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des Thermometers gleich um 2 Grad Celsius herab, eine zuverlässige Wamung besonders bei unsichtigem Wetter. Nebel ist im Eismeer überall des Seemanns schlimmster Feind, er ist unberechenbar und stürzt unversehens wie eine Lawine hernieder. Die Gelehrten der „Resolution“ wissen davon zu erzählen. Eine Windstille am 14. Dezember wird von ihnen schnell zu Messungen der Meeresströmungen und -temperaturen benutzt, der Naturforscher Forster und Astronom Wales sind in einem kleinen Boot nahe dem Schiff eifrig damit beschäftigt, als sie plötzlich in einer weissen Wolke stehen, dicker Nebel hat in wenig Augenblicken beide Schiffe wie verschluckt. Sie rufen — keine Antwort kommt; sie rudern unruhig hin und her, schreien, so laut sie können — alles bleibt totenstill. Was sollen sie tun? Sie haben weder Mast noch Segel noch die geringsten Lebensmittel, nur ihre zwei Ruder. Das beste wird sein, da zu bleiben, wo sie sind; so lange die Windstille anhält, werden die Schiffe hoffentlich nicht abtreiben. Die zwei Männer horchen gespannt auf jeden Laut. Nach endlos langer Zeit läutet wie aus grosser Entfernung eine Schiffsglocke; sie rudern in Schallrichtung, rufen immer wieder, erhalten endlich Antwort und sehen den schwarzen Bug eines Schiffes — es ist die „Adventure“, deren Befehlshaber Kapitän Tobias Fourneaux auch nicht ahnt, wo das Flaggschiff steckt. Ein Kanonenschuss fragt in die Weite — die Antwort kommt aus solcher Nähe, dass man sich von Bord zu Bord mündlich verständigen kann. Darauf kehren die Gelehrten zur „Resolution“ zurück; nach den verlebten Schreckensstunden kommen ihnen ihre höhlenartigen Kabinen und feuchten Betten als Gipfel der Behaglichkeit vor.

      Cook steuert auf dem 22. bis 23. Längengrad südwärts. Nach Osten wird eifrig Ausschau gehalten, dort müsste irgendwo Kap Bouvet aufragen. Offiziere und Mannschaft wollen alle Augenblicke mit Bestimmtheit Land sehen; beim Näherkommen sind es Wolken, Nebelbänke, höckerige Eisinseln und hohe Eisberge, an deren Fuss Pinguine spielen und zahlreiche Walfische ihre Fontänen in die Luft blasen. Wenn Kap Bouvet Vorgebirge ist, müsste hier herum die Küste seines Hinterlandes sich nach Südwesten hinziehen; statt dessen legt sich am 14. Dezember auf 54° 55′ s. Br. undurchdringliches Packeis in den Weg. Cook segelt an dessen Rand vorsichtig nach Osten, wagt es hin und wieder, schmale Ausläufer des Packeises zu durchschneiden und bohrt sich, wo immer eine Lücke klafft, nach Süden und Südosten durch, meist im Nebel sich vortastend, von Schneefällen, Regen und Hagelschauern begleitet. Bei der Mannschaft zeigen sich, trotz des täglich verabreichten Sauerkrauts, Anzeichen von Skorbut, aber reichlicher Genuss von Bierwürze erweist sich als sicheres Heilmittel. Die erste Reise in die Antarktis muss in jeder Hinsicht eine Studienfahrt sein; man lernt den „Eisblink“, den Widerschein grosser Eisfelder am Horizont, von dem dunklern Wasserhimmel unterscheiden und aus Meereis Trinkwasser gewinnen, denn gefrierendes Seewasser scheidet seinen Salzgehalt aus; aber blosses Eiswasser lässt die Halsdrüsen anschwellen, daher der häufige Kropf der Gebirgsbewohner; immerhin beseitigt es die schwerste Gefahr damaliger Seereisen, Mangel an Trinkwasser, und die Schildwache neben der Wassertonne auf Deck braucht es nicht gar so streng mehr zu nehmen. Zum Waschen aber benutzen Kapitän und Mannschaft ausnahmslos Seewasser.

      Auf dem 33. Längengrad treibt heftiger Oststurm die Schiffe bis 9° 45′ nach Westen zurück, aber da das Packeis nach Norden abschwimmt, gewinnt Cook Raum nach Süden. Hier wenigstens, fast südlich von Kap Bouvet, müsste doch nun endlich die Küste seines Hinterlandes erscheinen, aber nichts zeigt sich. Sobald der Wind sich dreht, geht die Fahrt nach Osten und Südosten weiter, und der 17. Januar 1773 wird der erste denkwürdige Tag in der Geschichte der Südpolforschung: Cook überschreitet den südlichen Polarkreis (66½°), bricht sich an dreissig grossen Eisfeldern entlang Bahn durch das Packeis bis 67° 17′. Hier aber, auf 39° 35′ ö. L., kündigt der Eisblink ein unabsehbares, festes und ebenes Eisfeld an; sein Nordrand ist eine 5 bis 6 Meter hohe Eismauer, an deren Fuss sich ein dicker, kaum von der Dünung bewegter Brei von löcherigem, zermürbtem, auffallend schmutzigem Brucheis entlangzieht. Cook steht hier zum erstenmal vor der Kante eines jener unermesslichen Eisgletscher, die sich vom antarktischen Inland langsam nach Norden vorschieben und Eisberge „kalben“, auf dem Wasser schwimmen, aber irgendwo auf festem Land aufliegen. Er weiss sich diese befremdende Erscheinung noch nicht zu deuten, und da er hier weder im Süden noch im Osten durchkommt (hinter den Eismassen im Osten verbirgt sich das 58 Jahre später entdeckte Enderby-Land), begibt er sich nordostwärts auf die Suche nach Kerguelen-Land, der neuesten Entdeckung der Franzosen, von der er in Kapstadt gerade noch vor seiner Abfahrt gehört hat. Da Näheres über seine Lage usw. nicht bekanntgemacht wurde, findet er die Küste nicht, wo er sie sucht, aber er kreuzt hin und her und fährt schliesslich südlich der vom Entdecker angegebenen Breite nach Südosten durch, also kann es sich auch da nur um eine Inselgruppe handeln, die keinerlei Verbindung mit einem südlichen Kontinent hat.

