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entzückt und hat mir erzählt, dass du noch niemals zuvor so wundervoll ausgeschaut hast.«

      »Leni, der Bräutigam darf eine Braut vor der Hochzeit nicht im Brautkleid sehen, das bringt Unglück …, es hätte also nicht passieren dürfen.«

      Ebenso wie Thomas begann Leni zu lachen.

      »Und wo hast du einen solchen Unsinn gehört oder gelesen? Das ist doch nichts weiter als ein dummer Aberglaube, etwas, was sich mal jemand ausgedacht hat. Also wirklich, Bettina, dass du nun schon wieder davon anfängst. Das ist wirklich albern. Aber na ja, vielleicht sind es ja wirklich die Schmerzmittel.«

      Nach diesen Worten verließ sie den Raum, kam als nächstes mit dem großen Spiegel zurück, den sie vorsichtig vor einen Schrank stellte, und nicht viel später brachte sie das Kleid, das sie behutsam an sich gedrückt hielt.

      »Es ist wirklich ein Traum, Bettina«, sagte sie. »Ich hab es seit damals, als wir es zusammen kauften, nicht mehr gesehen. Es ist perfekt für dich, wie für dich gemacht … Soll ich dir aufhelfen?«

      Davon wollte Bettina nichts wissen, sie zog sich am Tisch hoch, dann humpelte sie in Lenis Richtung, die das wunderschöne Kleid um sie herum drapierte.

      Natürlich blickte Bettina sofort nach unten und atmete erleichtert auf. Von dieser Geh- und Stützhilfe war so gut wie nichts zu sehen. Und Leni hatte recht, das Kleid war ein Traum und sie würde darin aussehen wie eine Prinzessin.

      »Danke, Leni«, sagte sie, betrachtete sich noch einen Moment, dann humpelte sie zurück zu ihrem Platz, weil das Stehen ein wenig mühsam war. »Jetzt bin ich zufrieden. Ist wirklich alles nur halb so schlimm.«

      »Klar, hab ich doch gesagt«, bemerkte Leni, »hoffentlich hat jetzt die liebe Seele Ruh.«

      »Hat sie«, lachte Bettina, »tut mir leid, Leni, dass ich dir so viel Mühe mache, aber jetzt bin ich zufrieden, denn du hast schon recht, die Leute werden mir nicht unbedingt auf die Füße gucken. Und wenn, dann ist es mir auch wurscht. Wegen dieser Bänderzerrung werde ich die Hochzeit auf keinen Fall verschieben.«

      »Es gibt auch keinen Grund dafür, und jetzt bringe ich erst mal das Kleid wieder weg, und ehe du mir Anweisungen gibst, meine Liebe, dann sage ich es von mir aus. Ich werde es ganz behutsam wieder an seinen Platz hängen, damit nichts drankommt.«

      »Danke, Leni«, lachte Bettina, »wie gut du mich doch kennst, das hätte ich so oder so ähnlich wirklich gesagt.«

      Sie setzte sich wieder, und während Leni nach draußen ging, schloß sie die Augen.

      Ja, sie würde großartig aussehen, und wegen dieses kleinen Malheurs würde sie sich jetzt keine Gedanken mehr machen. Tom würde sie humpelnd nicht weniger lieben.

      Bedauerlich war eigentlich nur, dass sie ihn nicht nach London begleiten konnte. Aber das war jetzt auch nicht mehr zu ändern.

      *

      Nachdem Leni gegangen war, versuchte Bettina zu lesen, doch das gelang ihr auch jetzt nicht, deswegen befolgte sie Lenis Rat und schaltete den Fernseher ein. Sie zappte sich durch alle Programme, aber es war überhaupt nichts dabei, was sie interessierte, deswegen machte sie den Fernseher aus und griff zu ihrem Telefon.

      Sie würde Doris anrufen, und sollte zufälligerweise ihr Bruder Jörg am Telefon sein, so würde sie herzlich gern auch mit dem sprechen. Jörg war von ihren Geschwistern derjenige, zu dem sie das engste Verhältnis hatte, und das war noch enger geworden, nachdem er den Flugzeugabsturz in Australien wie durch ein Wunder überlebt hatte.

      Ja, es war wirklich ein Wunder gewesen, nur Jörg und Miriam hatten überlebt, und Miriam war jetzt mit ihrem Halbbruder Christian verbandelt.

      Wie das Leben so spielte, das, was Jörg und Miriam erlebt hatten, was sich danach ereignet hatte …, es war wie in einem Roman. Nur da hätte es zwischen den beiden Hauptakteuren ein Happy-End gegeben, im wahren Leben war das nicht der Fall gewesen, da hatte es zwischen Jörg und Miriam wohl geknistert, dann waren sie jedoch wieder auseinandergedriftet. Jörg war wieder mit seiner Exfrau Doris zusammen und Christian hatte einen Umweg über Linde genommen, um dann in den Armen von Miriam zu landen. Bei Miriam und Christian war es Liebe auf den ersten Blick gewesen, sie waren am New Yorker Flughafen Kennedy Airport wie magnetisch angezogen aufeinander zugegangen.

