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ich Madame Valentin*: „Ist denn der Boden stark genug, kann er zwei große Männer wie wir zugleich tragen?“ Es war das erstemal, daß ich mit Heine in Gesellschaft war. Mit mir sprach er wenig, ja, er blieb immer von mir entfernt und suchte sich einen eigenen Mittelpunkt. Abends, da mehrere Leute zur gewöhnlichen Sonntagsgesellschaft kamen, bemerkte ich, daß Heine mit keinem der Bedeutenderen, Gebildeteren sprach, sondern sich gerade dem Jüngsten in der Gesellschaft, fast noch ein Knabe, zur Seite setzte und sich mit ihm unterhielt. Er war gerade bei besserer Laune als gewöhnlich, ich kann ihn also nicht einmal mit seiner Hypochondrie entschuldigen.

      Seit kurzem ist eine Schauspielerin vom dritten Range mit ihrem Manne, einem Theaterdichter, hier. Bei diesen Leuten ist Heine zu allen Zeiten des Tags. Und das sind nicht etwa genialisch-joviale-lebenslustige Menschen, sondern ganz solid-bürgerliche, aber auch sehr gewöhnliche Menschen... Man merkt es dem Heine deutlich an, wie er immer gern was besonders Auffallendes sagen möchte und lieber schweigt, als etwas Gewöhnliches spricht. Besonders ärgert mich an ihm seine Sucht, immer Lachen zu erregen. Lachen ist eine der untersten Seelenbewegungen, und ein Mann von Geist sollte auf höhere Wirkungen ausgehen. Er hat mir neulich gesagt, daß er spiele, und ich habe ihm ganz freundschaftlich den Text darüber gelesen. Was ich gegen das Spiel vorgebracht, schien ihm alles neu zu sein. Überhaupt mag er sich um die Moral nie viel bekümmert haben. Der arme Heine wird chemisch von mir zersetzt, und er hat gar keine Ahnung davon, daß ich im geheim beständig Experimente mit ihm mache.

      246. Ludwig Börne71

      Anfang Dezember 1831

      [Börne an Jeannette Wohl, 8. Dezember:] Heine saß in Hillers Konzert neben mir. Der ist so unwissend in Musik, daß er die vier Teile der großen Sinfonie für ganz verschiedene Stücke hielt und ihnen die Nummern des Konzertzettels beilegte, wie sie da aufeinander folgen. So nahm er den zweiten Teil der Sinfonie für das angekündigte Altsolo, den dritten Teil für ein Violoncellosolo und den vierten für die Ouvertüre zum „Faust“! Da er sich sehr langweilte, war er froh, daß alles so schnell ging, und ward wie vom Blitz gerührt, als er von mir erfuhr, daß erst Nr. 1 vorbei sei, wo er dachte, schon vier Nummern wären ausgestanden...

      Als ich dem Heine erzählte, der Artikel aus der „Börsenhalle“ stünde auch in der „Frankfurter Postzeitung“, war er wie erstarrt vor Erstaunen und Schrecken. Er sagte, das sei nicht möglich, daß Rousseau etwas habe drucken lassen, worin er, Heine, beleidigt wäre; denn er kenne ihn seit zwölf Jahren. Auf jeden Fall wären die Stellen, die ihn beträfen, gewiß im Artikel weggeblieben. Lesen Sie ihn doch in der „Postzeitung“ und schreiben Sie mir, ob sich das wirklich so verhält. Wenn der Heine nur halb ein solcher Schuft ist, als er freiwillig bekennt, dann hat er schon fünf Galgen und zehn Orden verdient. Schon zwanzigmal gestand er mir, und das ganz ohne Not, dem Argwohn zuvorkommend, er ließe sich gewinnen, bestechen. Und als ich ihm bemerkte, er würde aber dann seinen Wert als Schriftsteller verlieren, erwiderte er, keineswegs; denn er würde gegen seine Überzeugung ganz so gut schreiben als mit ihr. Und glauben Sie nicht, daß das Scherz sei: es beweist mir, daß Heine schon ist, was werden zu können er nicht leugnet. Daß er offen und freiwillig von seiner Verdorbenheit spricht, beweist nichts gegen den Ernst; das ist die alte bekannte List, durch Selbstanklage der Überraschung seiner eigenen Vorwürfe und der andern keck in den Weg zu treten. Es sind Ausfälle aus der Festung des Gewissens, um die Belagerung zurückzudrängen.

      ... Schade ist es um Heine, daß seine schönste dichterische Begeisterung ihm aus dem Tranke sinnlicher Liebe kömmt, und ich habe ihm das gestern selbst gesagt. Zehn Jahre reiferen Alters werden ihm viel von seinem Werte nehmen...

      [In den „Kritischen Blättern der Börsen-Halle“ Nr. 72 vom 14. November 1831 war eine scharfe Kritik gegen Börnes „Briefe aus Paris“ erschienen; auch Heine war darin mehrfach genannt.]

