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eines möchte ich dir zum Abschluss sagen, meine Liebe«, ereiferte Bettina sich. »Auch wenn ich übernächtigt bin, sehe ich noch immer attraktiv aus, schließlich bin ich eine Frau in der Blüte meiner Jahre, da steckt man eine schlaflose Nacht noch locker weg.«

      »Klar, aber nicht mehr lange. Sei froh, dass du unter der Haube bist, dem Verfallsdatum entgehen wir nämlich auch nicht. Es kommt schneller als man denkt.«

      »Herzlichen Dank für diese tröstlichen Worte«, sagte Bettina, »jetzt lege ich nämlich auf, ehe du in dieser Richtung noch mehr sagst.«

      »Tja, meine Liebe, die Wahrheit ist halt nur schwer zu ertragen«, dann aber lachte sie. »Nimm es nicht ernst, wir haben noch hinreichend Zeit, schließlich sind wir, um bei der stolzesten der Blumen zu sein, noch nicht einmal so was wie halberblühte Rosen, deren wahre, prachtvolle Schönheit man nur erahnen kann.«

      »Linde Gruber, schöner hättest du es nicht ausdrücken können«, lachte nun auch Bettina. »Lass das so was wie das Wort zum Sonntag sein. Vielen Dank für deinen Anruf, deine angebotene Hilfe …, und danke auch dafür, dass du mir geholfen hast die Zeit totzuschlagen … Es ist schön, wenn man Freunde wie dich hat.«

      Bettina wusste, dass solche Worte die oftmals schnodderige Linde ganz verlegen machten, aber manchmal mussten sie einfach ausgesprochen werden. Und das war jetzt ein solcher Moment.

      Linde war wirklich ihre aller-, allerbeste Freundin, und mit ihr machte es auch Spaß, über Banalitäten zu reden, herumzualbern, zu klatschen, weil ihre ernsthaften Gespräche überwiegten und weil sie voneinander wussten, dass sie sich in allen Lebenslagen aufeinander verlassen konnten. Das hatten sie in der Vergangenheit bereits mehr als nur einmal bewiesen, und das war ein ganz wunderbares, ein ganz beruhigendes Gefühl.

      *

      Nach dem Telefonat mit Linde schleppte Bettina sich in ihr Badezimmer, um sich für die Nacht fertig zu machen, und wieder einmal bereute sie, Leni nicht zur Hilfe gerufen zu haben. Die hätte ihr doch gern geholfen, und es wäre für sie einfacher gewesen.

      Sie war froh, als sie endlich in ihrem Bett lag. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass es schon ganz schön spät geworden war. Aber das machte sie richtig froh, denn jede Sekunde, jede Minute, jede Stunde, die verging, bedeutete, dass sie ihren Tom um genau diese Zeit früher sehen würde.

      Sie legte sich in ihr zusammengerolltes Kopfkissen.

      Wie es ihm wohl gerade jetzt erging?

      Die Preisverleihung war längst vorüber, jetzt saß man vermutlich noch immer im großen Festsaal zusammen und plauderte. Hoffentlich hatte er angenehme Gesprächspartner am Tisch und langweilte sich nicht. Thomas konnte schnell von etwas und jemandem gelangweilt sein.

      Aber vielleicht hatte er sich auch schon diskret verabschiedet und war im Hotel.

      Doch nein, das konnte nicht sein, denn sonst hätte er sie unweigerlich noch einmal angerufen.

      Es wäre schön, seine Stimme noch einmal zu hören, dann würde sie ihm auch sagen können, wie sehr sie ihn liebte, wie sehr sie ihn vermisste. Dazu war es ja nicht gekommen. Außerdem durfte sie sich keine Hoffnung auf einen Anruf machen. Er hatte doch gesagt, dass es der letzte Anruf sei. Deswegen folgte sie nun auch nicht ihrem Impuls zu versuchen ihn auf seinem Handy zu erreichen.

      Die paar Stunden ohne ihn würden auch vergehen, außerdem war es töricht, sich in diese Sehnsucht nach ihm so sehr hineinzusteigern. Das hatte sie noch niemals zuvor gemacht, aber da war sie auch nicht krank gewesen.

      Sehnsuchtsvoll-jammervoll wurde man immer nur, wenn einem was fehlte. Das war bei Kindern so, aber bei Erwachsenen nicht minder.

      Bettina, reiß dich zusammen, wies sie sich selbst zurecht, weil sie sich im Grunde genommen schon selbst auf die Nerven ging, weil sie unter dieser kurzen Trennung schier zusammenzubrechen drohte, das war doch verrückt.

      Sie wollte gerade ihre Nachttischlampe ausknipsen, als das Telefon läutete.

      Sie schoss nach oben.

