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neigt er«, lachte Bettina. »Der greift lieber zuerst zum Telefon als sich alles in Ruhe ein zweites Mal anzusehen. Ach, Inge, ich werde dich vermissen, weil du eine so nette Person bist. Aber du wirst mir in der Firma auch sehr fehlen, so leicht bist du nicht zu ersetzen, zum einen, weil du unheimlich schnell arbeiten kannst, zum anderen, weil du so korrekt bist, dass man sich tausendprozentig auf dich verlassen kann.«

      Ein wenig verlegen wehrte sie ab.

      »Mehr als hundertprozentig geht nicht, und …, jeder Mensch ist zu ersetzen, Bettina, auch ich … Ihr werdet mir auch alle fehlen, denn ihr ward meine Heimat, ihr habt mich aufgenommen, als ich wirklich am Boden war, das werde ich niemals vergessen. Warum ist Bob nicht jemand aus einem der Nachbarorte? Er wäre dann bei mir eingezogen, es hätte alles viel einfacher gemacht.«

      »Inge, man kann es sich nicht aussuchen. Er ist halt jemand aus Amerika, und er hat dort andere Perspektiven als hier. Ich habe großes Glück, dass Thomas, obschon er viele Jahre in den USA gelebt hat, mit wehenden Fahnen nach Deutschland zurückgekommen ist und dass er Fahrenbach und den Hof hier liebt, nicht nur das, dass er glücklich hier ist. Das ist in der Tat so etwas wie ein Hauptgewinn in einer Lotterie.«

      »Thomas ist als Mensch ein Hauptgewinn, er ist ganz wunderbar, und ihr zwei … Wenn man euch zusammen sieht, dann ist es, als ginge die Sonne auf, und …«

      Sie brach ihren Satz ab, sprang auf.

      »Du liebe Güte, der Brodersen, den hatte ich doch jetzt ganz vergessen. Ich muss weg, werde auf jeden Fall nochmals bei dir vorbeischauen. Soll ich dann Bob mitbringen?«

      »Ja, gern. Er ist ein so fröhlicher Mensch, der kann mich bestimmt aufheitern, falls ich irgendwann doch noch einmal das arme Tier bekommen sollte.«

      Inge ging, und Bettina war allein.

      Doch für wie lange?

      Sie lehnte sich zurück, schloss die Augen.

      Dabei dachte sie an Thomas. Was der wohl jetzt machte?

      Wie gern wäre sie bei ihm. Welchen Spaß sie jetzt miteinander hätten …

      Nein!

      Halt!

      Jetzt keine Gedanken, die traurig machten. Sie durfte sich nicht wieder da hineinsteigern.

      Sie wollte nach einem Buch greifen, doch dann besann sie sich.

      Jetzt zu lesen würde überhaupt nichts bringen, weil ihre Gedanken permanent anderswo hinwandern würden.

      Sie angelte sich vom Tisch eine Mappe mit Kalkulationen, holte ihren Taschenrechner hervor, dann versuchte sie, sich darauf zu konzentrieren, was ihr schließlich nach einer Weile auch gelang.

      Toni war der Meinung, dass sie noch eine ganze Menge Kosten sowohl bei der Produktion als auch beim Versand sparen konnten und hatte bereits gute Vorarbeit geleistet und ihr die Unterlagen schon vor einigen Tagen zur Überprüfung gegeben.

      Und Bettina hatte keine Lust gehabt, sich das anzusehen, weil sie immer mit anderen Sachen beschäftigt gewesen war. Das jetzt war der richtige Augenblick, sich darum zu kümmern.

      Zwei, drei Stunden würde alles schon in Anspruch nehmen, und das bedeutete, dass Toms Rückkehr um genau diese Zeit näherkam.

      *

      Sie hatte die Unterlagen gerade beiseite gelegt. Toni hatte alles perfekt vorbereitet, und sie hatte an seinen Ausarbeitungen überhaupt nichts auszusetzen. Alles war perfekt, und wieder einmal wurde Bettina bewusst, wie wichtig Toni für die Destille war. Wenn er gehen würde …, das wäre in der Tat ein herber Verlust.

      Aber zum Glück musste sie solche Gedanken nicht weiter verfolgen.

      Toni würde niemals gehen.

      Auch Leni und Arno würden den Fahrenbach-Hof niemals verlassen, und das lag nicht daran, dass ihr Vater ihnen lebenslanges kostenloses Wohnrecht auf dem Fahrenbach-Hof eingeräumt hatte, sondern daran, dass sie den Fahrenbachs wohl gesonnen waren, dass sie, das konnte man so ausdrücken, die Fahrenbachs liebten, ihren verstorbenen Vater und sie, auf die sie ihre Liebe übertragen hatten.

