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Dann würde er ihr von Nancy erzählen, von dem ganzen Event und sie würde zuhören und dabei unendlich glücklich und zufrieden in seinen Armen liegen und seine Nähe genießen … Morgen, ja, morgen …

      *

      Bettina hatte sich gerade mühsam die Treppe hinaufgehangelt und dabei geärgert, dass sie nicht doch Leni zur Hilfe gerufen hatte, als ihr Telefon klingelte.

      Thomas?

      Ungeachtet der Schmerzen, die sie dabei hatte, schleppte sie sich in ihr Schlafzimmer, wo ein weiterer Apparat stand.

      Thomas hatte ihr zwar gesagt, dass er nicht mehr anrufen würde. Aber vielleicht hatte sich doch eine Gelegenheit gefunden und er wollte noch ein paar Worte mit ihr wechseln, ihr ein paar zärtliche Worte ins Ohr flüstern. Seinen Anruf wollte sie auf keinen Fall verpassen, sie würde sich ja zu Tode ärgern.

      Bettina ließ sich aufs Bett fallen, stieß einen kurzen Schmerzensschrei aus, dann meldete sie sich.

      Es war Linde!

      Schön, dass ihre Freundin nochmal anrief, aber zunächst mal musste Bettina ihre Enttäuschung vor ihr verbergen und sagte außer einem Hallo nichts weiter, was Linde aber offensichtlich nicht störte.

      »Na, du krankes Hühnchen, wie geht es dir? Ich hatte den Laden bis jetzt rappelvoll, deswegen konnte ich mich nicht früher melden.«

      »Ach, es geht schon. Es ist zwar nicht angenehm, und es tut auch ganz schön weh, aber es hätte mich wirklich schlimmer treffen können. Ich finde mich allmählich damit ab, dass ich eine Weile herumhumpeln muss.«

      »Das ist gut, weil du ja ohnehin nichts ändern kannst. Heute waren Gäste zum Essen da, die Frau hat es viel schlimmer getroffen als dich. Sie hat sich beide Schlüsselbeine gebrochen bei einem ganz dummen Sturz vom Fahrrad und ist nun total eingegipst. Die Ärmste kann überhaupt nichts allein machen, sondern sie ist vollkommen auf die Hilfe ihres Ehemannes angewiesen, der sie sogar füttern muss, was er allerdings auf sehr liebevolle Weise macht.«

      »Wie schrecklich«, rief Bettina, »aber das würde Tom auch für mich tun, ohne zu murren.«

      »Ja, das glaub ich auch, aber die Geschichte dieses Ehepaares ist noch nicht zu Ende. Das Dumme nämlich ist, dass es direkt am ersten Urlaubstag passierte. Sie waren bei einem Fahrradverleih und dabei, die geeigneten Fahrräder für sich zu finden. Ihr Mann und auch der Verleiher rieten ihr zu einem einfacheren Hollandfahrrad, weil sie lange nicht auf einem Rad gesessen hatte. Sie wollte aber partout ein ganz chices Rad mit allen technischen Finessen haben. Der Verleiher bat sie aber dann doch wenigstens eine kurze Probefahrt damit zu machen, und da passierte es. Sie saß kaum auf dem Fahrrad als sie auch schon stürzte. Es war kein spektakulärer Sturz, doch er war so unglücklich, dass sie sich halt beide Schlüsselbeine gebrochen hatte.«

      »Es ist traurig, aber doch die eigene Schuld der Frau, warum war sie so uneinsichtig«, bemerkte Bettina.

      »Und warum warst du so unachtsam und bist auf einer Treppe gestolpert, die du tausendfach gegangen bist?«, wollte Linde wissen.

      »Du hast recht, Linde«, gab Bettina kleinlaut zu. »Es ist wohl vermutlich wirklich so, dass das passiert, was passieren muss und dass man dagegen nichts tun kann. Aber danke, dass du mir diese Geschichte erzählt hast. So was hätte mir auch passieren können, aber dann hätte ich die Hochzeit abgesagt. Es ist schon schlimm genug, dass ich meine wunderschönen Schuhe nicht anziehen kann, zumindest einen davon nicht. Mein Kleid nicht tragen zu können, nein, das kann ich mir nicht vorstellen, will es auch nicht.«

      »Musst du auch nicht«, ergänzte Linde, »denn zum Glück bist du glimpflich davongekommen.«

      »Hast du mit dem Ehepaar geredet?«, fragte Bettina. »Für die ist der Urlaub doch gelaufen.«

      »Nein, so sehen sie das nicht. Die Frau hat wohl einen sehr anstrengenden Job voller Hektik und Stress. Den kann sie für die nächste Zeit erst mal vergessen. Sie sieht es als einen Wink des Schicksals, kürzer zu treten und wird sich erst mal eine Auszeit nehmen, in der sie auch überdenken möchte, ob sie so wie bisher weitermachen möchte. Sie hat zwar eine Menge Geld verdient, doch ihr Privatleben ist auf der Strecke geblieben, ohne dass sie weiter darüber je nachgedacht hat. Jetzt, da sie so abhängig von ihrem Mann geworden ist, wurde ihr erst mal so richtig klar, dass es ihn auch noch in ihrem Leben gibt und wie wichtig es ist, einen Menschen zu haben, auf den man sich verlassen kann.«

      Bettina antwortete nicht sofort, sondern überdachte für einen Moment Lindes Worte.

