betonung, „das sagst du mir, aber keinem andern!“

      Schiff: „Weshalb sollte ich dem Publikum seinen Spaß verderben? – Da ich obendrein weiß, daß es nutzlos für den einzelnen ist, sich der absoluten Majorität als Lehrmeister aufzudrängen – –“

      Bevor der Satz beendigt wurde, trat Campe ein. Er machte Schiff aufmerksam auf den pelzgefütterten Schlafrock des Dichters und sagte mit komischer Gravität: „Ich bin ein persischer Schah, der Ehrenpelze verteilt.“

      Schiff: „Jetzt glaub’ ich an die fünftausend Exemplare der ‚Reisebilder‘, da Campe seinen Autor warm hält.“

      Heine aber sagte: „Hier stelle ich Ihnen einen jungen Schriftsteller vor, der eines soliden Verlegers bedarf. Nehmen Sie sich seiner an. Mein Freund Schiff ist mir besonders interessant, weil er sich nichts aus mir macht. Sie glauben nicht, wie wohl es tut, wenn man, wie ich, mit Lob überschüttet wird, auch einmal jemanden zu finden, der uns mit dreister Hand die Achillesferse zeigt, an der wir verwundbar sind.“

      137. Julius Campe83

      11. April 1827

      [Campe an Karl Immermann, Hamburg, 23. April 1827:] ... Ihr freundliches Schreiben hat Heine bis zum Tage vor seiner Abreise bei sich behalten; er wollte und wollte immer an Sie schreiben, wird aber wohl nicht dazu gekommen sein, denn er trug mir viele herzliche Grüße an Sie auf...

      Am Tage (dem 12ten d.), wo ich das Buch [„Reisebilder II“] hier ausgab, ging er mit dem Dampfboote nach London...

      138. Max Heine70

      April 1827

      Als der Onkel einstmals in aller Gemütlichkeit seinen Morgenkaffee schlürfte, sagte der Neffe zu ihm: „Ich muß das Land meines Ratcliff, ich muß England sehen.“

      „So reise“, entgegnete der Onkel.

      „Aber in England ist sehr teures Leben.“

      „Du hast ja unlängst Geld bekommen!“

      „Ja, das ist für das tägliche Brot, aber für den Namen, für die Repräsentation habe ich auf Rothschild einen guten Kreditbrief nötig.“

      Und richtig, der gute Onkel gab dem Neffen, der unlängst erst eine hübsche Summe erhalten, von der Mutter hundert Louisdor Extrareisegeld bekommen, zur Repräsentation einen Kreditbrief von vierhundert Pfund Sterling, d. h. zehntausend Franken, samt dringender Empfehlung an Baron von Rothschild in London mit.

      Die Abschiedsworte des Onkels lauteten noch: „Der Kreditbrief ist nur zur formellen Unterstützung der Empfehlung, mit deinem baren Reisegeld wirst du schon auskommen. Auf glückliches Wiedersehen!“

      Und was tat der Dichter? Er war kaum vierundzwanzig Stunden in London, als er sich bereits auf dem Kontor Rothschilds mit seinem Kreditbriefe präsentierte und die zehntausend Franken gemütlich einstrich. Dann ging er zum Chef des Hauses, Baron James von Rothschild, der ihn sofort zu einem solennen Diner einlud...

      Nicht unbedeutend war die Szene, als der geniale Neffe zum ersten Male wieder vor den erzürnten Onkel trat.

      Vorwürfe über grenzenlose Verschwendung, Drohungen des Onkels, nie wieder sich mit ihm zu versöhnen – alles dieses hörte Heinrich mit der größten Ruhe an.

      Als der Onkel endlich mit seinem Sermon zu Ende war, da hatte der Neffe nur die eine Antwort: „Weißt du, Onkel, das Beste an dir ist, daß du meinen Namen trägst“, und ging stolz aus dem Zimmer.