      Es war schön und beruhigend zugleich, so etwas zu wissen.

      Aber bei ihr war es ja nicht anders.

      Die Hofbewohner waren mehr ihre Familie als ihre eigene.

      Was hatten sie nicht schon alles für sie getan, und heute morgen, da war Leni sofort da gewesen, und Arno hatte sie, ohne zu murren, sofort zusammen mit seiner Frau zum Arzt gefahren.

      Wie schön es doch war, zu wissen, dass man nicht allein war.

      Seit Thomas in ihrem Leben war, hatte sich einiges verändert. Er war ihre erste Bezugsperson, aber es war auch ganz wundervoll, dass sie ihn auch mochten, schon gemocht hatten, als er noch jung gewesen war, ehe er mit seinen Eltern nach Amerika gegangen war.

      Sie hatten ihn immer in ihrem Herzen behalten, und als er zurückgekommen war, war es so gewesen, als sei er niemals weg gewesen.

      Thomas war eben ein besonderer Mensch, der auch auf die unterschiedlichsten Leute eingehen konnte. Er war aufrichtig, hilfsbereit, nett …

      Das Telefon klingelte, und ehe sie den Hörer abnahm wusste sie, dass Thomas der Anrufer sein würde.

      Sie hatte sich nicht geirrt.

      »Hallo, mein Herz, wie geht es dir? Wie hast du die letzten Stunden verbracht? Hast du Schmerzen? Ich musste immerfort an dich denken und war so unaufmerksam, dass Nancy mich jetzt in mein Zimmer geschickt hat mit dem Auftrag, dich sofort anzurufen. Etwas, was ich liebend gern in die Tat umgesetzt habe. Ich vermisse dich so sehr, wenngleich es mit Nancy kurzweilig ist. Sie führt ein geradezu abenteuerliches Leben, du glaubst überhaupt nicht, was auf einem Forschungsschiff oder auf einer festen Forschungsstation so alles passiert …, aber ich will nicht ablenken. Also sag mir, was bei dir los ist?«

      »Es geht mir einigermaßen gut, und über Langeweile kann ich mich nicht beklagen. Erst einmal waren alle Hofbewohner schon bei mir, sogar die hochschwangere Babette mit der kleinen Marie auf dem Arm. Und dann habe ich mir längst überfällige Unterlagen aus der Destille angesehen.«

      »Wie schrecklich, du quälst dich mit Zahlen, während ich es mir hier schön mache … Aber nein, schön ist es nicht wirklich, mit dir an meiner Seite wäre es das. Es ist interessant, und Nancy ist so froh, dass sie jemanden an ihrer Seite hat, den sie mag. Das lässt mich die nächsten Stunden, so hoffe ich, einfacher überstehen. Ich habe übrigens in einem der Hotelshops hier etwas ganz Wunderbares entdeckt, das musste ich für dich kaufen, weil es wie für dich gemacht ist.«

      Sie wäre keine Frau, wenn sie jetzt nicht neugierig fragen würde: »Was ist es denn, Tom?«

      »Wird nicht verraten, aber ich weiß, dass es dir gut … Nein, dass es dir sehr gut gefallen wird. Nancy ist auch der Meinung, dass es haargenau zu dir passt.«

      »Ach, war sie dabei?«

      »Ja, sie hat es auch entdeckt, Frauen haben für solche Dinge eher ein Auge. Ich gehöre nicht zu den Männern, die an Schaufenstern vorbeischlendern und sich da die Nase platt drücken. Aber nachdem sie mich darauf hingewiesen hatte, war ich auch sofort der Meinung – das muss zu meiner Tini und zu sonst niemandem.«

      Er machte es so richtig spannend.

      »Mach wenigstens eine Andeutung …«

      »Nein, geht nicht, dann würdest du es erraten.«

      »Ist es … ein Schmuckstück?«

      »Wird nicht verraten.«

      »Was zum Anziehen?«

      »Wird nicht verraten.«

      Es hatte keinen Sinn, er würde es ihr nicht sagen.

      »Tom, das ist nicht fair, nur eine Andeutung zu machen und nun nichts mehr zu sagen.«

      »Warte es ab, morgen um diese Zeit werde ich wieder bei dir sein … Nein, nicht genau, aber zwei

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