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ein anderer deutscher Schriftsteller, der sich den Rang eines Klassikers der Reiseschilderung erwirbt, dem Lebenswerk des grossen Engländers die verdiente Bewunderung in Deutschland gesichert hat, denn die kümmerliche Tagespresse von damals schafft noch keine Helden. An Cooks zweiter, epochemachender Weltumsegelung 1772—1775 nimmt der deutsche Naturforscher Johann Reinhold Forster teil; Cooks Begleiter auf der ersten Reise, der Londoner Millionär Sir Joseph Banks, vier Jahrzehnte Präsident der „Königlichen Societät“ für Wissenschaft, und der schwedische Naturforscher Daniel Solander, Bibliothekar am Britischen Museum, haben sich für eine Wiederholung dieses höchst unkomfortablen Abenteuers bedankt; Forster nimmt seinen achtzehnjährigen Sohn Georg mit, und dieser übernimmt die Aufgabe, die ursprünglich seinem Vater zugedacht war, aber dann von der englischen Regierung aus kleinlicher Eifersucht verwehrt wird: er beschreibt diese an Mannigfaltigkeit und Grösse der Erlebnisse einzigartige Entdeckungsreise nach eigenen Eindrücken, dem Tagebuch seines Vaters und den Aufzeichnungen Cooks selbst in einem Erstlingsbuch „Eine Reise um die Welt“, das ihn schnell zu einem der meistgelesenen Schriftsteller Deutschlands macht und keinem Geringeren als Alexander von Humboldt die Anregung zu seinen berühmten Forschungsreisen gibt. Dieses Werk Georg Forsters ist gleichsam das erste Kapitel der Memoiren des Südpols.

      Cook ist weder Sir noch Lord noch Admiral; als ihn am 14. Februar 1779 Eingeborene der Insel Hawai hinterrücks erdolchen, zählt er einundfünfzig Jahre; er hat es nur zum Kapitän der englischen Flotte gebracht — sehr viel für einen armen Bauernjungen, der, mit dreizehn Jahren Knecht eines Kohlenschiffers, die dornenbesäete Laufbahn eines Seemanns von der untersten Stufe an emporklimmen muss. Seine Hände erzählen von dieser bittern Lehrzeit: mehrere Finger sind verstümmelt, und zeitlebens bleibt er bedürfnislos wie der niedrigste Matrose unter seinem Kommando: auf seinen Kapitänstisch kommt immer die Mannschaftskost. Unter leichtfertigen Jugendkameraden gilt er als Streber, er braucht jeden Pfennig zu seiner Fortbildung; Nautik, Mathematik und Astronomie sind seine alles übrige verdrängende Leidenschaft. Englands Krieg gegen die französischen Kolonien in Amerika eröffnet ihm den Eintritt in die englische Marine; er zeichnet sich aus. Nach achtzehn Jahren hat er die am schwersten zugängliche erste Plattform erstiegen, er ist Obersteuermann und Schiffsmeister. Seine Karten von den Küsten Kanadas und Neu-Fundlands erregen bei der Admiralität Aufsehen. Sie ernennt ihn 1768 zum Leutnant und zum Befehlshaber der „Endeavour“ (Bestrebung), eines ehemaligen Kohlenschiffs, das am 3. Juni 1769 von der Südseeinsel Tahiti aus den Vorübergang des Planeten Venus vor der Sonne zu beobachten hat, was für Berechnung der Sonnenentfernung, des astronomischen Grundmasses, von höchster Bedeutung ist. Auf dieser ersten Weltreise umfährt er Neuseeland, entdeckt die Ost- und Nordküste Australiens (die Umsegelung der Nordküste schon 1606 durch den Spanier Torres ist völlig unbekannt geblieben) und bewährt sich als ein so glänzender Schiffs- und Expeditionsführer, dass ihm, kaum heimgekehrt, eine zweite, grössere Aufgabe gestellt wird, die ihn selbst schon auf der ersten Reise lebhaft beschäftigt.

      Als er auf dem Wege nach Tahiti die ungefährlichere Magellanstrasse rechts liegen lässt, um das seiner Stürme wegen berüchtigte Kap Hoorn zu erproben, macht er einen grossen Bogen bis zum 60. Breitengrad hinunter; aber von dem sagenhaften Südland, das immer noch in den Köpfen der Geographen und Seefahrer spukt und sich auf den Landkarten behauptet, zeigt sich nirgends eine Spur, ebenso wenig von drohenden Eismassen, denen andere Schiffe hier nur mit Mühe entgangen sein sollen; das Wetter ist im Gegenteil den ganzen März 1769 dortherum so still, dass die Naturforscher der Expedition im kleinen Boot Jagd auf Seevögel machen dürfen. Als Cook dann durch Umsegelung Neuseelands bewiesen hat, dass auch diese grosse Insel in keinerlei Zusammenhang mit einem Südkontinent steht, möchte er am liebsten stracks in den antarktischen Winter hineinfahren, um dieses Land zu suchen, muss sich aber von seinen Begleitern überzeugen lassen, dass ihr gebrechliches Schiff der zu befürchtenden Eisfahrt unmöglich gewachsen ist. Jetzt aber verlangt die englische Admiralität eine endgültige Antwort auf die Frage, was es mit dem Südland, nach dem die Franzosen neuerdings wieder so eifrig forschen, auf sich habe, und keiner wird diese Antwort besser geben können als Kommander (noch nicht Kapitän!) James Cook, der Todesverachtung und eiserne Ausdauer mit einer kaum je dagewesenen Umsicht, Geschicklichkeit und Sicherheit in Handhabung aller nautischen Instrumente verbindet. Am 13. Juli 1772 verlässt er mit zwei ungepanzerten Holzschiffen „Resolution“ (Entschlossenheit) und „Adventure“ (Wagestück), das erste 462 Tonnen mit 112, das zweite 336 Tonnen mit 81 Mann Besatzung, den Hafen von Plymouth und segelt am 22. November von Kapstadt aus nach Süden. Sein Auftrag ist, zunächst das von dem Franzosen Bouvet gesichtete Land aufs genaueste zu erforschen und, wenn es nicht auffindbar oder nur eine Insel ist, weiter nach Süden vordringend auf dem höchstmöglichen Breitengrad den Pol zu umsegeln, im übrigen ganz nach eigenem Ermessen zu handeln.

