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vorüberfliegende Miene festgestellt zwischen seinen Zügen, die ihnen nicht wohltut; so im Munde ein Zerren, wenn er spricht, was ich sonst – auch schon – fast als eine kleine Grazie bemerkte, obgleich es nie schön Zeugnis gab. Glaube nicht, daß ich persönlich zu klagen habe; die Wahrnehmungen gewinnen nur, wenn sie zur Mitteilung gestaltet werden müssen, eine festere Form, als all dergleichen haben kann, und soll: im Leben selbst, fließt alles, wie sein großer Strom ...

      Viertel auf zwei. Heine war hier, als ob er gekommen wäre zu bestätigen, was ich schrieb. Er ist so zerstört von des Vaters Tod. Ein anderer empfindet das nicht so: z. B. seine Geschwister. Er wollte gegen Goethe sprechen: ich mußte lächeln; es ging nicht. Er wollte Gans tadeln; es ging nicht. Er wollte Wit-Dörring loben; das machte ich ganz zuschanden, und ihn mit. Er wollte Lindners Schreiben tadeln: ich bewies ihm das Gegenteil. Lauter kurzgestellte Persönlichkeiten. Proben. Vor allem diesen las ich ihm Deinen Gruß, der machte ihn betreten: er dachte, es hätte Dir jemand etwas von ihm gesagt: da Du schriebst, er solle sich auf Dich verlassen usw. Das war der einzige Ernst bei ihm. Dabei rochen seine Stiefel nach Schuster, seine Kleider nach stockig. Also Fenster nach ihm aufsperren...

      [Rahel an Varnhagen, 13. März:] Es ist sonderbar, daß Du mir in dem gestrigen [Brief] von Wit-Dörring geschrieben hast, und ich Dir vorgestern. Dieser fliegende stechende tolle Mistkäfer. Wir wollen dann auch nie wieder von ihm sprechen. Auch darum, weil ich nie mehr so gut ihn bezeichnen werde, als vorgestern für Heinen. (Welcher ihn auch bis zum besten deutschen politischen Schriftsteller hinauftrieb; denn nur er, Du und Gentz schrieben so; Lindner hätte keine Ideen. Auch von Heine wird es ganz verachtungswürdig, so, ohne Grund und Boden; und ohne alle Rechtschaffenheit, zu sprechen.)... Vorgestern abend sprach ich mit Mad. Cotta von Heines Besuch und Gespräch. Und da sagte mir die, fast zornig: in ihrer Gegenwart würde er sich nicht unterstehen, von dem Menschen so zu sprechen. Er hätte Heinen den offenbarsten Schaden getan. Plötzlich, durch seinen Umgang: und man beschuldige Heinen, ihm Materialien zu seinem Buche geliefert zu haben – ich glaube, ein zweites, neueres – das Ärgste, was sich sagen läßt. Heine – sag’ ich – wird sich immer von neuem besudlen; denn auch dem ist’s genug, ein Ärgernis zu geben; sollte er auch selbst, als kotiger Arlequin oder Henker, umherlaufen müssen. Glaube ja nicht, daß ich minütlich auf ihn aufgebracht bin. Auf meine Ehre nicht! Ich sehe ihn nur.

      Michael Beer ist in französischen Blättern wegen seines Struensee gelobt, welcher übersetzt ist: da sagte Heine: „So lange er lebt, wird der unsterblich sein.“ Von der Bachschen Musik, die er vorgestern auch hörte, sagte er – sagte er, ist hier zu viel –, er hätte acht Groschen Profit dabei; einen Gulden kostete sie, und für einen Taler hätte er sich ennuyiert. Sehr gut das erste auch. Voilà ce que vous me demandez; de ses bonmots! [im Brief vom 8. März]. – Auch ich hatte Langeweile in dieser Musik.

      [Das Wort über Beer „Solange er lebt“ usw. war offenbar ein stereotyper Witz Heines; er richtete ihn bald darauf gegen Platen in den „Bädern von Lucca“, Kap. XI, und später gegen Meyerbeer, vgl. „Lutetia“ vom 20. April 1841. – Mit dem politischen Abenteurer Wit von Dörring hatte Heine in München viel verkehrt; 1827 begannen Wits „Fragmente aus meinem Leben und meiner Zeit“ zu erscheinen, in denen auch Dr. Lindner, mit dem Heine in München die „Neuen politischen Annalen“ herausgab, eine Rolle spielte. Lindner polemisierte gegen Wit im „Ausland“. Das Buch Wits, von dem Rahel spricht, ist eine ebenfalls 1827 erschienene Verteidigungsschrift für den Herzog von Braunschweig, den „Diamantenherzog“. Genaueres über Wit enthält mein Vor- und Nachwort zu der Neuausgabe der Witschen Memoiren: „Der Lebensroman des Wit von Dörring“, Leipzig 1912.]

      174. Maria Embden-Heine88

      1829

      Als Heine in Berlin studierte, kam er eines Tages zu spät zum Mittagessen; er entschuldigte sich folgendermaßen bei der Hausfrau: „Ich wurde leider wider meinen Willen aufgehalten; ich komme von Gans (Professor Gans in Berlin, Herausgeber des Rheinischen Erbrechts), wo ich aber nur die Köchin vorfand, mit der ich mich zankte, weil sie soviel über Gans und sein Erbrecht zu tadeln hatte.“

      [Als Heine in Berlin studierte, 1821–23, war Gans noch nicht Professor, das wurde er erst nach seiner Taufe 1825; das Scherzwort kann also erst 1829 gefallen sein. Das Hauptwerk von Gans, „Das Erbrecht in weltgeschichtlicher Entwicklung“, erschien in vier Bänden 1824–35.]

