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Mann, der käme niemals im Leben auf die spinnerte Idee, hier irgendwo ein Luxushotel hinzusetzen oder einen Golfplatz zu bauen oder wer weiß was sonst. Dem gefällt es in seiner Ursprünglichkeit, und eines weiß ich, auch für ihn muss der Fahrenbach-See in seiner Ursprünglichkeit erhalten bleiben. Da wird nicht das Zipfelchen eines Grundstücks verkauft. Er ist zum Glück auch nicht geldgeil. Ihn kann Geld nicht locken.«

      »Nö, das stimmt«, sagte Leni sofort, »der Thomas ist bodenständig, der freut sich eher an einem Baum als dass er ihn abholzen lassen würde, um damit Geld zu machen oder wegen einer besseren Aussicht. Sei froh, dass er so ist wie er ist und nicht so einer wie dein Bruder Frieder, der hier alles verscherbelt oder zugebaut hätte.«

      »Also, Leni, meinen Thomas in einem Atemzug mit Frieder zu nennen … Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Die beiden sind ja nun wirklich wie Tag und Nacht. Die stimmen aber auch gar nicht überein. Das war früher schon so, Frieder und Thomas hatten sich nichts zu sagen, ich will sogar weiter gehen, sie konnten sich nicht leiden.«

      »Weil dein Bruder schon früher spinnert war und den großen Max markierte. Der ist wie eure Mutter. Glauben beide, sie seien der Nabel der Welt und alles müsse sich um sie drehen.«

      »Ja, Leni, stimmt schon, doch ich möchte darüber nicht reden, wirklich nicht.«

      »Weil es dir tief in deinem Inneren noch immer weh tut?«

      »Nein, Leni«, Bettinas Stimme klang entschieden, »weil ich mit Carla und auch Frieder abgeschlossen habe. Alles geht nur bis zu einem gewissen Punkt, und wenn der überschritten ist, dann ist es halt aus und vorbei. Mit Carla hatte ich längst schon abgeschlossen, mit Frieder jetzt auch, und ich bin froh, dass es nicht mehr so weh tut.«

      »Klar tut es noch weh, Bettina, du willst es nur nicht wahrhaben. Du bist ein viel zu sensibler Mensch um dich einfach über Gefühle hinwegsetzen zu können. Es schmerzt dich, dass sowohl dein ältester Bruder als auch deine Mutter bei deiner Hochzeit nicht dabei sein werden. Eine Hochzeit ist etwas Besonderes, etwas Einmaliges im Leben. Es ist ein Tag ganz besonderen Glücks, das will man doch auch mit seiner Familie teilen.«

      »Okay, Leni, wenn Frieder kommen würde, dann …, ja, das würde mir gefallen. Eine Einladung hat er bekommen, ob er sie annimmt, wird sich zeigen. Aber meine Mutter? O nein, die hat sich egoistisch von ihrer Familie abgewandt, um diesen reichen Südamerikaner zu heiraten. Und in all den Jahren hat sie kein Lebenszeichen von sich gegeben, uns lediglich einmal sozusagen zur Audienz zu sich gebeten, um sich und ihren unermesslichen Reichtum zu präsentieren. Vielleicht erinnerst du dich daran, dass ich das kaum eine Stunde ertragen konnte, weil sie mich unentwegt angemacht hat? Das war immer so, mich konnte sie noch nie leiden, weil ich eine Fahrenbach bin und auch so aussehe wie die Fahrenbachs. Das war und ist ihr ein Greuel.«

      »Aber den Hermann Fahrenbach konnte sie schon heiraten und sich an seiner Seite ein schönes Leben machen«, rief Leni empört aus.

      »Sie hat Papa nie geliebt, sondern er war für sie nichts weiter als eine Kuh, die sie melken konnte. Sie hat ihn doch fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, als sich ihr die Chance bot, noch mehrere Stufen höher zu steigen.«

      »Sie wird ihre Quittung dafür bekommen«, sagte Leni, »so ein Verhalten straft der liebe Gott früher oder später.«

      Bettina winkte ab.

