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man kann also gar keinen Vergleich zwischen den Eisfeldern des Nordens und denen dieser Gegenden ziehen, und diese erstaunlichen Berge geben den sie einschliessenden Eisfeldern ein so bedenkliches Aussehen, dass es eine ganz andere Sache ist, dieses Eismeer zu befahren, als das grönländische. Ich will damit nicht sagen, dass es allenthalben unmöglich sei, weiter vorzudringen; doch würde wohl kein Seemann in meiner Lage diesen gefährlichen Versuch gemacht haben. Ich bin überzeugt, und dieser Meinung pflichtete die Mehrzahl der Offiziere und der Mannschaft bei, dass dieses Eisfeld sich bis zum Südpol erstreckt oder vielleicht bis zu einer Landküste reicht, an der es seit den frühesten Zeiten festsitzt, und dass sich südlich des von mir erreichten Breitengrades das sämtliche Eis bildet, das wir hier und da weiter nördlich fanden; Windstösse oder andere Kräfte reissen es los, und nördliche Strömungen, wie sie überall in diesen Breiten vorherrschen, führen sie milderen Gegenden zu.“

      Cook ist von einer wissenschaftlich strengen Vorsicht: was er nicht mit Händen greifen kann, wagt er nicht zu bestimmen; die sonderbaren Berge in der Ferne sehen richtigen Gebirgszügen merkwürdig ähnlich, aber da er auf Landungen an einer Eisküste nicht eingerichtet ist, wird er sich davon mit Sicherheit nie überzeugen können; er begnügt sich also mit dem Vergleich, zum grossen Unterschied von spätern Forschern, die jede grössere Eisbank sofort als eine ncuentdeckte Küste ausposaunen und mit pomphaften Namen plakatieren. Was er sieht, sind höchstwahrscheinlich Ausläufer des Gebirgszugs, der das Rückgrat von Graham-Land bildet, und wäre er etwa 40 Grad östlicher vorgestossen, so hätten seinem Entdeckerblick die Gipfel des noch unbekannten Grahamlandes schon auf 65° s. Br. kaum entgehen können. Aber so nahe bei Kap Hoorn hat er das Meer schon auf seiner ersten Reise bis zum 60. Grad erforscht, und obendrein zwingt ihn Mangel an Lebensmitteln, schleunigst nach Norden zu flüchten. Er selbst erliegt fast den Strapazen, schwebt infolge eines Gallenleidens acht Tage in Lebensgefahr und wird nur dadurch gerettet, dass Forster ihm seinen Hund opfert; das Fleisch des Tieres bringt ihn wieder zu Kräften. Am 10. November bricht er, abermals von Neuseeland aus, nach Kap Hoorn auf, hält sich aber diesseits des 60. Breitengrades und findet auch hier nichts von einem antarktischen Kontinent. Weihnachten ist er an der Küste Feuerlands, und am 6. Januar 1775 verlässt er den Neujahrshafen der Staaten-Insel, um den Kreis um die Antarktis zu vollenden.

      Auf den neuesten Karten, die er mit sich führt, steht immer noch südöstlich von Feuerland der Golf von San Sebastians; natürlich findet sich dieses Phantasieprodukt Mercators nicht, aber die Insel San Pedro, die 1675 entdeckt, erst 1756 wieder gesehen und seitdem vergeblich gesucht wurde; von ihrer Nordküste macht er eine genaue Aufnahme und gibt der Insel auf den Rat Försters zu Ehren des regierenden Königs von England den Namen Südgeorgien. Dann steuert er nochmals nach Südosten, um nun auch diesen Teil des Atlantischen Ozeans nach Küsten abzusuchen, und hier gelingt ihm unverhofft die Entdeckung eines neuen Landes, die einzige innerhalb dieser Breiten. Am 31. Januar wird es gesichtet, und das Schiff nähert sich ihm bis auf einen Kilometer. „Der Anblick dieser neuen Küste“, erzählt Cook selbst, „war schauerlich. Die sehr hohen, senkrechten Klippen starrten von schwarzen Höhlen. An ihrem Fuss brandeten tobende Wellen, ihr Haupt verhüllte sich in Wolken, über die ein einziger weisser Gipfel hervorragte. Das südlichste Ende dieses Landes liegt unter 59° 30′ s. B. und 27° 30′ w. L. So weit wir es mit seinen vorliegenden kleineren Inseln kennenlernten, sah es überall gleich öde und furchtbar aus. Ohne die vielen schwarzen Stellen und Höhlen wäre unklar geblieben, ob wir Land oder Eis vor uns hatten. Seeraben, die in den Höhlen nisteten, waren die einzigen Bewohner, selbst die unförmigen Amphibien, die See-Elefanten von Südgeorgien, fehlten.“ Cook nennt seinen Fund Sandwichland nach dem damaligen Chef der englischen Admiralität, den gebirgigen südlichen Teil Süd-Thule und die Nordspitze Frieslandshaupt, weil ein deutscher Matrose an Bord der „Resolution“ namens Friesleben diesen Felsen zuerst gesichtet hatte.

