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er mit voller Ladung an ihnen vorbei nach Norden und kehrt im Januar 1823 dahin zurück, um diese seine Entdeckung genauer zu untersuchen. Ohne von Powells und Palmers Besuch zu wissen, nimmt er die Inselgruppe kartographisch auf, landet an mehreren Stellen, findet aber keine Pelzrobben, nur wenige Seeleoparden. Da seine Berufskollegen über die Süd-Shetland-Inseln wie Raubmöwen hergefallen sind und den Wildbestand dort schon fast vernichtet haben, worüber er 1825 öffentlich Klage führt, sieht er sich nach neuen Fangstellen um und wagt sich mit seinen beiden winzigen Schiffen, der „Johanna“ von 160 Tonnen mit 22 Mann Besatzung und dem Kutter „Beaufoy“ mit 13 Leuten unter dem Kommando von Matthias Brisbane, am 23. Januar nach Süden. Ohne vom Eis aufgehalten zu werden, kommt er in vier Tagen auf dem 40. Längengrad bis 64° 58′ s. B.; da aber nirgends eine Küste ist, kehrt er am 27. Januar wieder um und kreuzt zwischen den Orkney-Inseln und Cooks Sandwichland. Da er auch hier nichts findet, segelt er am 5. Februar nochmals südwärts. Am 10. begegnet ihm ein Eisberg, dessen Nordseite so mit schwarzer Erde bedeckt ist, dass jeder an Bord ihn für ein Vorgebirge hält, um so mehr, als Kapitän Weddell 10 Pfund Belohnung dem ausgesetzt hat, der zuerst Land sichtet. Dieser Eisberg muss von einer Küste herkommen, sagt er sich, und fährt weiter. Am 14. Februar ist er auf 68° 28′ s. B., und nun packt ihn das Entdeckerfieber. Er lässt sich durch das nebelfeuchte Wetter, das seiner Mannschaft übel zusetzt, und durch den Aufmarsch riesiger Eisberge nicht abschrecken, zwängt sich überall durch, und auf dem 70. Breitengrad ändert sich plötzlich die Szenerie. Treibeis und Eisberge werden seltener, am 18. Februar ist bei prächtigem Sonnenwetter auf 72° 38′ kein Stückchen Eis mehr zu sehen. In der glatten See spielen Massen von Walfischen, und Scharen blauer Seevögel, besonders Sturmschwalben, flattern umher. Am 20. Februar erreicht er 74° 15′ auf 34° 17′ w. L., er hat also selbst den grossen Cook um drei volle Breitengrade geschlagen! Bis zum Horizont dehnt sich das offene Meer, hier und da schwimmen kleine Eisinseln, auf denen Pinguine herumklettern, die Lust ist so klar wie an keinem Tag vorher, nur Land ist nirgends zu sehen, obgleich die zahlreichen Vögel seine Nähe zu verkünden scheinen. Mindestens bis zum 75. Grad hätte Weddell noch freie Bahn. Auf einer Fahrt geradezu ins Blaue hat er einen Zugang zum Südpol entdeckt, offenes Meer da, wo man bisher nur undurchdringliche Eisfelder oder eisbeschwertes Land vermutete! Cooks allzu selbstbewusstes Wort von der Unmöglichkeit, weiter vorzudringen als er selbst, dieses Wort, das wie ein Bannfluch auf der Antarktis lastete — er, der kleine, jämmerlich ausgerüstete Robbenfänger, hat es widerlegt, das Land um den Südpol, wenn es überhaupt existiert, muss bedeutend kleiner sein, als die Geographen nach Cooks Umsegelung annehmen, der Südpol ist offenbar viel leichter zu erreichen als der Nordpol und wird trotz Cooks Prophezeiung nicht ewig unentdeckt bleiben! Weddell hat den Weg zu ihm gefunden! Warum ist er nur nicht gleich am 27. Januar schon weiter nach Süden vorgestossen! Dann wäre es ihm gewiss beschieden gewesen, das grosse Geheimnis des Südpols aufzuklären. Hier, mitten in dem weit offenen ersten Tor zur Antarktis, muss er umkehren! Die Matrosen haben für Entdeckungsreisen keinen Sinn, sie wollen Land sehen und Pelzrobben, denn ein Teil der Ladung ist ihr Gewinn. Viele Leute schon spüren rheumatische Schmerzen, Anzeichen des Skorbuts; die Lebensmittel gehen auf die Neige, er kann das Leben seiner Gefährten nicht aufs Spiel setzen einem geographischen Rätsel zuliebe, das er mit seinen kümmerlichen Instrumenten doch nicht so exakt wird lösen können, wie die Wissenschaft es verlangt. Die Tage werden schon bedenklich kürzer. Obendrein weht scharfer Südwind, der ein Vorwärtskommen erschwert, aber für die lange Heimfahrt unschätzbar ist. Also entschliesst sich Weddell schweren Herzens zur Umkehr. „Um der Mannschaft“, erzählt er in seinem Reisebericht, „durch Anerkennung ihres Verdienstes wieder Mut zu machen, lobte ich ihre Ausdauer und ihr ordentliches Betragen und eröffnete ihr, dass wir viel weiter nach Süden gelangt seien als irgendein Seefahrer jemals vor uns. Die Flaggen wurden gehisst, eine Kanone gelöst, und die Mannschaft beider Schiffe rief dreimal ‚Hurra‘. Dieser festliche Augenblick nebst dem gehörigen Quantum Grog vertrieb ihren Unmut und flösste allen neue Hoffnung für die Zukunft ein.“ Der neuentdeckte Meeresteil erhält den Namen König-Georg-IV.-Meer. — Das Glück, das den kühnen Kapitän bis dahin begleitete, bleibt ihm auch auf der Heimfahrt treu; der Südwind trägt seine Schifflein pfeilschnell bis über den Polarkreis, und wenn die Zone des Treibeises und der Eisberge auch noch einen stürmischen Kampf kostet, bei dem der kleine Kutter am 5. März vom Hauptschiff getrennt wird, so treffen doch beide am 12. März glücklich in Südgeorgien ein, wo sich die zahlreichen Skorbutkranken erholen. Von da segelt Weddell am 17. April nach den Falkland-Inseln; dort überwintert er, um im nächsten Sommer nachzuholen, was im vorigen versäumt wurde. Aber diesmal sind die Süd-Shetland-Inseln so von Packeis belagert, dass die Schiffe nicht die Küste erreichen. Er kehrt nach Kap Hoorn zurück und verbringt den Winter in Feuerland. Der kleine Kutter unter Kapitän Brisbane aber macht sich im Dezember nochmals auf den Weg und kommt mit einer so reichen Beute an Fellen zurück, dass auch der geschäftliche Ertrag dieser Expedition, die durch einen glücklichen Zufall und durch den Wagemut des Anführers ein wissenschaftlicher Erfolg von grösster Bedeutung geworden ist, nicht allzusehr hinter den berechtigten Erwartungen der tüchtigen Mannschaft zurückbleibt.
