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wie ein rohes Ei, und nach diesem Missgeschick … Also, ich hätte darauf gewettet, dass er die Reise absagt.«

      »Wollte er auch, Leni und ich hatten alle Mühe ihn davon zu überzeugen zu fliegen. Es wäre Nancy gegenüber nicht nett gewesen, und er hätte mir doch nicht helfen können. Er ist kein Wunderheiler, der mir die Verletzung wegzaubern kann, wenn das der Fall wäre, hätte ich alles dran gesetzt, ihn hierzubehalten … Nein, es ist schon gut so wie es ist. Morgen ist er eh wieder daheim, und dann habe ich ihn wieder, meinen geliebten Tom.«

      »Manchmal frage ich mich wirklich, wie ihr die Jahre ohne einander überhaupt überleben konntet. Martin und ich haben uns auch sehr geliebt, er war meine große Liebe und ich seine auch. Aber dennoch war es anders mit uns.«

      »Linde, jede Liebe ist anders, weil wir Menschen auch unterschiedlich sind, glücklicherweise. Doch es stimmt schon, dass mit Martin und dir, das war auch etwas Besonderes, es war halt die große Liebe.«

      Linde nickte.

      »Und so wäre es auch geblieben. Martin und ich, wir wären ebenfalls bis ans Ende unserer Tage glücklich gewesen. Wir hatten unsere Lebensplanung, unsere Träume, diesen Geisterfahrer hatte ich allerdings nicht eingeplant …«, ihre Stimme war immer leiser, immer bitterer, aber nun auch hasserfüllt geworden. »Ich werde ihn bis ans Ende meines Lebens hassen«, sprach sie es auch aus, »und ich hoffe nur, dass er jetzt in der Hölle schmort …, guck nicht so. Ich weiß, dass du der Meinung bist, dass man verzeihen soll. Aber das kann ich nicht. Er hat mir den Mann genommen, meinen Kindern den Vater. Martin hatte sich so sehr auf die Beiden gefreut, es war ihm nicht einmal vergönnt gewesen sie zu sehen. Hätte dieser Typ nicht für sich allein sterben können? Warum, zum Teufel, hat er Martin mit in den Tod nehmen müssen?«

      »Weil der zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. Weißt du, Linde, ich denke, wir können unserem Schicksal nicht entrinnen, wenn unsere Uhr abgelaufen ist, dann müssen wir gehen. Sieh mal, Martin wäre normalerweise daheim gewesen. Er hatte sich aber spontan bereit erklärt, für einen Kollegen einzuspringen. Wenn das nicht der Fall gewesen wäre, wäre er daheim geblieben, es hätte einen anderen getroffen.«

      Linde winkte ab.

      »Dazu kennst du meine Meinung«, sagte sie. »Und wir können noch tausendmal darüber diskutieren, ich seh das anders … Wenn deine Theorie stimmen würde, dann müsste dein Sturz ja auch eine tiefere Bedeutung haben.«

      »Nö, das war nichts weiter als eine Dusseligkeit von mir«, wehrte Bettina ab. »Im übrigen kann man nicht jeden kleinen Zwischenfall als schicksalhaftes Ereignis interpretieren. Ich war blöd, und jetzt sitz ich hier und werde zum Altar humpeln, keine so tolle Vorstellung.«

      »Ein Armbruch wäre schlimmer, dann könntest du nämlich dein Prinzessinnenkleid nicht anziehen, und das wäre ein Drama.«

      »Und genau das habe ich mir auch schon gesagt«, stimmte Bettina ihr zu.

      Das Telefon klingelte.

      Wieder Tom?

      Hastig griff Bettina danach, er war es nicht, sondern Yvonne, die sich erkundigte:

      »Warum meldest du dich nicht? Was hat mein Kollege gesagt? Die Diagnose bestätigt?«

      »Entschuldige, Yvonne, dich hätte ich gleich angerufen, aber erst hat Thomas sich gemeldet, und jetzt ist Linde bei mir.«

      Die stand auf.

      »Ich bin schon weg«, sagte sie. »Ich melde mich später wieder bei dir.«

      Sie winkte Bettina zu, wirbelte aus dem Zimmer, wenig später schlug die Haustür zu.

      »Du hast es mitbekommen, Yvonne. Linde war hier.«

      Dann erzählte sie, was Yvonnes Kollege gesagt und wie er sie verarztet hatte …

      *

      In den nächsten Stunden ging es bei Bettina zu wie in einem Bienenhaus.

      Natürlich hatte Leni dafür gesorgt, dass alle von Bettinas Missgeschick erfuhren, und so gaben sich alle Hofbewohner die Türklinke in die Hand.