      »Das sagst du immer wieder, aber passiert ist bislang nichts. Carla ist wie eine Schlange, die windet sich überall durch, wenn jemand so gestrickt ist wie sie, dann fürchtet er sich auch nicht vor einer Strafe Gottes. Diese Carlas kommen immer ungeschoren davon, es trifft immer nur die, von denen man sich fragt, warum ausgerechnet sie.«

      »Es wird sie einholen«, widersprach Leni, »und wenn sie mal nicht sterben kann.«

      »Das wäre für Carla auch keine Strafe, die kann eh nicht loslassen und würde ihren Reichtum am liebsten mit ins Grab nehmen … Komm, Leni, lass uns nicht über sie reden. Sie ist es nicht wert. Wenn sie mein Glück mit Thomas nicht durch ihre Lügereien und Intrigen zerstört hätte, dann wäre ich mit ihm längst verheiratet. Aber auch das habe ich schon hundertmal erzählt und kann es mittlerweile fast schon singen. Die Vergangenheit ist passé. Es gibt nur noch eine wundervolle Gegenwart, die in eine ebenso wundervolle Zukunft münden wird. Nur noch ein paar Tage, dann findet meine Liebe ihre Krönung, dann erfüllt sich mein größter Traum.«

      Sie schaute auf ihr linkes Handgelenk, in das, noch immer deutlich erkennbar, ein T eingeritzt war. Thomas und sie hatten sich die Anfangsbuchstaben ihrer Namen im Überschwang der Gefühle auf ewig mit einem Messer eingeritzt. Während der Zeit der Trennung hatte sie das verflucht, hätte es sich am liebsten wegätzen lassen.

      Doch nun machte alles wieder einen Sinn.

      B + T in die Handgelenke geritzt, in die Rinde von Bäumen, in die Rückenlehnen von Bänken geschnitzt.

      Es würde andauern, genau wie ihre Liebe, die ein langes Leben halten würde.

      Bettina war erfüllt vor lauter Liebe, in diesem Augenblick mehr denn je.

      »Leni, ich könnte zerspringen vor Glück«, rief sie im Überschwang ihrer Gefühle aus.

      »Lass es bleiben, Kind, ich bin mir nicht sicher, ob wir die Scherben dann wieder alle zusammenbekommen. Und du sollst doch heile sein an deinem allerschönsten Tag im Leben.«

      »Leni, du nimmst mich nicht ernst. Mich nicht und auch nicht meine Gefühle«, beschwerte Bettina sich.

      »Doch, das tue ich, mein Kind, aber ich kann nicht andauernd darüber reden. Ich freue mich mit dir über dein Glück, es ist auch schön, dass du mich und die anderen daran teilhaben lässt. Nur …, es gibt noch etwas anderes als bloß dich und deinen Thomas.«

      Bettina lachte.

      »Ich weiß, dass ich schrecklich bin, was meine Liebe zu Tom anbelangt, da bin ich, im Gegensatz zu sonst, die reinste Plaudertasche. Aber ich hör jetzt wirklich davon auf.«

      Sie veränderte ihre Haltung und verzog sogleich ihr Gesicht, weil ein höllischer Schmerz sie durchzuckt hatte, trotz der Schmerzmittel, die sie genommen hatte.

      »Du musst vorsichtiger sein«, mahnte Leni. »Der Arzt hat doch gesagt, dass du keine abrupten Bewegungen machen darfst.«

      »Tut mir leid, aber ich hatte für einen Augenblick vollkommen vergessen, dass ich lädiert bin.«

      Bettina pickte ein letztes Stück Salat vom Teller, fand noch ein Krümelchen Fleisch, dann schob sie den Teller zurück.

      »Nochmals tausend Dank, Leni, es war köstlich.«

      »Ach, Kind, Kind, du kannst dich so herzlich bedanken, so herrlich freuen, selbst über einen ollen Salat. Du hast dich doch bereits bedankt.«

      »Doppelt hält halt besser«, lachte Bettina. »Durch diese Mittel stehe ich irgendwie neben mir. Wenn ich lese, muss ich immer wieder von vorne anfangen, weil ich Zusammenhänge nicht begreife.«

      »Dann setz dich vor den Fernseher oder telefoniere ein bisschen herum. Irgendwie wirst du die Zeit schon totschlagen. Und morgen ist er ja wieder da, dein geliebter Thomas. Du kannst aber auch gern zu uns kommen, aber das willst du ja nicht, du willst ja hierbleiben.«

      »Ja, ich komme zurecht. Eine Bitte habe ich allerdings noch, Leni, würdest du mir helfen in das hintere Gästezimmer zu kommen?«

      »Und was willst du dort?«

      »Na, dort hängt doch mein Brautkleid, ich will es mir vorhalten und sehen, ob es lang genug ist, um dieses fürchterliche Gestell zu verdecken.«

      »Es ist lang genug«, antwortete Leni. »Aber wie ich dich kenne, gibst du ja doch keine Ruhe … Du musst dich allerdings nicht durch das ganze Haus quälen, um das festzustellen. Ich hol das Kleid und bringe auch gleich den großen Spiegel aus der Diele mit, da kannst du dir das Kleid vorhalten.«

      »Oh, danke, Leni, du siehst, was diese Schmerzmittel aus mir machen. Von selbst wäre ich jetzt nicht darauf gekommen. Und Tom ist ja auch nicht hier …, aber selbst wenn

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