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gehen, und als ihm gar sein Onkel, Salomon Heine, sagte: „Aber, ohne Schmeichelei, Henry, der Platen hat dir gut getrefft“, war für ihn kein Haltens mehr in Hamburg, und er ging nach Helgoland, wo er den dritten Reisebilderband vollendete, der dann im Herbst erschien.

      Unterdes hatte sich auch Immermann gerührt und seinen „im Irrgarten der Lyrik herumtaumelnden Kavalier“ erscheinen lassen; Heine schrieb mir darüber von Helgoland: „Einiges ist wunderschön in dem Buche, aber viel zu zart und poetisch! – Auf diesen groben, gräflichen Klotz gehört der gröbste Keil.“ – Campe rieb sich darüber die Hände und meinte, das wird eine schöne Hetze werden.

      [Lyser gehört zu den peinlichen „Zeitgenossen“, die Unterhaltungen und Begegnungen mit berühmten Leuten zu erdichten pflegen, um interessante Feuilletons verkaufen zu können, und er besaß darin eine erstaunliche Gewandtheit: die Monographie von F. Hirth, „Johann Peter Lyser. Der Dichter, Maler, Musiker“ (1911) gibt darüber reiche Auskunft. Auch seine in zahllosen Artikeln, Novellen, Skizzen usw. verstreuten Erinnerungen an Heine gehören meist ins Reich der Fabel. Ich teile daher hier nur einige Proben davon mit, die wenigstens eine gewisse Wahrheitsmöglichkeit zu besitzen scheinen. Dazu gehört vielleicht diese Szene in Campes Laden, die sich Ende Juli oder in den ersten Tagen des August zugetragen haben müßte; Heine war von Berlin nach Hamburg zurückgekehrt, blieb aber hier nur kurze Zeit; am 6. August war er schon in Helgoland. In diesen Tagen scheint Lyser den Dichter der „Reisebilder“ durch Campe kennengelernt zu haben. In dem berühmten Kapitel XI der „Bäder von Lucca“ sagt Heine, daß er Platens „Romantischen Oedipus“ erst auf Helgoland gelesen, das „ungeheure Geschöpf“ aber schon zwei Monate vorher in „Norddeutschland“ erhalten habe. Dazu stimmt Campes Mitteilung (vgl. oben Nr. 182), daß er bei seinem Besuch in Potsdam das Buch mitgebracht habe. Möglich, daß Heine es damals nur durchblätterte, obgleich seine scherzhafte Äußerung zu Moser am 15. Juni aus Potsdam, Platens „Oedipus“ sei gegen Moser gerichtet, schon auf eine gewisse Bekanntschaft mit dem Inhalt schließen läßt. Man darf demnach auch Heines eigene Angaben nicht allzu wörtlich nehmen, so daß irgendeine Unterhaltung über Platens Angriff in Campes Buchladen, wenn auch kaum in der von Lyser geschilderten Form, nicht unbedingt abzulehnen ist.]

      189. Julius Campe88

      Ende September 1829

      [Campe an Karl Immermann, Hamburg, 25. September:] Seit drei Tagen ist H. [Heine] hier: in elf Tagen geht der dritte Reisebilderband in die Druckerei und wird bestimmt im November fertig. P1. [Platen] wird von H. nicht so milde behandelt, wie Sie es getan. Diese Abteilung, Platen betreffend, wird Ihnen dediziert werden. H. hat eine Menge kindischer Ängstlichkeiten, daß über seine Äußerung – im voraus gesprochen würde, so daß ich im Ärger darüber zu dem Entschluß kam, nicht einen Buchstaben des Manuskriptes lesen zu wollen, daher kann ich Ihnen nichts daraus mitteilen. Was er und einer seiner Freunde mir mündlich mitteilten, so berechtigt das zu großen Erwartungen.

      [Heine blieb von Ende September 1829 bis Frühjahr 1831 in Hamburg; der Abschluß der „Bäder von Lucca“ beschäftigte ihn noch bis zum 16. November; Band 3 der „Reisebilder“ erschien daher erst Ende Dezember.]

      190. Adolf Strodtmann194

      1829

      Salomon Heine fühlte sich aufs ergötzlichste divertiert durch das drollige Zerrbild seines Rivalen [Gumpel], das sein Neffe in den „Bädern von Lucca“ aller Welt vor Augen gestellt. Das Original des Hyazinth war ein armer Lotteriebote, dessen fremdklingender Name Isaak Rocamora auf Heine einen so belustigenden Eindruck machte, daß er ausrief: „Rocamora! Reizender Buchtitel! Ehe ich sterbe, schreibe ich ein Gedicht ‚Rocamora‘!“

      191. August Lewald1

      Herbst 1829

      Ich hatte nach dieser ersten Entrevue* [im Oktober 1827] Heine lange nicht gesehen, als er mich einst aus meinem Nachmittagsschlummer aufweckte. Ich war überrascht. Er kam, wie er mir sagte, meine Wohnung kennenzulernen, um sie zu mieten, wenn sie ihm konvenierte*, da er gehört hatte, daß ich sie verlassen wollte. Sie war ihm aber zu geräuschvoll, wie er sich bald überzeugte. Er litte sehr an den Kopfnerven, sagte er, und deshalb müsse es stets ganz still um ihn sein.

