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Oktober 1831

      [Börne an Jeannette Wohl, 13. Oktober 1831:] Es hat mir jemand verplaudert, daß ihm Heine unter Gelobung der strengsten Verschwiegenheit, besonders gegen mich, anvertraut, er arbeite an einem politischen Werke, so etwas über die Französische Revolution. Er fürchte meine Konkurrenz. Was mir diese Art mißbehagt, kann ich Ihnen gar nicht genug ausdrücken. Wie ist es möglich, daß ein Mann wie Heine, von so anerkannten großen Verdiensten, so kleinlich eitel sein kann? Gestern traf ich ihn bei Tische. Er verriet mir, ohne es zu wollen, mit welchen literarischen Arbeiten er jetzt beschäftigt ist. Er fragte mich, was ich von Robespierre halte. Ich antwortete ihm: Robespierre und Lafayette sind die einzigen ehrlichen Leute in der Französischen Revolution. Das schien seine Meinung auch zu sein, er wollte mich aushören. So ein kleinliches Wesen kann mich ganz maliziös machen, und ich wäre imstande, wenn ich einmal bestimmt erführe, worüber Heine schreibt, den nämlichen Stoff zu behandeln, nur um ihn zu ärgern. –

      Ich komme wieder auf Heine. Sie müssen aber nicht denken, daß es mir Vergnügen macht, Böses von ihm zu reden, das nicht. Aber er interessiert mich als Schriftsteller und darum auch als Mensch. Ich sammle alles, was ich von andern über ihn höre und ich selbst über ihn beobachte. Da es mir nun langweilig ist, für mich allein Buch und Rechnung über Heine zu führen, lege ich alles, was mir von ihm zukömmt, nach und nach in meine Briefe an Sie nieder. Ein schwacher Charakter wie Heine, wie er mir schon aus seinen Schriften hervorleuchtete, muß in Paris völlig ausarten. Ich sehe ihn auf bösem Wege und werde aus historischem und anthropologischem Interesse seiner Spur nachgehen. So müssen Sie das ansehen. Gestern abend war bei Valentin* von *Michael Beers* neuer Tragödie die Rede, die er in Baden meinem Urteil unterworfen. Auf Verlangen sagte ich meine aufrichtige Meinung davon. Madame Leo* sagte mir, vormittag sei Heine bei ihr gewesen und habe das Drama gelobt. Darauf bemerkte ich, dann habe Heine geheuchelt; denn er verstehe das so gut als ich. Madame Leo* erwiderte: „Ja, wenn man dem Heine tausend Franken gibt, lobt er das Schlechteste.“ Ich: „Das möchte ich nun gerade nicht glauben.“ Madame Leo*: „Sie können es mir glauben, ich weiß es.“ – Ein Deutscher erzählte mir, Heine habe ihm gesagt: Metternich* könnte mich nur auf eine Art kaufen; wenn er mir alle Mädchen von Paris gäbe. (Ich sage Mädchen; Heine aber gebrauchte den gemeinsten Ausdruck dafür.) Er hat eine Art von Liederlichkeit, die mir nie, weder in Büchern noch im Leben vorgekommen ist, und die ich mir psychologisch gar nicht erklären kann. Gemeine Sinnlichkeit trifft man häufig; aber doch selten wird ein junger Mensch von seinen gemeinen Ausschweifungen, als von etwas Schönem, öffentlich sprechen... *Heine aber läuft den gemeinsten Straßendirnen bei Tag und Nacht nach und spricht in einem fort von dieser häßlichen Gemeinheit, in welcher er ein ästhetisches Vergnügen findet*. Neulich kamen wir abends vom Essen. Er sagte mir, er ging in den Passage des Panoramas. – Was er dort zu tun habe? Ich will sehen, ob keines von den Mädchen, die ich kenne, ein neues Kleid anhat. – Heine ist doch schon dreißig Jahre alt.

      [In Baden-Baden war Börne im Sommer 1831; hier scheint ihm Beer sein neues Trauerspiel „Schwert und Hand“ vorgelegt zu haben, das am 30. April 1832 in Berlin aufgeführt wurde. Herbst 1831 bis Frühjahr 1832 war Beer in Paris. Über seinen „Struensee“ hatte Heine im Stuttgarter „Morgenblatt“ (April 1828) eine Kritik veröffentlicht, die so lobpreisend war, daß man sie für eine Mystifikation hielt; Heine selbst nennt sie (an Varnhagen, I. April 1828) eine der „Lumpigkeiten“, die „oft sogar lobenswert sind, wenn sie uns in den Stand setzen, der großen Idee unseres Lebens desto würdiger zu dienen“. Dem Freunde Merckel schrieb er am 14. April, die „Beersche Rezension“ habe er „des Lebensunterhalts wegen“ schreiben müssen. Er lebte damals in München und verkehrte mit Beer und dessen einflußreichem Freund, dem Minister E. v. Schenk. Im Kreise Börnes glaubte man offenbar, Heine habe sich von dem reichen Beer jene Kritik bezahlen lassen.]