      Thomas …

      Na klar, er musste es sein, wer sonst sollte um diese Zeit noch anrufen. Also ging es ihm auch nicht anders, war es ihm ja auch die ganze Zeit über nicht anders ergangen. Er war es gewesen, der andauernd angerufen hatte, sehr zu ihrer Freude allerdings.

      Schon wollte sie sagen, wie schön, dass du mich noch einmal anrufst, mein Liebster, aber das hielt sie zum Glück zurück, denn nicht Thomas war der Anrufer.

      Es war Leni!

      Zum Glück hielt sie auch ein ach, du bist es, zurück, denn das wäre gemein gewesen, ganz besonders, nachdem Leni sich geradezu angstvoll erkundigte: »Geht es dir gut, Bettina? Ich hab grad gesehen, dass bei dir noch immer Licht brennt. Ist alles in Ordnung?«

      Angesichts dieser Besorgnis schluckte Bettina ihre Enttäuschung rasch herunter und war ganz gerührt. Die gute Leni, machte sich ihretwegen solche Gedanken.

      »Mach dir keine Sorgen, Leni, es geht mir gut, ich liege im Bett und werde gleich das Licht löschen. Ich hab ganz lange mit Linde telefoniert, sonst würde ich längst schon schlafen, die wollte auch wissen, ob sie etwas für mich tun kann.«

      »Ist ja nett, sie ist schließlich deine Freundin, aber sie kann sich doch wohl denken, dass du hier Hilfe genug hast. Wir kümmern uns schon um dich, und morgen hast du deinen Thomas wieder. Also gut, wenn du nichts brauchst, dann lege ich mich auch wieder hin. Aber Bettina, lass das Telefon neben dir liegen und scheue dich nicht anzurufen, wenn du Schmerzen bekommst oder wenn sonst was ist. Versprichst du mir das? Ich werde mein Telefon auf jeden Fall auch mit ans Bett nehmen.«

      »Danke, liebe Leni«, sagte Bettina mit deutlicher Rührung in ihrer Stimme, »aber mach dir wirklich keine Sorgen. Es geht mir gut, ich habe meine Schmerztablette genommen und eine halbe von diesen Beruhigungspillen. Ich werde gleich schlafen wie ein Murmeltier. Bei mir wirken Medikamente doch sofort, weil ich so selten welche nehme. Aber eines verspreche ich dir …, sollte was sein, werde ich dich sofort anrufen, wen denn sonst?«

      »Das ist gut so, also schlaf gut, mein Kind und freue dich auf morgen. Mehr als die Hälfte der Trennungszeit hast du ja nun schon hinter dir.«

      »Mach dich nur lustig über mich, Leni«, beschwerte Bettina sich.

      »Ich mach mich doch nicht lustig, ich habe dir nur die Wahrheit gesagt und gedacht, dass du dich darüber freust, weil du es kaum erwarten kannst, deinen Thomas wieder zu haben. Du warst heute ganz schön nervig, so kenne ich dich überhaupt nicht. Aber vielleicht liegt es ja wirklich an deiner Verletzung, die dich so wehmutsvoll oder wie immer man es nennen mag, gemacht hat. Aber jetzt genug, schlaf jetzt und träum was Schönes, meinetwegen von deinem Thomas …, wird vermutlich eh so sein.«

      »Hoffentlich, Leni. Danke für deinen Anruf und deine Besorgnis, schlaf du auch gut, und du kannst ja von deinem Arno träumen.«

      Leni lachte.

      »Ganz bestimmt nicht, ich lieb ihn zwar sehr, aber nachts muss ich ihn nicht auch noch haben. Neben mir schon, aber nicht im Traum.«

      »Ich will das aber«, bemerkte Bettina. »Tag und Nacht, im Traum, Tom soll immer um mich herum sein.«

      Lenis Lachen verstärkte sich.

      »Jetzt noch, meine Liebe, jetzt noch. Lass uns darüber in ein paar Jahren nochmals reden. Ich könnte wetten, dass sich da auch bei dir einiges verändert haben wird. Aber weil ich weiß, dass du jetzt ein protestierendes, lautes Nie ins Telefon brüllen wirst, komme ich dir zuvor. Es wird sich ändern, aber das müssen wir jetzt nicht mehr in epischer Breite diskutieren. Also nochmals, diesmal endgültig, gute Nacht und schlaf gut.« Das mit den Träumen ließ sie vorsichtshalber weg.

      »Gute Nacht, liebe Leni«, war Bettinas Antwort, dann beendeten sie das Telefonat.

      Ganz gerührt legte Bettina das Telefon weg und löschte gehorsam das Licht.

      Welch ein Schatz Leni doch war, und wie unendlich besorgt. Aber so war sie halt, ein durch und durch liebevoller

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