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      Yvonne wurde rot.

      Sie wusste vor lauter Verlegenheit nicht, was sie dazu sagen sollte, weil es nämlich stimmte und sie deswegen auch ein bisschen betroffen machte.

      »Ich …, äh …«, begann sie zu stammeln, aber Leni half ihr aus der Verlegenheit.

      »Willst du dich nicht setzen? Kann ich dir was anbieten?«, wollte sie wissen.

      Yvonne schüttelte den Kopf, aber immerhin setzte sie sich.

      Bettina wollte aufstehen, die beiden Frauen allein lassen, auch wenn das Verhältnis zwischen Leni und Yvonne noch immer ein bisschen unterkühlt war, hoffte sie, dass jedes Beisammensein die beiden einander näherbringen konnte. Und daher konnte bei solchen Begegnungen ein Dritter nur stören.

      Leni sah das wohl anders.

      »Kannst ruhig bleiben«, forderte sie Bettina auf, »so oft trefft ihr ja nun auch nicht zusammen.« Und das stimmte auch. Seit die kleine Bettina in ihrem Leben war, hatten Yvonne und Markus sich ziemlich abgekapselt.

      Für einen Augenblick herrschte Schweigen, bis es schließlich Yvonne war, die es brach.

      »Markus hat eine Einladung zur Hochzeit eines alten Studienfreundes bekommen, zu dem er noch immer engen Kontakt hat, auch wenn sie sich nicht mehr oft sehen … Er möchte auf jeden Fall zu dieser Hochzeit fahren, und ich …, ich möchte ihn begleiten.«

      Bettina und Leni glaubten, sich verhört zu haben.

      Yvonne wollte mit ihrem Mann verreisen?

      »Und Bettinchen?«, rief Leni, die sich nur schlecht vorstellen konnte, dass Yvonne die Kleine zu einem solchen Fest mitnehmen würde. Die war ja so achtsam mit dem Kind, beinahe ängstlich, dass sie schon fürchtete, das Brummen eines Insekts könnte die Kleine stören. Ein lautes, fröhliches Hochzeitsfest …, unvorstellbar!

      »Deswegen bin ich hier … Ich wollte fragen, ob Arno und du …, ob ihr die Kleine vielleicht für zwei Tage nehmen könnt.«

      Nach diesen Worten war es so still, dass man das Fallen einer Stecknadel hätte hören können.

      Bettina starrte zu Yvonne.

      Leni tat es mit weit aufgerissenen Augen ebenfalls.

      Was hatte Yvonne da gesagt?

      Bislang war es so gewesen, dass Leni, eigentlich jeder, um Audienz hatten bitten müssen, wenn sie die Kleine hatten sehen wollen.

      Und nun wollte Yvonne sie für zwei Tage hergeben?

      Ein Bombeneinschlag hätte nicht erschütternder sein können, es hatte Bettina und Leni ganz einfach die Sprache verschlagen.

      Yvonne interpretierte das Schweigen der beiden Frauen allerdings vollkommen anders.

      »Wenn es …, wenn es zu viel wird …, ich kann es verstehen«, sagte sie aus ihren Gedanken heraus.

      Jetzt erwachte Leni aus ihrer Erstarrung.

      »Zu viel? Bist du verrückt? Ich kann es kaum glauben, natürlich nehme ich Bettinchen … Sie hat doch die erste Zeit ihres Lebens auch bei Arno und mir verbracht, nachdem Veronika die Kleine der Bettina vor die Tür gelegt hatte … Aber sag mal, Yvonne, wie kommt es, dass du die Kleine auf einmal anderen Leuten überlassen willst?«

      Wieder wurde Yvonne rot.

      »Du bist nicht andere Leute …, du bist meine Mutter, und ich weiß, dass du die Kleine wie deinen Augapfel hüten wirst … Ich habe mir das zu Herzen genommen, was Linde mir mehr als einmal an den Kopf geknallt hat und was du«, sie wandte sich an Bettina, »mir auch gesagt hast … Ich darf mich nicht nur auf die Kleine fixieren, sondern ich soll auch daran denken, dass es in meinem Leben einen Ehemann gibt. Markus ist sehr großzügig, und er hat sehr, sehr viel Geduld mit mir, aber ich darf die nicht übermäßig strapazieren … Ich hab’ ja gesehen, wie sehr er sich gefreut hat, als ich ja sagte …, und es stimmt auch, dass ich Bettina nicht nur auf mich fixieren darf. Das ist egoistisch, damit tue ich ihr keinen Gefallen. Es gab da vorgestern so ein Schlüsselerlebnis … Linde und ich waren mit den Kleinen zum Kinderturnen, und während Amalia und Frederic munter alles mitmachten, andere Kinder schubsten, sich nicht die Butter vom Brot nehmen ließen, klebte Bettina an mir und fing an zu brüllen, wenn ich auch nur einen Schritt von ihrer Seite wich … Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Alles, was ich während meiner Tätigkeit als Kinderärztin den überbesorgten Müttern gepredigt habe, habe auch ich falsch gemacht.«