      238. Hermann Franck103

      Herbst 1831

      [Mitteilung Francks an Varnhagen von Ense:] Heine trieb in Paris sein besonderes Gespött mit dem Dichter Michael Beer. Dieser hatte ein Trauerspiel verfaßt, das er gern vorlas und auch verlieh. Heine quälte den Dr. Hermann Franck, er sollte es sich ausbitten, er werde es bewundern müssen. Eines Morgens kam Heine zu Franck und sagte: „Ich weiß schon, Sie haben das Manuskript bekommen und gelesen, was sagen Sie?“ – „Zum Ausspeien!“ versetzte Franck, „ganz gering und schlecht.“ – „Wie ich Ihnen gesagt“, erwiderte Heine mit ruhigem Gleichmut und setzte nach einer Pause hinzu: „Nicht wahr, den Mann darf ich ohne Scheu loben? Es ist keine Gefahr, daß mirs einer glaubt.“

      239. August Lewald218

      Herbst 1831

      Im Herbste des Jahres 1831 reiste ich nach Paris und befand mich abends im Laden der Buchhändler Heideloff und Campe, wo sich damals Schlegel, Klaproth, Humboldt, Heine, Michael Beer, Börne, kurz alle berühmten und unberühmten in Paris anwesenden Deutschen einzufinden pflegten, als ein kleiner, hagerer Mann eintrat, stumm nach beiden Seiten sich verneigte, und sogleich nach den Brockhausschen Blättern griff, von welchen eben ein neues Heft angelangt war. Er setzte sich und las aufmerksam vor sich hin. Dies war Börne. Herr Heideloff stellte mich ihm später vor und ich mußte ihm allerlei von Deutschland erzählen, und mich einiger Aufträge an ihn von unserm damaligen Verleger Campe entledigen. Ich sah Börne nun öfter. Wir aßen eine Zeitlang in einer kleinen Restauration der Rue de Valois; er, Heine, Baron Maltitz, Schauspieler Jerrmann, meine Frau und ich. Dies waren sehr heitere Mahlzeiten, von der harmlosesten, witzigsten Unterhaltung belebt. Börnes Kränklichkeit zwang ihn jedoch beim Eintritt des Winters sich aus diesem Kreise zu entfernen und auf seinem Zimmer zu essen.

      [Daß Heine mit Börne auch in Lewalds Gesellschaft zusammen war, ist sonst nicht belegt.]

      240. August Lewald1

      Winter 1831/32

      Sein Lieblingsspaziergang war die Passage der Panoramas, wo man abends gern vermeidet hindurchzugehen, wenn man eine Dame am Arme führt... Heine schlenderte hier auf und ab, die Hände in den Taschen, den Kopf in den Nacken geworfen, mit aufgesetzter Brille. Hier beobachtete er das Pariser Treiben, und nebenher zogen ihn auch wohl die „Zoen, Aglaën, Desiréen, Clarissen, Amélien usw.“ an, die hier beständig lustwandeln, und denen er die hübschen Lieder gewidmet hat, die er in seinem ersten Teile des Salons abdrucken ließ.

      Anfänglich waren ihm die Französinnen zu klein. „Wenn man die langen deutschen Glieder gewöhnt ist,“ sagte er, „so ist es schwer, sich hier einzurichten.“

      Eine lange Schöne, die ihn in Hamburg zu fesseln wußte, konnte er nicht vergessen. „Überall sehe ich sie, überall finde ich sie wieder“, sagte er scherzend zu mir in der Galerie des Louvre, indem wir vor der kolossalen Melpomene standen; und in der Tat, ich fand einige Ähnlichkeit mit der Hamburgerin.

      241. Ferdinand Hiller66

      1831/32

      Während der ersten Hälfte der dreißiger Jahre sah ich Heine in Paris, wohin er ungefähr ein Jahr nach der Julirevolution gekommen war, sehr viel... Ich war kaum zwanzig Jahre alt, als er mich aufsuchte, um mir Grüße von den Meinigen aus Frankfurt zu bringen, und ich rechne es ihm nachträglich sehr hoch an, daß er gern mit mir verkehrte – damals im jugendlichen Übermut schien mirs ganz natürlich. Meine Jugend war auch wohl alles, was ihm an mir behagen konnte – ich war zwar ein guter Musikant, das war ihm aber gleichgültig – ich erinnere mich nicht, daß es ihm je eingefallen wäre, sich von mir etwas vorspielen zu lassen. Die Musik interessierte ihn nicht übermäßig, soviel Geistreiches und tief Empfundenes er auch, neben toll Humoristischem, darüber geschrieben. Sein Äußeres kennen Sie wohl aus Bildnissen, soviel man aus dergleichen, vor der Photographie, entnehmen konnte, wenn der Zufall nicht einem bedeutenden Menschen einen bedeutenden Maler zugeführt. Die Nachbildungen eines Porträts, welches der talentvollste Professor Oppenheim von ihm gemacht, sind indes leidlich ähnlich, wenn sie auch das vortreffliche Bildnis uns sehr unvollständig wiedergeben. Ich glaube nicht, daß das Antlitz Heines sonderlich auffiel, solange man nicht wußte, welchem

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