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Die Folge war ein offenbarer Bruch, den natürlich die Zwischenträger nur noch erweiterten und unheilbar machten. Heine sollte Drohungen ausgestoßen haben; Börne, wie immer tapfer bis zum Drolligen, bemühte sich, seine Furchtlosigkeit zu zeigen und sogar recht zur Schau zu stellen. Heine, der Börne zu vermeiden suchte, kam in die größte Verlegenheit, weil Börne gerade alles aufbot, daß sie sich begegnen mußten. Börne, der nie begreifen konnte, wie in Heines Salon die Schlußfigur des kleinen Simson [in den „Memoiren des Herren von Schnabelewopski“] sich auf ihn beziehen ließ, kundschaftete die öffentlichen Orte aus, wo er Heinen treffen konnte. Wo Heine aß, wollte er auch essen. Seine Umgebungen hatten Mühe, ihn von dieser förmlichen Hetzjagd, die er auf Heinen anstellte, zurückzuhalten. Später begegneten sie sich noch oft in Soireen, die die Mutter des Komponisten Hiller gab. So unbefangen sich Börne zeigte, so nahm er es doch übel, wenn Madame W. [Wohl] von Heinen angeredet, diesem nicht den Rücken kehrte. „Wie Sie mit meinem Feinde sprechen können, begreif’ ich nicht“, sagte er unwillig zu seiner Freundin, die nicht wußte, wie sich hier Börnen und zu gleicher Zeit dem Anstand willfahren ließe.

      [Börnes Kritik an Heines „Französischen Zuständen“ erschien erst im 6. Band der „Briefe aus Paris“ (S. 135 ff.) Ende 1833. – Gutzkows Angaben gehen auf Mitteilungen der Frau Wohl und anderer Freunde Börnes zurück; auch Beurmanns Darstellung (vgl. Nr. 310) benutzte er.]

      258. Maria Embden-Heine88

      1832

      Mit Börne brach er gänzlich, seit dieser die Ehrlichkeit seiner demokratischen Gesinnung öffentlich zu verdächtigen begann, und mied alle Zirkel, wo er mit ihm zusammentreffen konnte. Als Börne später gegen Heines Onkel [Salomon], der zum Besuch in Paris weilte, den lebhaften Wunsch aussprach, ihn mit demselben wieder auszusöhnen, wies Heine jede Versöhnung schroff zurück, da dieselbe nur zu neuen Mißverständnissen führen könnte. Börne war kleinlich genug, in seinen Pariser Briefen durch neue giftige Angriffe es Heine entgelten zu lassen und sich der Ausdrücke wie: er sei eitel, gemein, gesinnungslos, liederlich, herzlos und geistlos zu bedienen. Er schmähte sogar seine Schriften. Heine schwieg damals und gab erst nach dessen Tode sein Buch über Börne heraus.

      [Ein Beispiel für die Zuverlässigkeit der Nichte Heines: Onkel Salomon kam erst Herbst 1838 nach Paris, als Börne schon anderthalb Jahre tot war! Und die „giftigen Angriffe“ Börnes auf Heine sollen wohl die Nachträge zu den „Briefen aus Paris“ sein, die als Antwort auf Heines Börnebuch aus Börnes Nachlaß erschienen. – Zu 1832 vgl. noch Nr. 821 (Nachträge).]

      259. Ludwig Börne71

      5. Januar 1833

      [Börne an Jeannette Wohl:] *Soeben verläßt mich der Heine nach einem sehr langen Besuche, der mich gestört hat. Es ist das erstemal, daß er diesen Winter zu mir kam, ob er zwar ganz in meiner Nähe wohnt. Sein böses Gewissen macht ihm meine Gesellschaft drückend... Ich vermute zwar, daß Heine Schuft ist, aber ich kann ihm keine schlechte Handlung beweisen... Heute kam Heine, weil er erfahren, daß ich Xenien bekommen, worin von ihm die Rede ist. Den eitlen Narren macht so etwas ganz unglücklich, und ich Bösewicht hatte meine Schadenfreude daran.*

      [Die scharfe Vorrede zu den „Französischen Zuständen“, die Campe nur verstümmelt zu drucken wagte und die deshalb in Paris als Broschüre erschien, hatte Heine geschrieben, um zu beweisen, daß er „kein bezahlter Schuft“ sei (an Immermann, 19. Dez. 1832), also gewissermaßen zur Rechtfertigung vor Börne und seinem Anhang. – Die „Xenien“ waren vielleicht A. W. v. Schlegels „Litterarische Scherze“ im eben erschienenen „Musenalmanach für das Jahr 1832“ (hrsg. von Amadeus Wendt. Leipzig, Weidmann. S. 315–333); der eine oder andere Vers darin ließ sich auf Heine beziehen; mit Namen genannt ist er nicht.]

