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Sturm auf den Südpol. Abenteuer und Heldentum der Südpolfahrer. Heinrich Hubert Houben
Читать онлайн.Название Sturm auf den Südpol. Abenteuer und Heldentum der Südpolfahrer
Год выпуска 0
isbn 9788711460917
Автор произведения Heinrich Hubert Houben
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Wal- und Robbenfänger entdecken
Kapitän Nathanael Palmer steht dem russischen Kommandanten mit grösster Bereitwilligkeit Rede und Antwort, er spielt mit Behagen den Fremdenführer, der diese ganze Gegend hier wie seine Westentasche kennt. Er hat ja auf dem „Wostok“ keine Konkurrenz vor sich, nur eine harmlose wissenschaftliche Expedition. Untereinander sind die Robbenfänger nicht immer so redselig. Wer einen reichen Fangplatz gefunden hat, schweigt sich darüber aus und macht erst reinen Tisch, bis die letzte Robbe vertilgt ist; für die Späterkommenden soll keine Flosse übrigbleiben; Schonung gibt es nicht, alles muss ans Messer, alt und jung, trächtige Weibchen und Mütter, deren eben geborene Junge umkommen mögen. Auf unbekannten Inseln gibt es keine Jagdgesetze — Eigennutz geht vor Gemeinnutz. Die amerikanische Konkurrenz treibt sich hier im Süden von Kap Hoorn schon lange herum. Manch einer will die Süd-Shetland-Inseln längst besucht haben, ehe sie von den Engländern entdeckt werden; seit 1812 soll dort schon eine amerikanische Fangstation gewesen sein. Die Sage von der Fahrt des Holländers Dirk Gerritsz bis zum 64. Breitengrad und von dem dort gesehenen Land ist immer noch lebendig; wer keine rechte Beute machte, sah sich gern einmal weiter im Süden um, hütete sich aber wohl, jede neue Robbenküste an die grosse Glocke zu hängen. Mit dieser geschäftlichen Geheimniskrämerei ist es 1819 aus.
Der englische Handelskapitän William Smith fährt mit seiner Brigg „William“ im Februar 1819 von Montevideo an der Mündung des La Plata-Stroms nach Valparaiso an der Westküste Südamerikas. Um den Stürmen bei Kap Hoorn auszuweichen, macht er einen grossen Bogen nach Süden, kommt bis 62° 40′ s. V. und sieht dort ein schneebedecktes Land. Eine Luftspiegelung, glaubt er anfangs; da klares und ruhiges Wetter ist, fährt er ein Stück darauf zu und findet eine Gruppe von Felseninseln, wo es von Walen und Robben zu wimmeln scheint. Zu näherer Untersuchung hat er keine Zeit, erzählt aber davon in Valparaiso. Seine Landsleute dort lachen ihn aus; seit Dirk Gerritsz’ Zeiten will jeder da unten schneebedeckte Berge gesehen haben — das kennt man schon! Auf der Rückreise macht Smith wieder einen Vorstoss nach Süden, aber die Winterstürme treiben ihn zurück. Seine amerikanischen Handelsfreunde in Montevideo sind hellhöriger; sie lauern auf jede Gelegenheit, den Engländern Fangplätze wegzuschnappen. Ob Kapitän Smith seine Brigg wohl zu einer Waljagd vermieten wolle? — Warum nicht, wenn man über den Preis einig wird? — Daran wird es nicht scheitern, und schnell ist ein Vertrag aufgesetzt. Aber nun wollen die smarten Amerikaner durchaus wissen, wo denn die von ihm gesehenen Inseln liegen. Also dahin soll die Fahrt gehen! Man möchte ihm und England diese Entdeckung vorwegnehmen. Smith lehnt die Unterschrift des Vertrags ab. — Im Oktober reist er wieder nach Valparaiso. Das Land auf dem 62. Breitengrad ist immer noch da. Er fährt nun eine grosse Strecke der Küste ab, findet an der nordöstlichen Ecke der George-Insel, wie sie später heisst, einen Hafen und schickt den Steuermann nebst einigen Matrosen aus, dieses Land im Namen des englischen Königs in Besitz zu nehmen. Es ist das weitaus südlichste Land, das bisher