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ihrem Elend fertig wurde.

      Arno war mit dem Auto angekommen und ersparte ihr weitere Wortklaubereien.

      Gemeinsam mit Leni half er Bettina ins Auto, die einen erneuten Schmerzensschrei ausstieß, weil sie dummerweise mit dem kranken Fuß gegen die Autotür gestoßen war.

      *

      Yvonne war eine gute Diagnostikerin. Ihr Kollege bestätigte die Diagnose, und auch er sagte ihr, dass sie nichts anderes tun konnte als den Fuß zu schonen. Aber dank einer Fußstütze, die er ihr verpasste, konnte sie wenigstens auftreten.

      Ihre wunderschönen Schuhe würde sie an ihrem Hochzeitstag nicht anziehen können, und sie musste sich damit abfinden, humpelnd vor den Traualtar zu treten. Aber das war ihr jetzt auch schon egal. Ein gebrochener Arm wäre schlimmer gewesen.

      Allmählich beruhigte Bettina sich und fand sich mit ihrem Schicksal ab. Sie konnte ja doch nichts daran ändern. Sie konnte jammern, weinen, mit dem Kopf gegen die Wand rennen. Es würde nichts ändern.

      Leni und Arno hatten sie gerade zu Hause abgeliefert, Leni hatte ihr rasch noch einen Kaffee zubereitet, als das Telefon klingelte.

      Es war Thomas.

      »Warum höre ich nichts von dir?«, erkundigte er sich besorgt. »Ist der Fuß gebrochen?«

      Seine Besorgnis tat gut!

      »Wir sind gerade erst vom Arzt zurück gekommen, mein Schatz, und ich hätte in den nächsten Minuten versucht dich zu erreichen … Nein, gebrochen ist nichts. Es ist eine ziemlich schlimme Bänderzerrung, mein Fuß steckt jetzt in so einem komischen Gestell, und das werde ich auch für einige Wochen tragen müssen … Ich werde an deinem Arm ins Standesamt humpeln, ebenso in die Kapelle, und den Hochzeitswalzer, den können wir uns abschminken …, aber jetzt will ich darüber nicht reden. Bist du gut angekommen? Wie ist das Wetter in London? Regnet es? Und wann wirst du Nancy treffen.«

      Er lachte. »Ganz schön geschickt, auf diese Weise abzulenken. Aber gut, ich bin erst mal froh, dass nichts gebrochen ist … Ich bin bereits im Hotel, einem wunderschönen Zimmer mit alten englischen Möbeln, und es tut richtig weh, mir vorzustellen, die Nacht ohne dich in diesem riesigen Bett mit einem Baldachin verbringen zu müssen … London zeigt sich von seiner allerschönsten Seite. Es ist strahlender Sonnenschein, und da das Hotel direkt am Hyde-Park liegt, werde ich wahrscheinlich gleich einen kleinen Spaziergang machen, um dann in etwa einer Stunde Nancy zu treffen. Sie ist auch schon angekommen, hat aber im Augenblick eine Besprechung mit irgendwelchen wichtigen Leuten. Sie bedauert sehr, dass du nicht mitkommen konntest und lässt dich ganz herzlich grüßen. Vielleicht tröstet es dich ein wenig, dass sie fest versprochen hat mal Urlaub bei uns zu machen.«

      Darüber musste Bettina lachen.

      »Hört sich gut an, aber glaubst du daran?«, fragte sie. »Nancy ist von ihrem Beruf doch so besessen, dass sie das Wort Urlaub aus ihrem Vokabular gestrichen hat … Aber ist ja schon mal gut, dass sie wenigstens den guten Vorsatz hat. Grüß sie von mir zurück und macht euch ein paar schöne Stunden … Meinetwegen musst du dir wirklich keine Sorgen mehr machen. Es geht mir den Umständen entsprechend gut, und ich bin froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist.«

      Thomas war erleichtert.

      »Prima, dass du es jetzt so siehst. Schon dich, pass gut auf dich auf, morgen werde ich ja wieder bei dir sein. Bleibt denn die Leni über Nacht bei dir?«

      »Tom, das muss sie nicht, dank dieses grässlichen Dings an meinem Fuß kann ich mich recht gut bewegen, sie schaut nach mir, bringt mir was zu Essen, hilft mir ins Bett, aus dem Bett, was ich im übrigen auch recht gut allein könnte. Aber du kennst ja Leni, wenn die sich was in den Kopf gesetzt hat ist sie davon nicht abzubringen.«

      »Oh, da kenne ich aber noch jemanden … In dieser Hinsicht könntest du glatt Lenis Tochter sein, mein Herzblatt.«