      Es war zwar schön, dass alle so sehr an ihrem Missgeschick Anteil nahmen, aber ihr wäre es lieber gewesen, wenn sie ein wenig Ruhe gehabt hätte. Außerdem war es langweilig immer wieder beinahe gebetsmühlenartig alles herunterzuleiern. Wann es geschehen war, wie es geschehen war, was sie gedacht hatte, was Thomas dabei empfunden hatte …

      Als eine der letzten kam Inge Koch zu ihr.

      »Bettina, jetzt habe ich ein so schlechtes Gewissen, dass ich gerade jetzt nach Amerika gehe, wo dir das mit deinem Fuß widerfahren ist. Wenn ich könnte, würde ich alles aufschieben, aber der Spediteur ist bestellt, und die Flüge sind gebucht. Kein so gutes timing …«

      »Inge, es war nicht geplant, und mach dir jetzt um Gottes willen kein schlechtes Gewissen. Nur mein Fuß ist verletzt, was ärgerlich ist, weil ich dieses Ding da«, sie deutete auf die Gehstütze, die sie vom Arzt angepasst bekommen hatte, »auch während der Flitterwochen tragen muss. In der Firma wäre ich so oder so aufgefallen. Ich finde den Gedanken nicht prickelnd, so verpackt irgendwo unter südlicher Sonne herumsitzen und herumhumpeln zu müssen … Aber es ist wie es ist. Es gibt Schlimmeres im Leben. Du musst dir wirklich keine Gedanken machen. Freue dich auf dein neues Leben in Amerika an der Seite von Bob. Und belaste dich nicht mit Gedanken an mich. Das geht alles vorüber … Bist du denn schon sehr aufgeregt?«

      Inge nickte.

      »Das kann man wohl sagen. Manchmal kann ich nicht fassen, dass ich es bin, die diese Entscheidung getroffen hat. Ich war mein Leben lang nicht abenteuerlustig, und ausgerechnet ich gehe dieses Wagnis ein. Das liegt an Bob. Der ist so unglaublich optimistisch, sieht alles so einfach, dass man überhaupt nicht anders kann als sich seine Denkweise anzueignen … Ich bin nicht so blauäugig zu glauben, dass ich forthin auf Wolke sieben leben werde, dass es keine Probleme geben wird. Doch wenn ich anfange darüber zu reden, wischt er meine Bedenken einfach weg, und das macht er mit einer solchen Überzeugung, dass ich ihm glaube.«

      »Und genau darauf kommt es an, Inge. Man muss zu seinem Partner Vertrauen haben.«

      »Hab ich, aber manchmal kommen mir doch Bedenken. Es gibt schon einige gravierende Dinge zwischen uns. Ich bin älter als er, ich bin Deutsche. Es gibt zwischen uns und den Amis doch erhebliche Unterschiede. Dann frage ich mich – wie werden seine Eltern mich aufnehmen? Für sein einziges Kind wünscht man sich nicht unbedingt so was wie mich.«

      Lachend hielt Bettina sich die Ohren zu. »Inge, hör auf so zu reden. Wie sich das anhört …, so was wie mich. Du bist eine ganz wunderbare Frau, sie können dem lieben Gott auf Knien danken, dass du ihren Bob nimmst. Im übrigen bist du nicht mit seinen Eltern zusammen, sondern mit ihm.«

      »Richtig, aber er hat zu ihnen eine enge Bindung. Was, wenn durch mich diese Bindung einen Riss bekommt?«

      »Wird sie nicht, du hast doch gesagt, dass sie am Telefon unheimlich nett zu dir sind, dass sie sich auf dich freuen …, sie wissen alles über dich. Was also sollte sich ändern, wenn ihr euch seht? Du bist eine attraktive Frau, die, ich finde es zwar blöd, so was zu sagen, aber vielleicht beruhigt es dich ja, also …, du bist eine Frau, die wesentlich jünger aussieht als sie ist, und Bob sieht älter, reifer aus. Nur wenn man es weiß, da erkennt man einen Altersunterschied zwischen euch, Außenstehende sehen das nicht. Und selbst wenn es so wäre …, was gehen euch die Leute an?«

      »Nichts, du hast recht. Aber, Bettina, jetzt bekomme ich ein ganz schlechtes Gewissen. Ich bin hergekommen, um dich zu bedauern, dich zu fragen, ob ich was für dich tun kann. Und was ist? Wir reden über mich.«

      »Was auf jeden Fall interessanter ist als über eine Bänderzerrung«, lachte Bettina.

      Inges Handy klingelte, das sie vorsichtshalber mitgenommen hatte. Sie meldete sich.

      »Ja, ich komme«, sagte sie, nachdem sie zugehört hatte.

      »Es war Toni«, erklärte sie, »der Herr Brodersen hat angerufen. Der kommt mit einer Position in unserer Umsatzaufstellung nicht

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