      Schade!

      Christian und Miriam würden an ihrer Hochzeit nicht teilnehmen können. Christian war für Ärzte ohne Grenzen in Malawi und bekam bis zum Ende seiner Zeit dort keinen Urlaub mehr, obwohl man es ihm eigentlich zugesagt hatte. Aber vielleicht waren die Bosse dort ein wenig sauer, dass Christian seinen Vertrag nicht verlängern, sondern einen Chefarztposten in New York annehmen würde. Gewiss leistete Christian in Malawi großartige Arbeit, aber seinen Fähigkeiten entsprechend war er in New York auf jeden Fall besser aufgehoben.

      Bettina mochte überhaupt nicht mehr darüber nachdenken, wie sie sich ausgemalt hatten, Christian könne sich als ganz einfacher Landarzt in Fahrenbach niederlassen. Er hatte es ernsthaft in Erwägung gezogen, und ja sogar schon damit begonnen, die ehemalige Tierarztpraxis Martins für seine Zwecke umzubauen.

      Wäre er auf Dauer glücklich damit geworden?

      Mittlerweile zweifelte Bettina daran, wenngleich sie es schön gefunden hätte, Christian in ihrer Nähe zu haben, der erst als Erwachsener in ihr Leben getreten war, nach dem Tod seiner vermeintlichen Mutter, die ihm gestanden hatte, dass Carla Fahrenbach seine leibliche Mutter war, Carla Fahrenbach, die jetzt Carla Aranchez de Moreira hieß und niemandem etwas von ihrer eineiigen Zwillingsschwester erzählt hatte und schon gar nicht von ihrem Sohn Christian, der seiner Tante untergeschoben worden war.

      Sie war die einzige aus der Familie, die Christian sofort in ihr Herz geschlossen hatte, Jörg tolerierte ihn, Grit interessierte sich nicht, und Frieder hatte sich geweigert, mit seinem Halbbruder auch nur ein Wort zu reden. Und Carla? Seine wirkliche Mutter? Die hatte ihn davonjagen lassen wie einen Straßenkö­ter …

      Bettina wischte sich über die Stirn, als könne sie dadurch all die Gedanken wegwischen, die wild durcheinanderpurzelten. Sie kam jetzt aber wirklich vom Hölzchen aufs Stöckchen, dabei hatte sie nur Doris anrufen wollen, um sich ein wenig abzulenken.

      Und genau das tat sie jetzt.

      Sie hatte Glück, Doris war sogar direkt am Apparat.

      »He, wie komme ich zu der Ehre, heute von dir angerufen zu werden. Was ist passiert? Bist du der Queen Elizabeth begegnet und sie hat zugesagt zu deiner Hochzeit zu kommen?«, erkundigte Doris sich, die natürlich von dem Kurztrip nach London wusste. »Also, ich finde es wirklich ganz reizend, dass du im mondänen London an deine Schwägerin in der verschlafenen Provinz in Frankreich denkst.«

      War es eine gute Idee gewesen, Doris anzurufen?, schoss es Bettina durch den Kopf.

      »Ich bin nicht in London, Doris, sondern sitze daheim in meiner Bibliothek.«

      »Das glaube ich nicht. Hattest du doch keinen Bock, mit der Ex von Thomas zusammenzutreffen und hast einen Rückzieher gemacht?«

      »Nein, Doris, ich hätte Nancy sehr gern gesehen. Dass ich nicht fliegen konnte, war sozusagen höhere Gewalt.«

      Dann erzählte sie ihrer Schwägerin was geschehen war.

      »Ach, du gütiger Himmel«, rief Doris aufgeregt, »dann wirst du ja zum Altar humpeln, wie schrecklich.«

      Das hätte sie jetzt besser nicht gesagt, denn die Fassade, die Bettina mühsam errichtet hatte, brach wieder zusammen. Sie begann zu schluchzen. Doris sagte es auch, sie fand es ebenfalls schrecklich.

      Weil Bettina nichts sagte, begriff Doris, was sie da angerichtet hatte.

      »Tut mir leid, Bettina, war töricht von mir, so etwas zu sagen. Aber ich plappere manchmal etwas daher ohne zu denken …, es ist nicht so schlimm.«

      »Doch, es ist … schlimm«, schluchzte Bettina. »Ich sehe es auch so. Und diesen Tag hätte ich mir wirklich anders vorgestellt. Vor allem, kannst du mir mal sagen, wie ich mit Thomas den Hochzeitswalzer tanzen soll, den

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