entdeckt wurde, denn die russische Expedition unter Bellingshausen ist ja erst auf Fahrt gegangen. Smith nennt es Neu-Süd-Britannien, nachher aber, um Verwechslungen zu vermeiden, Süd-Shetland-Inseln. Jetzt lachen die Engländer in Valparaiso nicht mehr über seine Entdeckung. Kapitän Sheriff, Befehlshaber des englischen Wachschiffes „Andromache“ an der Westküste Südamerikas und Repräsentant des Königs, will schleunigst genaue Aufklärung haben, und als Smith am 19. Dezember wieder abfährt, ist an Bord des „William“ der englische Marineoffizier Edward Bransfield, der nun während der Sommermonate die ganze lange Inselkette zwischen dem 63. und 53. Längengrad aufnimmt und jeder Insel ihren englischen Namen gibt. Die westlichste heisst zu Ehren des Entdeckers Smith-Insel. Den gewaltigen Meeressund im Süden der Kette, die Bransfieldstrasse, befahren Smith und sein Begleiter bis 63° 20′ auf 59° 38′, bis südlich der kleinen vulkanischen Bridgeman-Insel, und sehen von dort aus im Südwesten eine Landküste, jedenfalls dieselbe, an die sich ein Jahr später Kapitän Palmer heranwagt, ausserdem im Südosten die Spitze eines hohen Berges, ohne ahnen zu können, dass sie damit den ersten festen Punkt des später entdeckten und als Teil des antarktischen Kontinents geltenden Graham-Landes vor Augen haben. Weiter südlich lassen die Eismassen das Schiff nicht durch. Nach fünf Monaten ist es wieder in Valparaiso, und seine erfolgreiche Entdeckungsreise macht gewaltiges Aufsehen. An Umfang und Wert kann sich keiner der bisherigen Landfunde rings um die Antarktis mit den Süd-Shetland-Inseln messen. Südlich Neuseelands sind durch Entdeckung der Aucklandinseln (1806) und der Campbellinsel (1810), südlich von Australien durch Auffindung der Macquarie-Insel (1810) längst wichtige Stützpunkte für den Wal- und Robbenfang gewonnen, Meilensteine gleichsam zum Pol; jetzt beginnt sich auch das Meer südlich von Kap Hoorn mit Landfetzen zu füllen, die aber bedeutend grösser und zahlreicher sind. Immer neue tauchen auf. Im Polarsommer 1821/22 ist Kapitän Palmer wieder da unten, diesmal mit Schaluppe „James Monroe“; bei der Elefant-Insel trifft er den englischen Robbenfänger Powell mit den Schiffen „Eliza“ und „Dove“; am 4. Dezember 1821 fahren sie gemeinsam nach Osten, um dort neue Fangplätze auszukundschaften, sichten am 6. die Süd-Orkney-Inseln, umfahren sie und segeln durch die sie trennenden Meeresstrassen. Der Versuch, nach Süden vorzudringen, misslingt; auf 62° 20′ s. B. stossen sie auf festes Eis, das sie zwingt, an seinem Rand nach den Süd-Shetland-Inseln zurückzukehren. Diese ganze Kette von der Smith-Insel im Westen bis zu Cooks Sandwichland im Osten, das nach Bellingshausens Feststellung ebenfalls ein Archipel ist, bildet keine Brücke zum Pol, legt sich vielmehr wie eine Reihe eisstarrender, abschreckender Festungswerke vor ein Land weiter im Süden, das durch ein undurchdringliches Bollwerk von Eisfeldern und Eismauern jede Annäherung abweist. Schon mit diesen Inseln ist nicht zu spassen; in den Sommern 1820 bis 1822 scheitern dort sieben Schiffe, und die Besatzung eines dieser Wracks ist als erste dazu verurteilt, auf einer der Shetland-Inseln zu überwintern; doch ist Näheres über dieses Abenteuer nicht bekannt. Die Küsten im Süden halten die einen für ein Festland — so erscheint es schon 1820 auf einer deutschen Karte in den „Geographischen Ephemeriden“ des Weimarer Verlegers Bertuch —, andere für einen neuen Inselarchipel, und wieder andere für eine Ansammlung von Eisbergen, deren Anblick Land vortäuscht.
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