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sie zu sich empor, umschloss sie zärtlich und beschützend zugleich.

      Bettina fühlte sich so unendlich wohl und geborgen und wünschte sich, auf ewig so mit ihm stehen bleiben zu können, nur sie zwei. Aber das ging natürlich nicht, denn dafür sorgte schon Thomas.

      Er drückte ihr einen sanften Kuss auf die Stirn, dann zog er sie sanft, aber bestimmt mit nach draußen, löschte das Licht, dann führte er sie die Treppe hinauf.

      Nur wenige Minuten später kuschelte sie sich in seine Arme und war, obwohl es kaum zu glauben war, kurz darauf eingeschlafen.

      *

      Bettina kümmerte sich normalerweise nicht um die Gäste, doch vom Gesindehaus her kam ein so jammervolles Weinen, dass sie unwillkürlich in diese Richtung blickte.

      Sie entdeckte eine junge Frau, die einen Brief in den Händen hielt, den sie wohl gerade erst bekommen hatte und durch den das Weinen hervorgerufen worden war.

      Beim näheren Hinsehen erkannte sie die Frau. Es war die junge Frau Lummerich, die ihren Ehemann so hintergangen hatte. War das bereits ein Brief seiner Anwälte, wie von ihm im Zorn angekündigt? Dann hatte er sich aber wirklich sehr beeilt, und die Anwälte hatten auch direkt reagiert.

      Bettina überlegte, was sie tun sollte.

      Das Weinen einfach ignorieren und weitergehen? Schließlich hatte sich die Frau alles selbst zuzuschreiben, sie war an ihrem Elend selbst schuld.

      Aber Bettina hatte ein viel zu mitfühlendes Herz, um über alles einfach so hinwegzugehen. Sie kannte die Frau zwar nicht persönlich, aber das tat jetzt nichts zur Sache.

      Entschlossen ging sie zu ihr, blieb vor der Bank stehen.

      »Hallo, Frau Lummerich«, sagte sie, schließlich wusste sie ja, wer die Frau war. »Kann ich Ihnen helfen?«

      Die Frau blickte auf.

      »Wer sind Sie denn?«, wollte sie wissen. Das war eine berechtigte Frage.

      »Ich bin Bettina Fahrenbach, die Besitzerin des Fahrenbach-Hofes«, stellte sie sich vor. »Wir sind uns bisher nur einmal flüchtig begegnet.« Sie sagte ihr nicht, bei welcher Gelegenheit, nämlich bei dem dramatischen Abgang des Herrn Lummerich.

      Frau Lummerich konnte sich nicht erinnern, aber sie war auch nur auf ihren Mann fixiert gewesen und hatte sich um sonst nichts gekümmert.

      »Also, wenn ich etwas für Sie tun kann«, versuchte Bettina es nochmals.

      Die Frau zerknüllte ärgerlich den Brief.

      »Mir kann niemand helfen, ich muss mich fügen, sonst bekomme ich gar nichts, so soll ich mit einem lächerlichen Betrag abgespeist werden. Das ist eine solche Unverschämtheit, ich war immerhin mehr als drei Jahre verheiratet.«

      »Nicht gerade lange«, bemerkte Bettina.

      »Pah, seien Sie das mal mit einem alten Mann, das kommt Ihnen wie eine Ewigkeit vor, keine Party mehr, kein Vergnügen, nur die Gesellschaft seiner ebenfalls alten Freunde, so was ist Horror.«

      »Aber es hat Sie doch niemand gezwungen, diesen Mann zu heiraten. Warum haben Sie es getan? Er war bei der Eheschließung auch nicht mehr der Jüngste.«

      »Weil er nett ist und mir ein komfortables Leben geboten hat. Ich musste nicht mehr arbeiten und konnte mir kaufen was ich wollte.«

      Bettina schauderte es!

      Das waren Gründe um jemanden zu heiraten?

      »Wenn Ihnen das alles so wichtig ist, Frau Lummerich, dann sollten Sie nochmals mit Ihrem Mann reden. Allerdings werde ich nicht so richtig schlau aus Ihrem Reden. Einerseits finden Sie das Leben an seiner Seite … gruselig, andererseits wollen Sie es behalten.«

      »Ja, weil es schön ist, ohne finanzielle Probleme leben zu können. Wenn man arbeitet, da hat man streckenweise Chefs mit denen man es auch nicht kann, die alt und unausstehlich sind. Da muss man auch durchhalten. Dann doch lieber bei meinem Mann, der hat nette Seiten. Aber darüber muss ich mir jetzt eh keine Gedanken mehr machen. Der Anwalt schreibt, dass all meine Sachen bereits aus der Villa transportiert wurden in eine kleine Zweizimmerwohnung in einem der Häuser meines Mannes. Dort kann ich, solange die Scheidung noch nicht durch ist, wohnen. Danach muss ich eben Miete bezahlen oder ausziehen … Ich habe damals einen Ehevertrag unterschrieben und ihn mir nicht genau durchgelesen. Es ist wohl so, dass wir Gütertrennung vereinbart haben, er hat seins, ich hab’ meines. Im Klartext bedeutet das …, er hat alles, ich hab’ nix …, das ist schreiend ungerecht.«

      Wieder begann sie zu weinen.