      »Die Frau hat recht«, sagte sie schließlich. »Manchmal muss wohl erst was Drastisches, Dramatisches geschehen, ehe das Weltbild eines Menschen wieder zurechtgerückt wird. Sie wurde, wenn auch unsanft, vom Schicksal dazu ermahnt, sich um ihr Privatleben zu kümmern, weil Karriere und Job nicht alles sind. Und sie hat es akzeptiert und wird ganz bestimmt etwas in ihrem Leben verändern. Aber, wenn es so ist, dass man manchmal auf mehr als unerfreuliche Weise in eine andere Richtung geführt werden soll. Welche Lehre soll ich aus meinem Fehltritt auf der Treppe ziehen, der mir diese üble Bänderzerrung beschert hat?«

      »Keine«, entgegnete Linde, »weil man nicht in alles etwas hineininterpretieren kann. Und wenn, dann sollst du dich vor der Hochzeit ausruhen, damit du an deinem großen Tag ausgeruht und schön bist … Thomas hat mir übrigens schon verraten, wohin eure Hochzeitsreise gehen soll, und ich kann nur sagen, du bist zu beneiden. Es wird dir hundertprozentig gefallen, und ich kann nur immer wieder sagen, dein Thomas errät wirklich jeden deiner noch zu geheimen Wünsche.«

      »Du weißt es?«, rief Bettina ganz aufgeregt. »Dann gib mir einen kleinen Hinweis … Ich möchte es so gern wissen, damit ich mich jetzt schon freuen kann.«

      Linde lachte.

      »Sorry, du kannst quengeln wie du willst, über meine Lippen kommt kein Sterbenswörtchen, ich habe Thomas mein altes Indianerehrenwort gegeben … Du weißt ja nicht so genau, was das bedeutet, weil du ja nicht in Fahrenbach aufgewachsen bist, sondern früher nur in den Ferien hier warst. Aber Thomas, Markus und ich, wir haben uns geschworen, bei einem gegebenen Indianerehrenwort nichts, aber rein gar nichts zu verraten. Und daran haben wir uns immer gehalten. Wir können uns noch heute alle Geheimnisse anvertrauen, weil wir wissen, dass sie bei dem anderen gut aufgehoben sind.«

      »Hey, Linde, findest du das nicht ein wenig kindisch? Ihr seid erwachsen geworden, da ein Indianerehrenwort zu geben ist schon ein bisschen albern.«

      »Ist es nicht«, widersprach Linde. »Höre ich da so etwas wie ein bisschen Neid aus deiner Stimme, weil du zu diesem erlesenen Kreis nicht gehörst? Aber tröste dich, Martin war auch nicht dabei, obschon er auch ein Freund aus frühesten Kindertagen war und wir viel gemeinsam mit ihm unternommen haben. Der harte Kern waren immer Markus, Thomas und ich.«

      »Dass ihr dicke Freunde wart, das wusste ich, nur das mit diesem dummen Indianerehrenwort …, davon hatte ich bislang keine Ahnung. Aber also gut, wenn das so ist, will ich auch nicht länger drängen. Du hast ja gesagt, dass es mir auf jeden Fall gefallen wird, das Ziel unserer Hochzeitsreise.«

      »Gefallen? Nein, du wirst vor lauter Begeisterung und Freude laut quietschen, aber mehr sage ich jetzt nicht dazu. Ich kenne dich, du lockst mich mit ein paar harmlos dahingeworfenen Worten in die Falle, und ich fange an zu plaudern. Das würde ich mir niemals verzeihen, und Thomas wäre sauer auf mich, und das will ich vermeiden.«

      »Okay, ich sage dazu nichts mehr. Weiß Markus auch Bescheid?«, erkundigte Bettina sich weiter. Sie wusste, dass sie Markus leichter zum Sprechen bringen würde. Aber sie hatte sich zu früh gefreut.

      »Nö, der weiß es nicht«, entgegnete Linde. »Thomas hat es nur mir anvertraut, nicht einmal die Leute bei euch auf dem Hof wissen Bescheid, und das ist gut so. Also, krieg die Gedanken aus dem Kopf, und ich rede auch nicht mehr darüber … Soll ich morgen früh nach dir schauen? Brauchst du etwas? Und vor allem, wie kommt Thomas vom Flughafen zurück?«

      »Er ist mit dem Auto hingefahren und hat es dort bei den Langzeitparkern abgestellt, so teuer ist das nicht bei der kurzen Dauer seiner Reise. Er wird also mit dem eigenen Auto zurückkommen. Und du? Es ist

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