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Walzer ist nicht zwingend notwendig«, wandte Doris ein. »Vielleicht erinnerst du dich daran, dass es den damals bei unserer Hochzeit auch nicht gab, weil Jörg sich beharrlich geweigert hat.«

      Das stimmte, und damals hatte es zwischen Doris und Jörg den ersten Krach gegeben, denn sie hatte sich ausgemalt, in seinen Armen dahinzuschweben, und er hatte nach der dritten Tanzprobe einfach abgebrochen, weil ihm das lächerlich vorgekommen war.

      Die Hochzeit war auch ohne den Hochzeitswalzer wunderschön gewesen, und ihr Vater hatte sich köstlich amüsiert.

      An Jörgs Hochzeit war er wenigstens noch dabei gewesen. Was gäbe sie nicht darum, ihn auch bei ihrer Hochzeit dabei zu haben. Das ging jedoch nicht, er war tot, und Christina von Orthen, seine letzte große Liebe, war auch nicht mehr am Leben. Sie war kurzfristig und unerwartet verstorben, und Bettina hatte deswegen ihre Hochzeit zum ersten Male verschoben.

      Wenn es einen Zauber gäbe, ihren Vater und Christina für nur diesen einen Tag zum Leben zu erwecken, was gäbe sie nicht darum! Sie würde eine zweite Bänderzerrung am anderen Fuß in Kauf nehmen und ohne zu jammern an zwei Stöcken zum Altar gehen.

      Doris deutete ihr Schweigen falsch.

      »Bettina, dieser Tanz bedeutet wirklich nicht die Welt, das ist wieder auch nur etwas, was wir uns in unserem Kopf zurechtlegen, und wenn der Plan nicht aufgeht, sind wir zu Tode betrübt. Dabei ist dieser Tanz doch nur eine Äußerlichkeit, im Grunde genommen auch das Kleid. Es ist ebenfalls kein Garant für andauerndes Glück. Es kommt auf was anderes an, und davon hast du reichlich, mehr als die meisten Menschen – du liebst, du wirst geliebt und kannst dir sicher sein, dass dir und deinem Thomas ein dauerhaftes Glück beschieden sein wird. Er hat damals, als ihr wieder zusammengekommen seid, nicht nur hunderte von roten Rosen aus einem Helicopter auf den Hof abwerfen lassen, an seiner Seite wirst du ein Leben lang auf Rosen gebettet sein. Mein Gott, Bettina, was bist du zu beneiden.«

      Bei diesen Worten beruhigte Bettina sich wieder, weil sie allesamt zutrafen. Es gab wirklich weit und breit nicht das kleinste Fitzelchen einer grauen Wolke, und die würde es in ihrem Leben auch nicht geben. Sie passten eben perfekt zusammen, ihr Tom und sie, und sie waren so eng, dass kein Löschblatt zwischen sie passte, oder, wie Linde es immer ausdrückte, sie waren wie Pott und Deckel.

      Und sie jammerte, weil sie ihre feinen Schühchen nicht tragen konnte, weil es den Walzer nicht geben würde …

      Doris hatte ja so recht. Darauf kam es nicht an.

      »Du hast recht, Doris, mit Thomas habe ich wirklich das große Los gezogen, und ich verspreche dir hiermit feierlich, nicht mehr jammervoll zu sein.«

      »Das ist gut«, bemerkte Doris zufrieden. »Aber mal was anderes. Es wundert mich, dass Thomas allein geflogen ist. Ich mein …, versteh das nicht falsch. Jemand wie er, der dich auf Händen trägt, der dir jeden Wunsch von den Augen abliest, der sich für dich ein Bein ausreißen lassen würde … Ich find, es passt nicht zu ihm, allein zu fliegen. Jeder andere hätte das getan, weil das im Grunde genommen auch normal ist, aber er, ehrlich, ich hätte gewettet, dass er alles absagt, um bei dir zu bleiben.«

      »Das wollte er auch, aber Leni und ich haben es ihm ausgeredet und ihn mehr oder weniger gezwungen zu reisen.«

      Doris begann zu kichern.

      »Ach so, das ist was anderes. Ich bin nur froh, dass meine Menschenkenntnis mich nicht getrübt hat, dass ich ihn richtig eingeschätzt habe. Aber es ist schon richtig, helfen kann er dir nicht, und so hat er ein paar schöne Stunden bei einem Ereignis von internationaler Bedeutung, sie haben sogar im Fernsehen darüber berichtet.«

      »Du, Doris, ich glaube, schöne Stunden hat er nicht, er ist sehr sehnsuchtsvoll und ruft mich andauernd an, und mir geht es nicht anders, ich kann es kaum erwarten, ihn wieder bei mir zu haben.«

      »Aber aus den Werbewochen seid ihr doch eigentlich schon raus«, wunderte Doris sich.