      260. Ludwig Börne71

      9. Januar 1833

      [Börne an Jeannette Wohl:] Das Buch von Heine [„Französische Zustände“] ist noch nicht hier. Daß er ein Aristokrat werden würde, sah ich voriges Jahr schon kommen. Er ist es geworden aus Furcht, aus Eitelkeit und aus Eigennutz. Ich bin überzeugt, daß er Geld bekommen... Ich war zugegen, als ihm Dr. Dondorf* (aus der „Leipziger Zeitung“) von dem Erscheinen meiner Briefe [Band 3 und 4] sprach. Er, wie keiner hier, wußte ein Wort davon, denn ich hatte mit niemand ein Wort davon gesprochen. Als Heine das hörte – er war eben im Lachen begriffen –, zog sich plötzlich eine dicke, finstere Wolke um sein Gesicht. Da bekam er nun Furcht, die gleichzeitige Erscheinung unserer Werke möchte ihm schaden, es möchte weniger von seinem Buche gesprochen werden.

      261. Paul Gauger73

      Frühjahr 1833

      [Paul Gauger war Kommis bei der Pariser Buchhandlung Heideloff & Campe. Bei einem Aufenthalt in Stuttgart Anfang 1834 wurde er verhaftet und über die Herausgabe der „Vorrede zu Heinrich Heines Französischen Zuständen nach der französischen Ausgabe ergänzt und herausgegeben von P. G––g–r“ (Leipzig, Heideloff & Campe) verhört. Er sagte am 16./17. Februar 1834 aus, sein Name sei auf dem Titelblatt der Vorrede als der des Herausgebers angedeutet.]

      In Wirklichkeit gehe die Flugschrift von Heine selbst aus, dieser habe aber gebeten, einen andern Namen in Chiffern daraufzusetzen, und Heideloff habe den Gaugers dazu bestimmt... Heine... habe Heideloff noch ein anderes Werk versprochen... Politisch aber hänge Heine mit Heideloff nicht so eng zusammen wie Börne, von dem deutschen revolutionären Komitee in Paris habe er sich getrennt und gehe seinen eigenen Weg. „Er wurde in letzter Zeit namentlich durch eine Ausforderung, die ihm von Preußen aus zugekommen ist, sehr beunruhigt; auch wurde ihm nach seiner Versicherung ein Manuskript, woran ihm sehr viel gelegen war, entwendet, so daß er, wenn er zu uns [in die Buchhandlung Heideloff] gekommen ist, immer sehr üblen Humors und nur kurz angebunden war.“

      [Über die „Ausforderung“ vgl. Nr. 272.]

      262. Ludwig Börne71

      16. März 1833

      [Börne an Jeannette Wohl:] Es läge mir erstaunlich viel daran, alles abgeschrieben zu haben, was ich seit drei Wintern über Heine geschrieben, und nicht gedruckt worden... Ich komme bestimmt mit dem Heine früher oder später öffentlich in Streit, und da kann ich es benutzen. In die neue Zeitung L’Europe littéraire, die seit Anfang März erscheint, schreibt er lange Artikel über die deutsche Literatur, wo seine niederträchtige Gesinnung „greulich“ hervortritt. Wie er mir selbst früher in seiner lächerlichen Eitelkeit ein gefährlicher Mensch und Schelm sein zu wollen gestanden, will er das Blatt benutzen, seinen Freunden zu schmeicheln und seine Feinde zu verlästern, und so spricht er gegen sein eigenes besseres Wissen, und urteilt über Literatur und Schriftsteller. Goethe, den er so wenig achtet wie ich, streicht er heraus, um den Berlinern den Hof zu machen. *Varnhagen von Ense, ein Berliner Legationsrat, der den Kopf einer Ameise hat, nennt er un homme qui a dans le cœur des pensées grandes comme le monde*.

      [Diese Urteile stehen in Heines „Romantischer Schule“, die zuerst in der „Europe littéraire“ übersetzt erschien (März bis Mai 1833). Am 25. Februar 1833 hatte Börne bereits sein Urteil über Heines „Französische Zustände“ niedergeschrieben.]

      263. August Traxel91

      Mai 1833

      Wolfgang Menzel hat dem Publikum durch einen vergleichenden kritischen Aufsatz, worin er Heine und Börne gegeneinander abwägt oder kontrastierend gegenüberstellt, auf eine falsche Fährte geholfen. Ich kann Sie versichern, daß sich hier beide Schriftsteller nicht begegnen und in ganz verschiedenen Sphären leben, und daß, wenn Börne in seinen Briefen oft von seinem Freund Heine spricht, der dies und jenes gesagt habe, kein wahres Wort daran ist...

      Ich weiß nicht, was Heine eigentlich hier alles tut, weil ich mich nur nach dem öffentlichen Leben etwas umsehe. Genug, daß er schreibt und drucken läßt. In politische Umtriebe mischt er sich nicht, im Gegenteil, er hält sich von den sogenannten Patrioten entfernt.

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