Man sollte meinen, die Geographen Europas machen einen Luftsprung, als sie 1825 Weddells schmucklosen und gerade dadurch überzeugenden Reisebericht lesen, aber da regt sich nichts. England hat mit Australien, der Südsee und Kanada alle Hände voll zu tun, und seine grossen Polarforscher John und James Ross, Parry, Franklin usw. nehmen ausschliesslich den arktischen Teil Nordamerikas mit Wucht in Angriff. Die Antarktis, so weit entfernt, bleibt einstweilen den Wal- und Robbenfängern preisgegeben, die ja bewiesen haben, dass sie recht tüchtige Roharbeit leisten und der systematischen Forschung manchen Stein aus dem Wege räumen; ihre etwas wirren und groben Kartenskizzen wird früher oder später die Wissenschaft schon ins reine zeichnen. Mit den Aufklärungsarbeiten soll man teure Expeditionen nicht belasten; für sie ist die Gewinnsucht der beste Vorspann, und wenn sich noch mehr so tapfere Draufgänger finden wie Weddell, übersieht die englische Admiralität besser, wo sie später erfolgversprechend anzusetzen hat. Da ist in London die grosse Reederei Charles Enderby, die sucht stets solche Leute, die für Wal- und Robbenfang neue Gebiete erschliessen; sie schärft ihren Kapitänen ein, sich keine Gelegenheit zu Landentdeckungen entgehen zu lassen, versieht sie mit den dazu nötigen nautischen Instrumenten und rechnet nicht kleinlich nach, wenn auf solchen mehr Entdeckungs- als Beutezügen die Ladung an Fellen und Tran einmal spärlich ausfällt und kaum die Unkosten deckt. Doch solche Leute, die geschäftliche Umsicht mit wissenschaftlicher Vorbildung und persönlichem Mut vereinen, sind selten. Einmal aber tut Enderby einen besonders glücklichen Griff. Am 14. Juli 1830 verlassen zwei kleine Schiffe den Hafen von London, die Brigg „Tula“ von 148 und der Kutter „Lively“ von 70 Tonnen; Führer der Expedition ist Kapitän John Biscoe, den Kutter befehligt Kapitän Smith, der Entdecker der Süd-Shetland-Inseln, deren Küsten längst so ausgeplündert sind, dass es sich kaum mehr lohnt, dahinunter zu gehen. Den beiden erfahrenen Kapitänen wird es hoffentlich gelingen, irgendwo in den antarktischen Meeren neue Fangplätze auszukundschaften. Die Schiffe segeln zunächst nach den Falkland-Inseln und von da nach Osten. Seit 1762 haben spanische Schiffe dortherum dreimal Land gesichtet, die Aurora-Inseln; auch Weddell hat ihnen schon nachgespürt, aber vergeblich, und Biscoe geht es ebenso. Er steuert deshalb auf die Sandwich-Inseln zu, in deren Süden ihn aber das Eis nicht durchlässt. Er fährt nördlich um sie herum und dann nach Südosten, passiert am 21. Januar 1831 in fast eisfreiem Wasser den Polarkreis und erreicht am 1. Februar seine höchste südliche Breite, 69° 25′ auf 13° ö. L.; etwas weiter östlich hat Bellingshausen elf Jahre vorher seinen ersten Vorstoss nach Süden gemacht und ist auch nicht weiter gekommen. Zahlreiche Vögel und die Farbe des Wassers deuten auf nahes Land; in den folgenden Tagen wiederholen sich diese Anzeichen, aber Biscoe muss am 4. Februar dem schweren Packeis ausweichen und bis an den Polarkreis zurückgehen. Die beiden kleinen Schiffe leisten Wunderbares, denn auf dieser ganzen Strecke treiben Ostwind und Strömung ihnen die Eismassen stets entgegen. Am 19. Februar erreichen sie genau die Stelle, wo im Januar 1773 eine Eismauer Cook Halt gebot und Bellingshausen noch früher nach Norden zurückgehen musste. Biscoe aber glückt es, sich von hier an einige Tage nahe dem Polarkreis zu halten, und er sieht nun, wie die Eismauer nach Osten hin langsam höher wird, 30, 35 Meter und mehr. Sie ist die Steilküste eines Landes, das am 25. Februar in 66° 2′ s. B. und 43° 54′ ö. L. sichtbar wird und am 27. (in 65° 57′ s. B. und 47° 26′ ö. L.) zu gewaltigen Bergrücken aufsteigt, deren schwarzfelsige Gipfel
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