      Am 8. Februar kommt bei dickem Nebel die „Adventure“ ausser Sicht und bleibt, trotz zweitägigen Suchens und Signalisierens mit Leuchtfeuern und Kanonenschüssen verschollen. Cook lässt sich dadurch nicht abschrecken, obgleich die Matrosen verdriessliche und angstvolle Gesichter ziehen, und steuert mit der „Resolution“ weiter nach Südosten. In drei aufeinanderfolgenden Nächten sehen menschliche Augen zum erstenmal das Südlicht, den würdigen Bruder des Nordlichts; am östlichen Himmel schiesst es in breiten, diesmal nur weissen Bändern empor und überzieht mit seiner Pracht den ganzen Südhimmel, den Glanz der Sterne verlöschend. Cook kommt aber jetzt nur bis zum 62. Grad, wo auf dem Meridian des spätern Gaussberges (95° ö. L.) festes Eis ihm den Weg verlegt. Er zieht sich in die Nähe des 60. Breitengrades zurück und segelt auf diesem Strich weiter bis zum 148. Längengrad, ohne irgendwo Land zu sehen. Dann nimmt er Richtung nach Nordosten, auf Neuseeland zu, wo er am 25. März eintrifft und auch das Begleitschiff wiederfindet, das schon am 1. März dort anlangte. Die Segel sind zerrissen, das Tauwerk in Stücken, das Schiff bedarf einer gründlichen Erneuerung, vor allem die Besatzung einer ausgiebigen Erholung, die sie auf Tahiti und andern Inselparadiesen der Südsee vollauf findet.

      In 117 Tagen hat er ein Drittel des vorgeschriebenen Kreises umfahren; am 22. November 1773 nimmt er das zweite Drittel in Angriff. Da er Neuseeland selbst schon früher umsegelt hat, sucht er in dessen Süden nicht mehr nach dem antarktischen Kontinent; dadurch verfehlt er das Haupttor in die Festung des Südpols auf dem 180. Grad und überlässt, ohne es ahnen zu können, den Ruhm der Entdeckung des Rossmeeres einem spätern Nachfolger. Er segelt vielmehr — und zwar mit der „Resolution“ allein, denn die „Adventure“ ist im Oktober abermals verlorengegangen und taucht erst am Ende der Reise wieder auf — nach Südosten, trifft hier erst auf 62° Eisberge an, überschreitet am 20. Dezember 1773 den Polarkreis zum zweitenmal, kommt aber nur bis 67° 31′ (auf 142° 54′ w. L.). Da die halbe Mannschaft an Rheumatismus, Vorbote des Skorbuts, erkrankt — Forster ist vier Wochen bettlägerig —, macht er eine Erholungsreise nach Norden, die, wie überhaupt jede eingeschlagene Richtung und jeder Abstecher, bestimmten Erkundungen von Meeresstellen oder Landküsten dient, dann aber, zum höchsten Verdruss der Mannschaft, noch einmal einen Vorstoss nach Süden und dringt, den Polarkreis zum drittenmal schneidend, am 30. Januar 1774 auf 106° 54′ w. L. bis 71° 10′ vor, seine höchste Breite, die fast ein halbes Jahrhundert lang nirgends überholt wird und an dieser Stelle bis heute noch von keinem andern Südpolfahrer erreicht ist. Cook hat wohl selbst die Überzeugung, dass ihm kein zweites Mal ein so tiefes Eindringen in das Geheimnis der Antarktis beschieden sein wird, und schildert die auch ihn überraschende Eislandschaft, die an jenem 30. Januar vor ihm liegt, mit folgenden Worten:

      „An diesem Tage bemerkten wir um vier Uhr morgens, dass die über dem südlichen Himmel stehenden Wolken schneeweiss waren und förmlich glänzten. Wir wussten, dass dies das Anzeichen eines Eisfeldes sei, sahen dasselbe auch bald von der Höhe der Masten und waren um acht Uhr an seinem Saum. Es erstreckte sich von Osten nach Westen, so weit unsere Blicke reichten, und die Hälfte des Horizonts war von den Strahlen beleuchtet, die es bis auf eine beträchtliche Höhe ausgehen liess. Ich zählte innerhalb dieser Eisfläche, ausser den Eisbergen an ihrem Rande, noch 97 Eishügel; sie waren zum Teil sehr breit und glichen einer Bergkette, deren Gipfel sich übereinander erheben, bis sie sich in den Wolken verlieren. Der äussere nördliche Rand dieser ungeheuren Fläche bestand aus schwimmenden Eisbruchstücken, die sich so in- und übereinandergeschoben hatten, dass niemand hier hätte eindringen können. Dieser Rand war etwa eine halbe Meile breit, dahinter bildete das feste Eis nur eine einzige zusammenhängende Masse. Die Eishügel ausgenommen, war es niedrig und flach, schien aber nach Süden hin anzusteigen; das

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