      Auf eine nähere Untersuchung dieser Küste verzichtet er, denn die Tage werden kürzer, die Lebensmittel sind schon bedrohlich gering, die Sauerkrautfässer leer, von Würmern zerfressener Zwieback und halbverwestes Pökelfleisch die einzige Nahrung. Er hält Sandwichland für einen Inselarchipel, womit er Recht hat, aber selbst, wenn es der einzige, den 60. Breitengrad überschreitende Ausläufer eines polaren Festlandes wäre, sähe er sich nicht weiter danach um. Er ist ausgezogen, um festzustellen, ob in den ungeheuren Meeren der südlichen Halbkugel ein grosses, bewohn- und kolonisierbares Festland verborgen ruht, und es für England in Besitz zu nehmen. Eis- und Schneegebirge, schauderhafte Klippenküsten wie dieses Sandwichland, an dem man Fels, Erde und Eis kaum voneinander unterscheiden kann, lohnen keine weitere Mühe. Er ist durchaus überzeugt, dass der Südpol einen Landkern hat, von dem sich die Eismassen ablösen, die den Ozean im Süden überall unsicher machen, und aus der Erfahrung, dass sie sich im Atlantischen und Indischen Ozean viel weiter nördlich herumtreiben als anderswo, zieht er den zutreffenden Schluss, dass sich nach diesen beiden Seiten hin beträchtliche Stücke des Polarlandes entsprechend weiter nach Norden vorschieben, Sandwichland also wohl ein Ausläufer davon sein könnte. „Aber“, so erklärt er, „es wäre verrückt gewesen, alles, was wir auf der Reise erzielt hatten, aufs Spiel zu setzen, nur um eine Küste zu entdecken und zu erforschen, die, einmal entdeckt und erforscht, zu nichts dient und deren Kenntnis weder der Schiffahrt noch der Geographie noch sonst einer Wissenschaft förderlich sein kann.“

      Um aber den vorgeschriebenen Kreis gewissenhaft zu schliessen, fährt er von Sandwichland ostwärts bis zu dem Punkt, wo er, zu Beginn der Reise von Norden kommend, nach Osten abwich, er segelt dabei über die Stelle hinweg, wo Kap Bouvet liegen soll, und ankert am 22. März 1775 wieder in der Tafelbucht bei Kapstadt, von wo er ausgegangen. Trotz der übermenschlichen Strapazen und Entbehrungen während der fast dreijährigen Reise hat er nur einen Matrosen durch Krankheit verloren, ein Erfolg des Sauerkrauts und der Bierwürze, der den Seefahrern jener Zeit als das grösste aller Wunder erscheint.

      Cooks Weltreise um die Antarktis ist mit der Tat des Kolumbus verglichen worden und steht ihr an Kühnheit und Verdienst wenig nach, obgleich sie, in ihrem antarktischen Teil, keine neue Welt hervorzaubert, sondern im Sinne jenes Zeitalters der „Aufklärung“ die Phantasie entthront und die nüchterne Wirklichkeit an ihre Stelle setzt. Die Lieblingsvorstellung der alten Kosmographen, das märchenhafte Südland, hat jetzt abgewirtschaftet, der angebliche Riesenkontinent, der im Stillen Ozean fast den Äquator berühren sollte, schrumpft zu einem gottverlassenen Eisland zusammen, das durch den 60. Breitengrad begrenzt ist, sich aber an mehreren Punkten bis hinter den Polarkreis zurückzieht. Das Bild der südlichen Halbkugel der Erde ist damit in der Tat aufgeklärt, es zeigt unvergleichlich mehr Wasser als Land, und die mathematischen Mümmelgreise müssen nun sehen, wie sie das notwendige Gleichgewicht des Erdballs wieder in Ordnung rechnen.

      Land am Südpol!

      James Cook hat auf seiner Weltreise um die Antarktis Südgeorgien, das Paradies der See-Elefanten und Pelzrobben, für England in Besitz genommen, obgleich kein Zweifel besteht, dass ein Spanier Antonio de la Roché mit zwei Kauffahrteischiffen, die aus Hamburg stammten, aber nicht unter dessen Flagge fuhren, diese Insel 1675 entdeckte und ein spanisches Handelsschiff „Leon“ sie 1756 wiederfand. Was soll Cooks reiches Vaterland, dem die sonnige Südsee so viel Herrlichkeiten beschert, mit einer Insel, die mehr einem jener Eisbergriesen aus dem Innern der Antarktis ähnelt als einem Festland? Niemand kann ja geringschätziger darüber urteilen als Cook selbst! „Südgeorgien“, erklärt er, „widerlegt die landläufige Meinung, dass jeder Teil der Erde, der wildeste und kälteste nicht ausgenommen, Menschen zum Aufenthalt dienen könne. Schon der Sommer ist hier sehr kalt, der Winter aber würde ein menschliches Wesen unfehlbar töten. Den Handel kann nichts verlocken, sich bis zu diesen Breiten vorzuwagen. Der blaugraue Schiefer von Südgeorgien enthält keine Metalle, und See-Elefanten und See-Löwen, deren Tran einen Handelsartikel bildet, findet man an den südlichen Küsten Amerikas viel häufiger. Sollte der Walfischfang am Nordpol dereinst abnehmen, dann brauchte man auch diese Tiere nicht bei Südgeorgien zu suchen.“ Wie sehr überschätzt Cook den Reichtum der Welt! Auffallender noch: wie sehr unterschätzt dieser grosse Entdecker die Tatkraft und Zähigkeit der menschlichen Rasse und ihrer Haupttriebfedern Habsucht und Not! Und wie drastisch hat ihn die Geschichte widerlegt! Sofort nach Bekanntwerden des Cookschen Berichtes werden in England und Amerika Jagdschiffe ausgerüstet, um See-Elefanten und Pelzrobben zu jagen. Die Ausbeuter wirtschaften so

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