      [Den Mißbrauch des Kreditbriefs bestätigt durchaus Salomon Heines drastischer Brief an seinen Neffen vom 26. Dezember 1843 mit der Unterschrift: „Onkel, der auch heißt Heine“; in einem andern Brief, vom 24. Dezember 1839, nennt sich der Onkel „Salomon Heine, der Mann, der Deinen Namen führt“, und wenn er auch hinzufügt: „Spaß“, so hat er dies Wort seinem Neffen nie vergessen. Von dem Ausflug nach London und daran anschließend nach Norderney kehrte Heine erst im September 1827 nach Hamburg zurück.]

      139. Eduard Wedekind149

      September 1827

      [Mitteilung Wedekinds an Strodtmann:] Das spätere Leben führte uns nur einmal, bei der Rückkehr von seiner Reise nach England im September 1827, wieder zusammen. Ich stand damals als wohlbestallter königlich hannoverscher Amtsauditor in Rothenburg, einem kleinen Ort zwischen Bremen und Hamburg, wo die Reisenden zu übernachten pflegten. Heine war ganz der alte, voll herzlicher Freundschaft, und nahm meine Einladung, einige Tage bei mir zu bleiben, sofort an. Lange hielt er’s freilich in dem prosaischen Neste nicht aus und reiste am zweiten Tage, nachdem wir uns ausgesprochen hatten, weiter.

      140. Eduard Wedekind189

      September 1827

      ... Als Heine von England zurückkam, im Jahre 1827, traf ich ihn unverändert wieder; er war krank, trug einen weißen Hut und aß gern Kuchen. Er hatte nun aber schon einen Ruf; seine Reise nach und von England war durch die Zeitungen (über dem Strich) angezeigt worden, und da in dem Gasthofe, als er ankam, eben eine Gesellschaft zum Balle vereinigt war, konnte ich ihn derselben durch die Vorstellung als den Verfasser der „Reisebilder“ sofort bekannt machen. Hätte ich ihn aber als den Verfasser des „Ratcliff“ und „Almansor“ vorgestellt, so würde er leider vielen unbekannt geblieben sein. Auf meine Frage versicherte er mir, daß er das englische Wesen ganz wie er es im „Ratcliff“ geschildert gefunden habe und diesen auch jetzt nicht besser machen könne, und als ich mich billig darüber verwunderte, da es doch ein großer Unterschied sei, ein Land aus Büchern oder aus eigener Anschauung kennenzulernen, versicherte er ganz offen: „Sieh, lieber Junge, das ist das Genie; so wie der Mathematiker aus einem Teile des Kreises diesen sofort ganz herstellen kann, kann sich auch der Dichter aus wenigen Zügen sofort das ganze Bild konstruieren.“

      141. Julius Campe83

      September/Oktober 1827

      [Campe an Karl Immermann, Hamburg, 5. Okt.:] Seit vierzehn Tagen ist Heine hier; er will nach Leipzig und dort den dritten Reisebilderband schreiben. Das Verbot der Reisebilder am Rhein... hat ihn unbegreiflich gekitzelt und eitel gemacht; eine Erscheinung, die mich aufrichtig betrübt. Dieser Kitzel wird ihn der Poesie entrücken und der Politik zuführen, wo mehr Ruhm zu erlangen ist, wenigstens mit weniger Mühe...

      Er hat es mir versprochen, an Sie zu schreiben. Mir sagt er, daß Cotta sich ihm genahet und freigestellt habe: zu verlangen, was er möge... Heine wird solcher Lockspeise nicht widerstehen... so oft und so sehr er auch versichert, nie von mir zu gehen. Was ich für H. und seine Anerkennung tat, wird nie ein Cotta tun...

      [Über die Verbote der „Reisebilder“ siehe Houben: „Verbotene Literatur“. – Heines Engagement nach München zu Cotta war durch Varnhagens Anregung zustande gekommen, vgl. Cottas Brief an Varnhagen vom 21. Juli 1827 bei F. Schnapp, „Heine und Schumann“ S. 56.]

      142. August Lewald1

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