      »Einsicht ist der Weg zur Besserung«, sagte Bettina, »ich freue mich wirklich sehr, dass du endlich einsichtig geworden bist. Und ich freue mich, dass du wieder was mit Markus unternehmen willst.«

      Leni sagte noch immer nichts.

      Ihr rollten Tränen über das Gesicht.

      »Leni, warum weinst du denn?«, erkundigte Bettina sich alarmiert.

      Es dauerte eine Weile, bis Leni etwas sagen konnte.

      »Weil ich mein Glück noch immer nicht fassen kann … Ich darf Bettinchen für zwei Tage … Sie darf … Oh, mein Gott …«, wieder brach sie ab. Sie war emotional vollkommen erschüttert.

      Bettina sprang auf, ging um den Tisch herum und nahm die so sichtlich bewegte Leni in die Arme, etwas, was eigentlich Yvonne hätte tun müssen, aber die saß stocksteif auf ihrem Stuhl. Nun, auch wenn Leni ihre leibliche Mutter war, waren die Bindungen an ihre verstorbenen Adoptiveltern einfach noch enger. Aber im Laufe der Zeit würde sie sich besinnen, ein erster Schritt in die richtige Richtung war getan – sie wollte ihrer leiblichen Mutter ihren Augapfel, die kleine Bettina, anvertrauen, und das war schon ungeheuer viel.

      Leni beruhigte sich nach einer Weile wieder, was Bettina zum Anlass nahm, zu gehen.

      *

      Bettina hatte sich gerade einen Stapel Bücher gekauft, die sie zwar in der nächsten Zeit ganz bestimmt nicht lesen würde, aber irgendwann würde sie es bestimmt tun. Sie hatte dem netten Herrn Arnold, ihrem Buchhändler, einfach nicht absagen können, der eifrig das für sie gesammelt hatte, wovon er glaubte, es könne sie interessieren.

      Und das war auch der Fall gewesen. Er kannte ihren Buchgeschmack so genau, dass sie gerade mal ein einziges Buch aussortiert hatte, von dem sie wusste, dass das Thema sie nicht interessieren würde. Alles andere war perfekt, und sie freute sich schon auf kuschelige Herbst- und Wintertage, die sie mit ihrem Tom, gemütlich lesend, in ihrer Bibliothek verbringen würde.

      Welch ein Glück, dass auch Tom gern las, dass auch er Abende vor dem Kamin liebte.

      Natürlich hatte sie nicht nur für sich Bücher gekauft, sondern auch für Thomas und natürlich Amalia und Frederic, die schließlich ihre Patenkinder waren. Und die kleine Marie durfte auch nicht benachteiligt werden.

      Es gab aber auch zu schöne Bilderbücher für die Kleinen, da konnte man ganz einfach nicht widerstehen.

      Bettina freute sich jetzt schon darauf, für ihre eigenen Kinder Bücher zu kaufen, denn dass sie, umgeben von vielen Büchern, aufwachsen würden, das stand jetzt schon fest.

      Eigentlich hatte sie Lindes Kindern die Bücher erst am Abend mitnehmen wollen, weil sie dann zusammen mit Tom eh im Gasthof sein würde. Aber da würde sie die Freude der Kleinen nicht miterleben, wie die jauchzend auf den dicken bunten Büchern herumpatschen würden, weil sie dann schliefen.

      Kurz entschlossen bog sie auf den Marktplatz ein, parkte direkt vor dem Gasthof, nahm die Tüte mit den Bilderbüchern in die Hand und stieg aus dem Auto.

      Linde hatte ihre Ankunft bemerkt und kam ihr bereits entgegen.

      »Und …, was gibst du mir dafür?«, erkundigte sie sich ohne jede Begrüßung.

      Irritiert blickte Bettina ihre Freundin an.

      »Wofür? Was meinst du?«

      »Na, Yvonne …«, in Lindes Stimme klang leichte Ungeduld, weil Bettina so schwer von Begriff war.

      »Was

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