      Dieses Kopfnervenleiden ist von vielen in Zweifel gezogen worden; man sagt, er kokettiere damit, und sein: „Ach! ich bin sehr krank!“, womit er jedes Gespräch anfängt, habe eigentlich nichts zu bedeuten. Damen wollen sogar behaupten, es geschähe bloß, um dabei mit der Hand an die Stirne zu fahren, und so diese feine, weiße Hand bemerken zu lassen, worauf sich der Dichter nicht wenig einbilde. Ich will der letzteren Behauptung nicht geradezu widersprechen...

      Ich glaube an Heines Kopfleiden. Seine Konstitution ist schwächlich; er wird oft plötzlich glühend rot, ohne äußere Veranlassung; er ist fast immer in einem gereizten Zustande; seine Art zu leben kann eben nicht für Leute, die ihre Gesundheit sehr in acht zu nehmen haben, zur Nachahmung empfohlen werden. Heine schlief mehrmals bei mir, und nicht nur die Uhr in seinem Schlafzimmer mußte dann entfernt, sondern selbst die im Nebenzimmer gänzlich zum Schweigen gebracht werden. Dies Ticktack und Schlagen hätte ihn so stark angegriffen, wie er versicherte, daß er am andern Morgen das stärkste Kopfweh gehabt haben würde...

      Heines erster Besuch war nur kurz, aber dennoch erfreute er mich. Es lag viel Schmeichelhaftes für mich darin, wie dieser ausgezeichnete Mensch* mich aufgesucht hatte; es war mir augenscheinlich, daß er mit mir in nähere Berührung zu kommen wünschte.

      Ich sah ihn von nun an öfter in Hamburg; er gefiel sich so gut in meinem Hause, daß er mir bald täglich seinen Besuch machte.

      Er forderte mich auf, mehrere Novellen, die ich in früherer Zeit verfaßt hatte und die in der Abendzeitung, im Morgenblatte und an andern Orten abgedruckt waren, zu sammeln und herauszugeben. Er interessierte sich auf das freundschaftlichste dafür und sprach mit seinem Verleger Julius Campe, der sie annahm.

      Ich habe es ihm oft lachend gesagt: „Er lade den Fluch der Lesewelt auf sich, wenn ich nun nach und nach, gleich andern Novellisten, so ein fünfzig Bändchen zutage fördern sollte.“ Dem ersten Bande Novellen, der die ältern enthielt, folgte bald der zweite. Die fünf, die ihn füllten, wurden schnell hintereinander geschrieben, und Heine nahm sich die Mühe, sie im Manuskripte, mit dem Bleistifte in der Hand, zu lesen und mir seine Bemerkungen darüber mitzuteilen. Die Begebenheiten in Polen forderten mich auf, mehrere Erlebnisse aus jenem Lande zu Papier zu bringen und unter dem Titel „Warschau“ herauszugeben. Auch dieses Manuskript sah Heine durch. „Das ist keine Novelle,“ sagte er, „Sie müssen es anders nennen.“ Und er erfand den Namen „Zeitbild“ dafür, wie er früher „Reisebilder“ erfunden hatte und wie er später „Zustände“ erfand. Diese Benennungen haben seitdem alle das Bürgerrecht erhalten.

      [Nach Erscheinen der „Novellen“ empfahl Heine das Buch Lewalds warm an Menzel (9. Dezember 1830), obgleich er mit diesem kaum noch freundschaftlich stand, und in einem Brief an W. Alexis (17. Januar 1831) stellt er Lewald das Prognostikon, „daß er einst in seinem Fache zu den beliebtesten Schriftstellern gehören werde.“]

      192. August Lewald1

      Anfang 1830

      Heine... erfuhr in Italien den Tod seines Vaters, der plötzlich [2. Dezember 1828] erfolgte, und sogleich reiste er nach Hause, alles im Stiche lassend, weil er nun glaubte, „daß seine Mutter auch sterben müsse“, wie er mir sagte. Sein Vater war ein unglücklicher Mann, erzählte er mir einst, dem es sein ganzes Leben mit nichts recht glücken wollte.

      Heine lebte in Hamburg ohne öffentliche Anerkennung. Seine Werke wurden verschlungen, aber um ihn kümmerte man sich nicht. Desto ungenierter* konnte er leben. Er hatte wenig Umgang. Nächst seiner Schwester besuchte er wohl mich am häufigsten. Nachmittags sah man ihn zuweilen in einem Zirkel, der sich bei dem Schauspieler Forst zu versammeln pflegte und aus den heterogensten Elementen bestand. Einige Mitglieder des Stadttheaters, Cornet, Jost, Emil Devrient, einige junge Advokaten und Mediziner, der Lustspieldichter Töpfer und ich waren dabei. Es wurde gewöhnlich

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