      175. Rahel Varnhagen86

      13. März 1829

      [Rahel an Varnhagen, Berlin, 15. März:] Von Heinen – wollte ich Dir eben schreiben. Das Resumé, was ich heraus habe, ist und bleibt sein großes Talent: welches aber auch in ihm reifen muß, sonst wird’s inhaltsleer und höhlt zur Manier aus. Aber begründete Kritik hat er nicht; weil ihm in der Tiefe der Ernst, und das höchste Interesse fehlt; welches allein Zusammenhang, und zusammenhängenden Überblick gewährt. Er kann sich, und Goethen, seinen, und dessen Ruhm verwechseln: denkt überhaupt an Ruhm! – kann Dich, Gentz, und den Lump [Wit von Dörring] zusammennennen. Denkt überhaupt, was ihm entschlüpft, was er sagen mag, ist für die Menschen gut genug. Hat klätrige Geschichten – auch daher –, die er verschweigt und deren Lücken ihn in das größte Unbehagen versetzen. Will noch immer ausziehen, sucht Quartiere; will nach Potsdam, Freienwalde usw. Vorgestern kam er schon um halb 7 zu mir. Ich nahm ihn, ohnerachtet der Stunde, doch an: weil ich mich nicht mit Lesen quälen wollte; und Ludwigs und Moritzens [Robert] bestellt hatte. Er sprach und sprach; und zeigte sich mir, wie ich ihn Dir nur schildere. Rike [Robert] kam um acht.

      Wir sprachen alle viel. Einer oft à tout hasard: welches er aber doch noch anders meinen muß; ich nur, wenn es mit mir durchlief, wegen damaligem Hustenkrampf. Die Rede kam auf Fräulein von Schätzels Auswärtsstehen. Rike erwähnte die ägyptischen Bildwerke. Ich nahm ihre steifen Haltungen in größten Schutz: ein Strom ergoß sich aus mir – ein längst zurückgedämmter – ich erwies, die Natur im Vaguen, und alles, was die versucht und zu tun gezwungen ist, aus lauter nur für sie geltenden Gründen nachahmen zu wollen, sei durchaus falsch, und daher untunlich; in eine menschliche Schranke müsse Kunst sich engen; in einen solchen, für den höchsten gehaltenen Menschenzustand; in Beschränkung, in Grenze ihre Einwilligung geben, das allein sei ihre Freiheit; und so seien der Ägyptier Stellungen eine Art Bild ihres geselligen Daseins; nicht arbeitend, nicht strebend, nicht noch bewegt. Der Gegensatz davon sei der Wiener Walzer; der oft so unsinnig angebracht schiene, nach jedem ernsten Kampf oft; mir aber immer guten Eindruck mache und gefalle – ohne daß ich lange den Grund deutlich gewußt – so wie ein Leid, ein Kampf, eine Verwirrung, ein Vollbrachtes geschehen sei: gewalzt! Was will der Mensch mehr. Schweben, Leben, Sein, Fertigsein! Heine schlug über die Fauteuil-Lehne, blutrot, ganz weg vor Lachen; er brach wider Willen aus. „Tollheit!“ schrie er, „toll, ganz toll; o wie toll! Tollheit, nein, das ist rasend: solcher Unsinn ward noch nicht gesagt“: und so blieb er lachend. Sowie er wieder zu sich war, war es reinster, lichter Neid. Ich sagte ihm auch: „Den Unsinn möchten Sie gemacht haben.“ Ich lachte auch. Die letzte Hälfte, die vom Walzer, mußte ich ihm erklären: er frug ganz ernsthaft; und fand es dann sehr gut. Aber dies Lachen! So natürlich sah ich ihn nie... Um neun Uhr ging Heine.

      [Varnhagen antwortete am 16. März:] Deine Nachrichten in betreff Heines könnten günstiger lauten, ich hatte sie in der Tat besser gehofft. Hier sind nun so viele und reiche Anlagen, aber die Natur hat doch in der Hast einige wesentliche Zutaten verabsäumt, und nun gehen da die glänzend beleuchteten Mängel herum! Für Heine gibt es nur ein Heil, er muß Wahrheitsboden gewinnen, auf dem innerlich ganz fest gegründet sein, dann mag er sein Talent in der Welt auf die Streife schicken, um Beute zu holen und Mutwillen zu üben; hat er aber jene Burg nicht im Hinterhalt, so wird er bald gar keine Stätte haben, kann seinen Gewinn gar nicht lassen, muß ihn und sich nach Umständen in die Schanze schlagen, wird endlich als gemeiner Ruhestörer auf Steckbriefe eingefangen, und nimmt ein jämmerliches Ende! Warne ihn, wenn er noch hören will. Ja, ja, es ist schwer, in der Welt so durchzukommen, körperlich, geistig, sittlich, daß man mit Ehren vor der Natur bestehen kann, denn vor Gott und Menschen ist es noch was anderes! Ich grüße ihn doch bestens, und er kann auf mich zählen; z. B. neulich [13. März] wollte

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