      247. Ludwig Börne71

      9. Dezember 1831

      [Börne an Jeannette Wohl:] *Der Artikel im „Morgenblatte“ ist nicht von Menzel. Es ist sein Stil nicht. Auch hat mir Heine den Verfasser genannt, ich habe aber seinen Namen vergessen*.

      [Gemeint ist jedenfalls der Aufsatz über Börnes „Briefe aus Paris“, Bd. 1 und 2, im „Literaturblatt“ zum Stuttgarter „Morgenblatt“ Nr. 121 und 122 vom 28. November und 2. Dezember 1831. Der Verfasser war aber doch Menzel selbst.]

      248. Ludwig Börne71

      15. Dezember 1831

      [Börne an Jeannette Wohl:] *Heine war eben bei mir, nachdem er heute die Briefe gelesen. Er ist ganz außer sich vor Entzücken. Er sagt, es wäre besser als alles, was ich früher geschrieben, und der Stil wäre unvergleichlich. Daß ich ihn einige Male so sehr gelobt, mag freilich sein Urteil etwas exaltiert haben. Heine ist zugleich der eitelste und der feigste Mensch von der Welt. Meine Briefe werden auf seine künftige politische Schriftstellerei einen sehr schädlichen Einfluß haben. Furchtsam, wie er ist, wird er künftig nicht den Mut haben, selbst mit seiner früheren gemäßigteren Kraft zu schreiben. Das sagt er selbst, nicht in meiner Gegenwart, aber es wurde mir wiedererzählt, und daß er dabei über meinen Übermut sich sehr tadelnd ausgelassen. Mit diesem Grunde seiner künftigen Mäßigung täuscht er andere, vielleicht sich selbst. Der Hauptgrund ist die Eitelkeit. Sich weder die Kraft noch den Mut zutrauend, mit mir in Politik an Tapferkeit zu wetteifern, wird er freiwillig unter sich selbst herabsinken, nur um sich von mir zu entfernen und nicht mit mir verglichen werden zu können. Er gefällt mir alle Tage weniger, ob er mich zwar sehr hoch stellt und sein Urteil, als das eines Kenners, mir sehr schmeichelhaft sein muß. Er ist ein Lümpchen, hat keine und hält auf keine Ehre. Die Partei der Liberalen ist aber noch so schwach in Deutschland, daß nur die strengste Rechtlichkeit ihr Gewicht geben kann. Wie alle furchtsamen Menschen, hat auch Heine ein Grauen vor dem Volke, und er kann sich gar nicht darein finden, wie ich dem Pöbel so zugetan sein, ihn so warm verteidigen mag. Ich habe ihm erst heute gesagt: „Laßt uns unsern künftigen Herrn ehren!“*

      [So wenig sympathisch Börnes spionenhafte Berichte über Heine berühren – an den äußeren Tatsachen, die er angibt, ist kaum ein Zweifel statthaft. Heine hat ihn demnach doch bedeutend öfter besucht, als er in seiner Schrift über Börne wahrhaben wollte; hier legt er Wert darauf, festzustellen, daß er nur zweimal bei ihm war, dann ihn noch zweimal an dritten Orten getroffen und ihm dann „geflissentlich“ ausgewichen sei; dagegen sei Börne ihm „nachgekrochen“ in die Restaurants, wo Heine speiste. Die Besuche Heines bei Börne am 24. Oktober und 15. Dezember 1831, das mehrfache Zusammentreffen mit ihm am 30. Oktober und Anfang Dezember 1831, am 4. März 1832 hat Heine vergessen oder absichtlich verschwiegen. Daß er Börne kurz nach dem Hambacher Fest (27. Mai 1832) „zum letztenmal in diesem Leben wiedersah“, stimmt keinesfalls. Börnes Bericht vom 5. Januar 1833 über einen langen Besuch Heines bei ihm ist gewiß nicht Erfindung.]

      249. Ludwig Börne71

      27. Dezember 1831

      [Börne an Jeannette Wohl:] Heines Charakter als Mensch und Dichter sehr bezeichnend ist die Bemerkung, die er mir gemacht, daß er den Mut bewundere, mit welchem ich meine Blutigelgeschichte in Dormans erzählt. (Die ihm übrigens sehr gefallen.) Er hätte es nie gewagt, sich so der Gefahr, lächerlich zu werden, auszusetzen.

      [Die Blutigelgeschichte findet sich im 4. Pariser Brief Börnes vom 15. September 1830; Teil 1 und 2 der „Briefe aus Paris“ waren im Oktober 1831 erschienen. – Diese Briefstelle ist jedenfalls Nachtrag zum 15. Dezember.]

      250. August Lewald1

      Anfang 1832

      Börne ging im Jahre 1832 auf den Mont-Martre, um zu deutschen Schmieden und Schuhmachern zu sprechen, und hielt Reden in der Passage du Saumon, während Heine im stillen darüber lächelte und sich überall entfernt hielt, wo es Lärm geben konnte. Börne ist mehr der Mann der Tat als Heine. Heine schlendert tagelang im Dolcefarniente umher und sinnet auf schöne Lieder.

      Er verfolgte Börnes Treiben gern mit Spöttereien,

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