      »Wogegen ich überhaupt nichts einzuwenden hätte. Leni als Mutter wäre mir alle Male lieber als meine eigene, diese egoistische, selbstherrliche Person. Ich werde ihr niemals verzeihen, dass sie uns durch infame Lügen getrennt hat und wir so viele Jahre ohne einander sein mussten.«

      »Tini, Liebes, hör auf damit. Es ist vorbei und eh nicht mehr zu ändern. Wir sind wieder zusammen, und das werden wir für immer sein. Vor uns liegt ein langes, glückliches, gemeinsames Leben, da werden wir doch ein paar Jahre verschmerzen, in denen wir getrennt waren. Sieh es doch einfach mal anders herum, genieße den Triumph, dass es ihr nicht gelungen ist uns zu trennen, weil das, was zusammengehört, immer zusammen kommt.«

      Thomas hatte recht. Sie durfte nicht immer wieder in der Vergangenheit herumgraben, aber wenn sie an ihre Mutter dachte, dann kam es einfach immer wieder ans Tageslicht, dann musste sie an die schreckliche Zeit der Trennung denken, an das Leben ohne ihren Tom, an all die einsamen Jahre in denen sie sich von ihm verraten gefühlt hatte.

      »Ich will auch gar nicht mehr an Carla denken«, sagte sie deswegen rasch. »Sie kann uns nichts mehr anhaben, und du hast ja so recht, mein Liebling. Das Leben liegt erst vor uns, es lässt sich zwar nichts nachholen, aber wir können die Zeit miteinander intensiv genießen, und das tun wir ja auch. Es ist so wunderschön mit dir, ich genieße jeden Augenblick, und ich kann es schon jetzt, obschon wir erst ein paar Stunden voneinander getrennt sind, kaum erwarten, dich wieder bei mir zu haben … Deine Umarmungen, deine Küsse zu spüren, und all die wunderbaren Worte zu hören, die du immer findest und die mich vor lauter Glück erschauern lassen. Ach, Tom, wenn du wüsstest wie sehr ich dich liebe, so sehr, dass es für dieses Glück überhaupt keine Worte gibt.«

      »Geliebte Tini, für das, was zwischen uns ist, da braucht’s auch keine Worte. Unsere Herzen sprechen zueinander, und die haben ihre eigene Sprache.«

      Bettina konnte diese Worte weder genießen noch eine Antwort darauf geben, denn hinter ihr war auf einmal ein richtiges Getöse, Linde kam in den Raum gestürmt.

      »Sag mal, was hast du denn angestellt«, rief sie, sah, dass Bettina telefonierte, »oh, entschuldige bitte.«

      Thomas hatte es mitbekommen.

      »Linde ist da, richtig?«, lachte er, »die ist so laut, dass man es bis London hören kann. Grüß sie von mir. Ich melde mich später noch ein­mal … Tini, ich liebe dich, für immer, forever …, bis später.«

      »Bis später«, sagte sie, dann legte sie das Telefon weg.

      »Tut mir leid«, sagte Linde nochmal, »hoffentlich habe ich kein wichtiges Gespräch unterbrochen?«

      »Es war Thomas«, sagte Bettina.

      Da winkte Linde lachend ab.

      »Ach so, nur der, das ist nicht so wichtig, ihr seid ja schon so was wie ein altes Ehepaar.«

      Typisch Linde, die manchmal ziemlich schnodderig sein konnte.

      »Und wenn auch«, antwortete Bettina, »so wird Thomas doch immer der wichtigste Mensch in meinem Leben bleiben, und das werde ich auch nach fünfzig Jahren noch sagen.«

      »Und das glaube ich dir sogar«, meinte Linde und ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Du und dein Thomas, das ist wirklich eine ganz besondere Liebe, ihr ward schon früher wie Pott und Deckel. Mein Gott, was haben wir alle euch um diese Liebe beneidet. Aber dieses Thema haben wir schon tausendmal durchgekaut. Mich interessiert jetzt mehr, warum du gerade heute diese Pirouetten drehen musstest. Du bist doch eigentlich ein sportlicher Typ, konntest du dich denn nicht auffangen?«

      Bettina schüttelte den Kopf.

      »Ging leider nicht, es war alles viel zu schnell … Aber mich interessiert jetzt, warum du hier bist. Die Buschtrommel hat doch überhaupt nicht so schnell funktionieren können. Wir sind ja grad mal wieder gekommen.«

      »Zufall, die Kinderfrau ist mit den Zwillingen unterwegs, im Gasthof herrscht die Ruhe vor dem Sturm. Ab heute Nachmittag sind wir ausgebucht, und da wollte ich mir das von Leni geänderte Kleid abholen, das ich auf deiner Hochzeit anziehen werde. Na, und da hat sie mir von deinem Unglück erzählt, ich wäre ja überhaupt nicht bei dir reingekommen, weil ich dich in London

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