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Tierheim, da könnt ihr auch schon mal gucken.«

      »Bettina, ich gern, ich kann noch einmal nur sagen – dein Bruder macht was er will.«

      »Welch ein Glück, dass du es trotzdem mit ihm aushältst, Doris«, lachte Bettina.

      »Ich liebe ihn halt«, antwortete Doris ernsthaft, »und daran wird sich nichts ändern. Auch als wir getrennt waren, musste ich immerfort an ihn denken. Daraus habe ich gelernt, ich nehme ihn mit all seinen Macken, denn das ist besser, als ohne ihn zu sein.«

      »Hoffentlich weiß Jörg das auch wirklich zu schätzen«, bemerkte Bettina, die manchmal auch ganz schön sauer auf ihren Bruder war, in erster Linie deswegen, dass er sich so wenig meldete, um einfach nur Hallo zu sagen. Ein wenig besser geworden war es schon im Vergleich zu früher, da hatte er sie nur angerufen, wenn sie als Feuerwehr gebraucht worden war. Zum Glück kümmerte Jörg sich mittlerweile um Chateau Dorleac, sein Erbe, und zum Glück redete er auch nicht mehr davon, es verkaufen zu wollen, weil Besitz belastete. Da war vieles besser geworden, aber nicht nur bei ihm, sondern auch bei Doris, die die französische Sprache erlernt hatte und auf dem Chateau mitarbeitete.

      »Ich denke schon«, war Doris’ Antwort. »Aber Jörg macht nicht gern viele Worte, und er würde aus einem Heli auch keine Rosen für mich abwerfen lassen. Jeder Mensch ist halt anders, ich bin schließlich auch nicht wie du.«

      »Jeder hat auch andere Bedürfnisse«, bemerkte Bettina, »die ganz romantische Tour wäre auch nichts für dich.«

      »Nö, das würde mir tierisch auf den Senkel gehen, also ist es gut so wie es ist, eure Leni würde sagen: jedem Tierchen sein Pläsierchen, und dem stimme ich voll zu … Weißt du was, Bettina, ich freue mich unbändig auf deine Hochzeit, und soll ich dir was verraten? Ich habe mir bereits dreimal Kleider für diesen Anlass gekauft, Jörg hat sich schon an den Kopf gefasst. Aber jetzt habe ich eines gefunden, das ist der Knaller. Ein schlicht gearbeitetes Kleid aus lichtgrauer Spitze und Satin gearbeitet, das unglaublich edel aussieht. Jörg hat vor lauter Begeisterung auch gequietscht als er mich darin sah und mich ermuntert, es zu nehmen. Du wirst hin und weg sein, hoffentlich stehle ich dir nicht die Show.«

      Bettina kicherte.

      »Kannst du nicht, mit keinem Kleid der Welt, ich bin jetzt einfach mal so vermessen zu sagen, dass ich die Schönste sein werde. Und das steht mir an diesem Tag auch zu, denn ich bin schließlich die Braut.«

      »Okay, dann trete ich zurück und gebe mich mit der Rolle der Zweitschönsten zufrieden«, gab Doris nach.

      Dann sprachen sie noch ein wenig über das Chateau, die Köchin Marie, die sich zum Glück jetzt voll auf Doris’ Seite geschlagen hatte. Doris lobte Marcel, den eigentlichen Chef des Weingutes, der ihr ein hervorragender Lehrmeister war.

      Bettina freute sich wieder einmal, dass alles so gut in Frankreich lief und legte nach einer ganzen Weile zufrieden den Hörer auf.

      Es war eine gute Idee gewesen, Doris angerufen zu haben. Sie fühlte sich jetzt richtig froh, nachdem Doris ihr nochmals versichert hatte, dass diese Bänderzerrung schmerzhaft war, aber den Ablauf des Hochzeitstages in keiner Weise beeinträchtigen würde, weil ein wenig Humpeln oder kein Hochzeitswalzer die Welt wirklich nicht zusammenbrechen ließen.

      *

      Bettina war gerade ein wenig eingenickt, als das Klingeln des Telefons sie aufschreckte.

      Sie richtete sich mühsam auf, verzog schmerzhaft das Gesicht, weil sie ihren kranken Fuß vergessen hatte, dann griff sie zum Telefon und meldete sich.

      Im Nu war aller Schmerz vergessen.

      Es war ihr Tom!

