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die „zwei tätigsten Agitatoren“, Wolfrum einen „braven, uneigennützigen, von reiner Begeisterung getriebenen Menschen“. Wolfrum, in Hof 1812 geboren, lebte seit 1829 als kaufmännischer Angestellter in Paris. Am 12. Juli 1833 kam auch der Bruder Karl als Färbergeselle dorthin. Da die Regierung fürchtete, die Feier der Julirevolution (27. bis 29. Juli) werde zu politischen Exzessen Anlaß geben, wurden alle als radikale Agitatoren bekannten Personen verhaftet, nach den Julitagen wieder freigegeben, aber innerhalb vier Wochen aus Paris verwiesen. Wolfrum ging Ende August nach Brüssel, kehrte schwer erkrankt im Februar unter dem Namen Thomas zu seinem Bruder nach Paris zurück und starb dort am 17. April 1834. Die Besuche bei Börne und Heine fallen daher in den August 1833.]

      271. Lucie Duff Gordon188

      September 1833

      Ich lernte Heine vor mehr als zwanzig Jahren kennen in Boulogne; ich war noch ein Kind von elf oder zwölf Jahren und saß neben ihm an der Table d’hote. Er war damals ein dicker, kleiner Mann, kurzsichtig und mit einem sinnlichen Mund. Als er hörte, daß ich mit meiner Mutter deutsch sprach, begann er sogleich eine Unterhaltung mit mir, und zum Schluß sagte er: „Wenn Sie nach England zurückkehren, können Sie Ihren Freundinnen erzählen, daß Sie Heinrich Heine gesehen haben.“

      „Wer ist denn Heinrich Heine?“ fragte ich.

      Er lachte herzlich und war nicht gekränkt über meine Unwissenheit. Wir schlenderten dann öfters zusammen bis zur Spitze der Mole und er erzählte mir dabei Märchen von Fischen, Sirenen, Wassernixen und einem sehr drolligen alten französischen Geiger mit einem Pudel, der pünktlich seine drei Seebäder täglich nahm – ein Gemisch von Phantastik und Humor, sehr oft auch Pathos, besonders wenn die Wogen ihm deutsche Grüße brachten von der „Nordsee“.

      Später sagte er mir, daß sein Gedicht: „Wenn ich an deinem Hause“ usw. sich auf mich und meine „braunen Augen“ beziehe.

      Er war ein oder zwei Monate in Boulogne und ich sah ihn noch oft. Immer aber erinnerte ich mich mit großer Zärtlichkeit des Dichters, der mir so schöne Geschichten erzählte und so freundlich zu mir war, jedem andern gegenüber aber so sarkastisch.

      272. August Traxel91

      November 1833

      Seit einiger Zeit bekommt die Leipzigerin [„Leipziger Zeitung“] Korrespondenzartikel von allen Seiten... Ein langer Brief aus Paris datiert und von... Heine und den preußischen Offizieren handelnd, steht [heute] schwarz auf weiß auf der zweiten Seite. Die Worte Duell, Tod, Ehre, Preußen und Zustände schwimmen darin wie Brocken in Rumfords Suppe...

      Alles, was ich in besagtem Artikel las, war mir eine Entdeckung, da ich seit vier Wochen wieder hier bin und auch Heine seit vierzehn Tagen von Boulogne sur Mer zurück ist, da wir uns täglich sehen und es noch keinem eingefallen ist, des großen Abenteuers zu erwähnen...

      Ich war genötigt, mir Auskunft zu holen, um dem unnützen und lächerlichen Geschwätze zu begegnen.

      Was ich erfuhr, besteht in folgendem:

      Heine befand sich vor zwei Monaten im Bade. Sein Portier hatte Auftrag, seine Adresse nicht abzugeben, sondern ihm die Briefe zu schicken und dieselbe darauf zu schreiben. Es kam nun ein Fremder, ein Deutscher, ein Mann namens Notte, der den Abwesenden sprechen wollte und ihm endlich schrieb. Der Brief, den Heine durch seinen Portier solchergestalt erhielt, war in den freundschaftlichsten Ausdrücken abgefaßt und enthielt eine Warnung vor einem Komplott preußischer Offiziere, die, nach Lesung seiner Vorrede zu der Übersetzung seiner [Französischen] Zustände, sicherem Vernehmen nach sich verabredet haben sollten, den Schriftsteller zu kompromittieren und auf diese Weise durch Zweikampfhändel aus der Welt zu schaffen. Heine glaubte dieser Nachricht... zumal noch kurz vorher in Belgien drei Offiziere der Garnison von Gent einen Publizisten wegen seiner Äußerungen gegen den König Leopold forderten, und weil die Sache überhaupt nichts Unwahrscheinliches hatte. Er glaubte ihr nicht nur, sondern traf auch Maßregeln, sich gegen den Anfall en masse zu schützen, indem er den Avis seinen Freunden mitteilte, die nicht ermangelten, ihm so viel Hilfe zuzusagen, daß, falls die Drohung erfüllt worden wäre, die Gegner gewiß zehn Mann für einen auf der Mensur gefunden haben würden.