      Bettina blieb eine Weile ratlos stehen, dann versuchte sie die Frau nochmals anzusprechen, doch als die nicht reagierte, sagte sie nur noch: »Ich lass Sie jetzt allein. Wenn Sie reden wollen, dann sagen Sie einfach der Frau Dunkel Bescheid, die kennen Sie ja.«

      Dann ging sie und war sich nicht einmal sicher, ob Frau Lummerich das überhaupt bemerkt hatte. Die weinte herzzerreißend um ihr komfortables Leben, das nun auf immer verschwunden war.

      Wäre sie eine ältere Frau, die auf dem Arbeitsmarkt keine Chance hätte, einen Job zu finden, dann wäre Bettina jetzt voller Mitleid, trotz allem.

      Aber diese Frau war jung, konnte arbeiten. Außerdem sah sie fantastisch aus, das musste man neidlos zugeben. Die würde schon wieder ein neues Opfer mit viel Geld finden. Solche Frau Lummerichs oder wie sie auch immer hießen, fielen immer wieder auf die Füße, weil die in gewisser Weise skrupellos waren und nur auf ihren Vorteil bedacht waren.

      So, und jetzt genug davon.

      An diese Dame musste sie keine Gedanken mehr verschwenden, da gab es wirklich andere Dinge, um die sie sich jetzt kümmern musste.

      Die Reise nach London stand an, morgen würden sie fliegen, und danach …

      Am liebsten hätte sie ihr Glück laut herausgeschrien, denn danach gab es etwas, was durch nichts mehr zu toppen war, ihre Hochzeit, der größte, der schönste Tag ihres Lebens.

      Und dann …

      Bettina blickte auf den schlichten Ring an ihrem linken Ringfinger.

      Dieser Ring würde dann von der linken Hand auf die rechte wandern, und jeder konnte sehen, dass sie eine verheiratete Frau war, eine glückliche dazu. Das allerdings konnte man nicht vom Ring ablesen, wohl aber von ihrem glücklichen Gesichtsausdruck, den sie niemals mehr verlieren würde, dachte sie zumindest in diesem Moment. Wenn man, so wie sie jetzt, auf der Wolke des Glücks schwebte, konnte man sich nicht vorstellen, dass es auch einen grauen Alltag geben konnte.

      Egal, was auch immer kommen würde, gemeinsam waren sie stark, gemeinsam würden sie alles schaffen, schafften es auch jetzt schon.

      Bettina hüpfte über den Hof und murmelte glücklich vor sich hin: »Ich liebe ihn, ich liebe ihn, ich liebe ihn …«

      Zum Glück befand sich nur die weinende Frau Lummerich am anderen Ende des Hofes. Wenn nämlich jemand sie beobachtet hätte, der hätte glauben müssen, sie habe den Verstand verloren, weil eine Frau in ihrem Alter sich einfach nicht so gebärdete.

      Ach, die Leute hatten doch überhaupt keine Ahnung, aber die kannten ja auch nicht ihren Tom, den tollsten, den wunderbarsten, den zärtlichsten, den liebevollsten Mann auf der ganzen Erde.

      Und sie …, sie würde ihn heiraten, endlich, endlich, endlich …

      *

      Bettina hatte das Gefühl, nicht in ihrem Haus zu sein, sondern in einer Telefonzentrale zu sitzen, weil unaufhörlich das Telefon klingelte. Fast schien es, als hätten sich alle verabredet, mal kurz bei ihr anzurufen. Da es aber alles Menschen waren, die ihr nahe standen, blieb es nicht bei einem kurzen Telefonat. Das wollte sie auch überhaupt nicht, denn selbst wenn sie alle Anrufer in kürzester Zeit bei ihrer Hochzeit wiedersehen würde, so ganz ohne dieses wie geht es dir?, was machst du?, und so fort ging es halt nicht.

      Der erste Anrufer war Holger gewesen, total im Stress, denn nicht nur die Hochzeit stand an, sondern auch der Umzug der Familie

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