      »Welch ein Glück, dass ich dich noch erreiche«, sagte er. »Ich habe mir schon die Finger wund gekurbelt. Mit wem hast du denn so lange telefoniert?«

      »Mit Doris.«

      »Das hätte ich mir eigentlich denken müssen, denn wenn ihr zwei miteinander redet, dann dauert es immer. Es wundert mich stets aufs Neue, dass Frauen sich innerhalb kürzester Zeit immer wieder so viel zu sagen haben. War es denn wenigstens ein schönes Gespräch?«

      »Ja, Doris hat mich aufgemuntert, und jetzt empfinde ich mein Handycap nicht mehr als so schlimm, und ich bin auch überhaupt nicht traurig, dass unser Hochzeitstanz ausfallen muss, weil ich nur herumhumpeln kann.«

      »Wir werden ihn tanzen, mein Herz«, versprach er, »oder hast du meine starken Arme schon vergessen? Wir werden zwar nicht beschwingt herumwirbeln, aber die Rosen aus dem Süden bekommst du, das ist ein Versprechen.«

      So war er, und dafür liebte sie ihn so sehr. Sie konnte sich zwar im Augenblick nicht vorstellen, wie das mit diesem unförmigen Gerät an ihrem Fuß gehen sollte, aber sie vertraute Tom. Er würde einen Weg finden, weil er immer einen fand.

      Weil sie nicht sofort etwas sagte, und weil er sie kannte, erkundigte er sich: »Tini, du hast doch wohl jetzt keine Tränen in deinen wunderschönen blauen Augen?«

      Selbst so was erriet er.

      Schnell presste sie sich ein: »Doch, Tom«, hervor, »ich muss einfach vor Glück weinen.«

      »Schade, meine geliebte Tini, dass ich jetzt nicht bei dir sein kann, um dir die Tränen wegzuküssen. Das jetzt ist ohnehin mein letzter Anruf, denn gleich geht der ganze Zirkus los. Im Augenblick ist ein kleiner Sektempfang, den ich mir erspart habe, die Verleihung und das anschließende Galadiner reichen mir. Aber die Leute haben sich alle ganz schön aufgebrezelt, ganz besonders die Frauen, aber eines kann ich dir sagen, in deinem kleinen Schwarzen wärst du allemale die Aller-, Allerschönste gewesen. Du hättest sie mit deiner strahlenden Schönheit alle in den Schatten gestellt, und ich wäre stolz wie ein Gockel neben dir hergeschritten und hätte mein Glück nicht fassen können, der Begleiter dieser wunderschönen Frau sein zu dürfen. Aber ich kann mein Glück ohnehin kaum fassen, dass es nur noch ein paar Tage sind bis unser Traum wahr wird.« Er war auch ganz gerührt. »Tini, ich liebe dich, ich liebe dich über alles, und daran wird sich niemals etwas ändern, weil du mein Leben bist.«

      Sie hätte ihm jetzt auch so gern gesagt, wie sehr sie ihn liebte, dass sie ohne ihn nicht sein konnte, aber da war auf einmal eine Stimme zu hören, die ihn veranlasste, das Gespräch zu beenden: »Tini, ich muss jetzt Schluss machen, hier ist gerade ein Herr, der mich zu meinem Platz begleiten wird, wenn man in der ersten Reihe sitzt, geht es wohl ganz besonders formell zu, da haben sie wahrscheinlich Angst, dass sich dort jemand einschleichen kann, der nicht dahin gehört … Ich werde an dich denken, bei jedem Wort, bei jedem Bissen, bei jedem Schluck Wein. Und ich werde in diesem gigantischen Himmelbett unter dem prachtvollen Baldachin von dir träumen und mir wünschen, du wärest bei mir … Ich liebe dich, ich …«

      Die Verbindung war unterbrochen, sie war ohnehin ziemlich schlecht gewesen. In manchen Räumen hatte man eben keinen guten Empfang. Doch was sollte es, sie hatte ihn verstanden, jedes seiner Worte in sich aufgesogen, und morgen, morgen würde sie ihn wiedersehen.

      Bettina legte das Telefon weg und schloss die Augen, diesmal aber nicht um zu schlafen, sondern um von ihrem Tom zu träumen.

      Sie lehnte sich zurück, achtete darauf, ihren Fuß in die richtige Position zu bringen, dann flüsterte sie: »Ich liebe dich auch über alles, und … du bist auch mein Leben.« B + T forever hatte er einst in ein wunderschönes Tiffanyarmband eingravieren lassen, und so sollte es sein – for­ever, für immer.

      Sie trug das Armband nicht mehr unterbrochen wie damals, als sie es von ihm bekommen hatte.

      Zwischen damals und heute hatte sich vieles verändert. Sie war nicht mehr in der Warteschleife und musste darauf warten, dass er kam. Er war immer da, und so würde es bleiben, ein langes, glückliches Leben lang.

      Tom … Tom … Tom…

      Sie war glücklich, unbeschreiblich glücklich und dankbar, unendlich dankbar, dass es Thomas Sibelius in ihrem Leben gab, dessen Frau sie in ein paar Tagen sein würde – Bettina Sibelius, ihr Herz klopfte wie verrückt – vor Liebe, vor Freude und vor Dankbarkeit.

      Morgen

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