      Die Drohung wurde aber nicht erfüllt, entweder weil das Vorhaben nicht stattfand oder zurückging, oder weil sich die Drohenden durch die Vorkehrungen hinter der Kulisse von der Szene entfernt hielten. Und somit war die Sache vergessen bis diesen Morgen, wo uns von Leipzig aus eine große Trompete entgegenbläst, man habe Heine zum besten gehabt, und es sei niemals preußischen Offizieren eingefallen, nach seinem Kopfe lüstern zu werden...

      ... Wenn das Faktum kein Faktum war, warum nimmt er [der Korrespondent] sich desselben an? Kein Mensch dachte mehr daran, wie denn überhaupt niemand weniger daran dachte, als Heine selbst, der, ich muß hier nun sagen, so weit entfernt von Renommisterei ist, daß er sogar seinen Freunden und Bekannten ein Duell verhehlte, welches er sich letzthin durch Deutschtümelei zuzog. Ich nenne die Sache beim Namen, weil ich es nur tadeln kann, wenn man sich durch einen Franzosen beleidigt fühlt, der in Gesellschaft von Franzosen mit Geringschätzung von nos Allemands spricht...

      Ich habe Heine gefragt, ob er seinen Artikel in der „Leipziger Zeitung“ gelesen habe. Er antwortete: „Ich lege mir eine Sammlung von klassischen Produkten an und werde mir ihn von Galignani kaufen.“

      273. Ferdinand Hiller67

      November 1833

      ... im Spätherbst [1833] wurde die Trauung [des Komponisten Berlioz und der Miß Smithson] vollzogen, und zwar in der Kapelle der englischen Gesandtschaft. Heinrich Heine und ich dienten den Gatten als Zeugen. Es war ein stiller, etwas trüber Aktus, nach dessen Vollzug die Neuvermählten ihre entfernt gelegene Wohnung aufsuchten und Heine mir gegenüber seinen wehmütig-spöttischen Betrachtungen freien Lauf ließ. Man konnte nicht unter ungünstigeren Verhältnissen die Erfüllung eines höchsten Lebenswunsches erreicht haben. Auch in ihren Folgen war die Verbindung keine glückliche zu nennen, wie ich, von Paris entfernt, von allen Seiten hörte und wie es Berlioz ja selbst in seinen Memoiren zugesteht.

      274. Karl Eduard Bauernschmid (Deckname: Braun)78

      16. Dezember 1833

      [Geheimbericht aus Paris an die österreichische Regierung:] Beiliegend schicke ich Ihnen die Visitkarte eines geistreichen Mannes (Heine), den ich im Lesekabinett kennenlernte und darauf infolge seiner Einladung besuchte. Da er mich bei seiner Gegenvisite nicht zu Hause fand, gab er die Karte ab.

      275. Ministerresident Rumpf78

      22. Dezember 1833

      [Geheimbericht aus Paris an die österreichische Regierung vom 12. Januar 1834 Über die Verbindung der beiden Schriftsteller Heine und Börne mit dem Vereine [dem „Deutschen Volksverein“, der im Februar 1832 in Paris gegründet, im Frühjahr 1834 wieder aufgelöst wurde] ist schwer ins klare zu kommen. Sie sind beide, besonders der erstere, zu klug, um sich mit jenen unbedeutenden Individuen zu kompromittieren. Heine schreibt meistens lediglich nur um Geld zu gewinnen, aber die hiesige Polizei glaubt dennoch, daß er mit den Propagandisten in näherer Berührung steht und daß er am 22. Dezember eine Versammlung deutscher Schriftsteller bei sich gehalten habe, in der beschlossen worden sei, die Redaktion der Druckschriften und Pamphlete des Patriotenvereins, die bisher so mangelhaft verfaßt worden sind, künftig geübteren Federn anzuvertrauen. Deshalb sei eine Redaktionskommission ernannt worden, die aus folgenden Personen besteht: Heine, Savoye, Dr. Meyer, Dr. Arent und A. Traxel. Börne wollte bei dieser Versammlung nicht erscheinen, da er mit Heine in bitterer literarischer Feindschaft lebt und Heine als unzuverlässig darstellen will.

      276. Fürst Hermann von Pückler-Muskau99

      September 1834

      [An Varnhagen von Ense, Orleans, den 7. Oktober:] ... Ökonomie... habe ich leider, wie Sie wissen, nötig, und dies alles hat mich verhindert (unter

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