      Bettina begann zu kichern.

      »Nö, sind wir nicht, werden wir niemals sein. Obschon …, diesmal ist es irgendwie anders. Tom und ich können voneinander nicht genug bekommen, können uns andauernd sagen, wie sehr wir uns lieben. Es ist verrückt, doch so sehnsuchtsvoll wie heute waren wir eigentlich noch nie.«

      »Ach, das hat bestimmt mit eurer Hochzeit zu tun, die unmittelbar vor der Tür steht«, sagte Doris. »Das ist ein bedeutsamer Schritt, das ist ein Ereignis, auf das ihr schon viele Jahre wartet, dass es nun endlich wahr wird … So was kann auch einen Mann aus den Puschen hauen. Übrigens Puschen hauen, da muss ich dir noch was sagen, der Hubert Brodersen hat mir geschrieben.«

      »Was?«, konnte Bettina nur rufen.

      »Ja, stell dir vor …, einen ganz herzlichen, wunderbaren Brief.«

      »Ich mein, das ist ja schön, aber du hast ihn verlassen, um zu Jörg zurückzukehren, was will er noch von dir?«

      »Oh, er hat sich für die wundervolle Zeit bedankt, die wir miteinander hatten, er hat mir geschrieben, dass er mich niemals vergessen wird und dass, wenn ich Hilfe brauche, ich mich jederzeit an ihn wenden kann … Und er hat geschrieben, dass er nicht aufhören wird mich zu lieben, weil ich ein besonderer Mensch bin, der sehr viel Wärme in sein Leben gebracht hat … Ich war ganz gerührt. So nett zu schreiben, er hat doch schließlich allen Grund gehabt sauer auf mich zu sein. Ich habe ihn Knall auf Fall kurz vor der Hochzeit verlassen, aber nein, er ist nur nett … Aber das ist er auch, Hubert ist ein Gentleman, anders kann man es nicht nennen.«

      Hubert Brodersen war wirklich ein sehr netter Mensch, den Bettina sehr schätzte. Er war schon ein guter Geschäftspartner ihres Vaters gewesen.

      Und sie würde niemals vergessen, wie er ihr geholfen hatte einen eigenen Vertrieb aufzubauen, nachdem Frieder in seiner Selbstherrlichkeit nicht nur ihn als Lieferanten aufgegeben hatte, weil ihm die Produkte nicht zeitgemäß erschienen, sondern auch sie sofort am nächsten Tag, nachdem er Erbe geworden war, aus der Firma herausgekickt hatte.

      Brodersen hatte ihr andere Lieferanten besorgt, und dass sie Finnmore eleven, diesen exquisiten Whisky im Programm hatten, war letztlich auch nur ihm zu verdanken, denn er hatte für sie die Wege nach Schottland geebnet.

      Doris und Hubert Brodersen …

      Sie hatte sich für die beiden gefreut, wenngleich sie einige Bedenken wegen des Altersunterschiedes gehabt hatte.

      Aber so, wie es letztlich gekommen war, dass Doris sich wieder mit ihrem geschiedenen Mann zusammengetan hatte, das war ihr auf jeden Fall lieber.

      Sie mochte Doris, und sie waren auch nach der Scheidung miteinander befreundet gewesen. Aber jetzt war es wieder enger. Und für Jörg war sie auf jeden Fall die richtige Partnerin.

      »Und Jörg?«, erkundigte Bettina sich aus diesen Gedanken heraus. »Weiß er von diesem Brief?«

      »Na klar«, gab Doris unumwunden zu, »er hat ihn sogar gelesen.«

      »Und was hat er dazu gesagt? War er eifersüchtig?«

      Ein schallendes Lachen war die Antwort.

      »Sag mal, Bettina, kennst du deinen Bruder eigentlich immer noch nicht? Jörg und eifersüchtig … Der weiß doch noch nicht einmal, wie man das Wort Eifersucht schreibt. Nein, zuerst hat er gelacht, dann aber zugegeben, dass es ein sehr berührender Brief ist. Und damit war für ihn der Kuchen gegessen, und er hat sich wieder anderen Dingen zugewandt, ganz genau der Frage nämlich, ob wir uns einen Labrador oder einen Airdale-Terrier kaufen sollen.«

      »Also, wenn ihr euch schon einen Hund zulegt, dann holt euch auf jeden Fall einen aus dem Tierheim, da gibt es auch – wenn es denn sein muss – Rassehunde. Nur darauf würde ich mich nicht so fixieren, eine Promenadenmischung kann auch euer Herz berühren. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, und wenn ihr einem herrenlosen Tier eine Heimat gebt, dann tut ihr auch noch was Gutes.«

      »Mir wäre es egal, aber du kennst doch deinen Bruder, wenn der sich was in den Kopf gesetzt hat, dann muss es so und nicht anders sein.«

      »Okay,

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