      Cooks Weltreise um die Antarktis

      Was wird Cook im Süden finden? Bewohnbare, vielleicht gar bewohnte Länder mit freundlichem Klima, meinen immer noch etliche Schreibtischgeographen; seit ungefähr einem Jahrhundert aber wissen manche Seefahrer besser, was dort unten zu erwarten ist, obgleich noch kein Schiff über 62¾ Grad hinauskam: Eis und Schnee und Sturm, schlimmer als im Norden, Treibeis, Packeis und Eisberge, an deren fabelhafte Grösse und Höhe zunächst niemand glauben will; die Abenteurer, die dorthin verschlagen werden, meist Freibeuter und Gentleman-Seeräuber, wie die allgemeine Jagd auf Kolonialbesitz sie ausbildet, diese Schwadroneure und Landsknechtnaturen lügen meist wie gedruckt. Kapitän Lozier Bouvet aber, der am 1. Januar 1739 auf 54° s. B. (südlicher Breite) und 4° 20′ ö. L. (östlicher Länge von Greenwich aus) das hohe Kap findet, das Cooks erstes Ziel sein soll, ist ein durchaus ernst zu nehmender Seemann; er begegnet schon auf dem 49. Breitengrad Eisbergen von 11 bis 17 Kilometer Umfang und 300 Meter Höhe, eine zweifellos fehlerhafte Schätzung aus optisch täuschender Entfernung, denn noch geht man diesen Gesellen weitmöglichst aus dem Wege; das von ihm entdeckte angebliche Vorgebirge des Südlandes ist ebenfalls von Eis so verbarrikadiert, dass alle Landungsversuche, zwölf Tage lang fortgesetzt, scheitern. Derselbe Bouvet segelt auf dem 57. Breitengrad 2400 Kilometer nach Osten, und wie er versichert: immer von Eismassen umgeben — der erste Versuch einer Eisfahrt in südlichen Breiten, noch dazu in einem offenbar ungewöhnlich schweren Eisjahr.

      Der Winter 1772/73 (Sommerszeit in der Antarktis!) ist der Schiffahrt ebenso ungünstig. Drei Jahre vorher hat Cook unterhalb Kap Hoorn bis zum 60. Grad Prachtwetter getroffen, jetzt überraschen ihn südlich vom Kap der Guten Hoffnung schon auf dem 42. Grad Stürme, die seine „Resolution“ am 29. November in grösste Gefahr bringen. Ein Unteroffizier erwacht mitten in der Nacht von einem plätschernden Geräusch, springt auf und steht bis über die Waden im Wasser. Er schlägt sofort Lärm, in wenig Minuten ist die ganze Besatzung auf den Beinen, alles stürzt an die Pumpen und arbeitet verzweifelt; aber das Wasser steigt immerfort, Rettung unmöglich —die Boote werden schon klar gemacht. Da ergibt sich, dass in einer Vorratskammer eine Luke nicht fest geschlossen war, die Wellen haben sie aufgeschlagen und dringen hier so gewaltig ein, dass das Schiff unfehlbar in kurzem gesunken wäre. Nun ist dem Unglück schnell vorgebeugt, aber Kleider, Betten und Gepäck der Mannschaft wie der Offiziere sind vom Seewasser völlig durchnässt, die Schiffsräume noch lange ein sehr übler und ungesunder Aufenthalt, zumal da der Sturm, von Schneefällen und Regen begleitet, gar kein Ende nehmen will. Am 8. Dezember zeigen sich als Vorboten des Treibeises die ersten Pinguine, diese der Antarktis eigenen amphibienartigen Vögel, die ihre verstümmelten Flügel, zum Fliegen untauglich, als Ruder verwenden und durch ihre Schwimm- und Tauchkunst höchstes Erstaunen erwecken; von ihrem starken, schwarzweissen, fettigglatten Federkleid prallen Schrotkörner wirkungslos ab; die Naturforscher müssen schon eine Kugel daranwendm, wenn sie dieser Beute habhaft werden wollen. Am 10. Dezember kommt auf 50° 4′ s. B. schon der erste Eisberg angeschwommen, etwa 650 Meter lang und 70 Meter hoch, nur ein schmales Modell der tafelförmigen Riesen, die jeden Sommer von den Inlandgletschern der Antarktis in ungeheurer Zahl abbrechen und, Tiefseeströmungen folgend, nach Norden ziehen; ihre Entstehung ist den ersten Südpolforschern noch unerklärlich; wohl aber weiss man, dass solch ein schwimmender Berg einen sechs- bis siebenmal grösseren Tiefgang unter Wasser hat, jedes Schiff also ihm gegenüber eine lächerliche Nussschale ist. Von Tag zu Tag werden nun diese unheimlichen Eisberge zahlreicher und zudringlicher; an ihren hellblau und grün schimmernden Steilhängen tobt die Brandung so heftig, dass der Wellenschaum bis zu ihren Gipfeln emporspritzt,

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