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hatte sie es, um nur ja keinen Anruf zu verpassen, mit ans Bett genommen. Doch diese Zeiten waren vorbei. Sie musste auf nichts mehr warten, denn sie hatte das Glück stets an ihrer Seite.

      Dass sie das Klingeln jetzt gehört hatte, war reiner Zufall.

      Wer mochte um diese Zeit anrufen?

      War etwas passiert?

      Thomas schlief tief und fest, sie beeilte sich, aus dem Bett zu kommen, dann eilte sie aus dem Schlafzimmer, die Treppe hinunter.

      Der Anrufer war sehr beharrlich. Es dauerte eine Weile, ehe sie unten war, ein anderer hätte schon längst aufgelegt und es am nächsten Morgen erneut versucht.

      Sie griff zum Telefon und meldete sich.

      Es war ihre Schwester Grit.

      »Na endlich …«, sagte sie, »hat ja Ewigkeiten gedauert, bis du ans Telefon gegangen bist.«

      Schon nach den ersten beiden Worten hatte Bettina erkannt, dass sie getrunken hatte, und das nicht zu knapp.

      »Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«, erkundigte sie sich.

      Darauf antwortete Grit nicht.

      »Ich bin so unglücklich«, lallte sie, »Robertino ist weg.«

      Sei doch froh, hätte Bettina am liebsten gesagt, doch das sprach sie lieber nicht aus, sie wusste aus der Vergangenheit, wie ihre Schwester reagieren konnte, nämlich durch abruptes wütendes Auflegen des Telefonhörers. Und danach war dann wochenlanges Schweigen angesagt. Das wollte Bettina einfach nicht riskieren. Seit Grit wieder mit diesem italienischen Saucenkellner zusammen war, war das Verhältnis zwischen ihnen wieder merklich abgekühlt, dass sie sich ganz verlieren würden, wollte sie nicht riskieren.

      »Wie weg?«, erkundigte sie sich deswegen nur.

      Grit begann unkontrolliert zu weinen, was Bettina ein wenig an das Geheule eines Koyoten erinnerte.

      »Er hat … ein paar Sachen gepackt und ist in … ein Hotel gezogen«, schluchzte sie schließlich.

      Natürlich in ein Luxushotel, dachte Bettina, und er würde frech die Rechnung mit einer von Grits Kreditkarten bezahlen.

      »Und warum?«, fragte Bettina.

      »Wir hatten … Streit … Er will nicht, dass ich …, dass ich …« Sie brach ihren Satz ab, weinte erneut.

      Bettina wartete einen Moment, aber das Weinen hörte nicht auf.

      »Grit, was will er nicht?«, erkundigte sie sich, und sie musste diese Frage dreimal wiederholen, ehe sie eine Antwort bekam.

      »Er will nicht, dass ich Niels und Merit treffe, ich soll mich zwischen ihnen und ihm entscheiden … Bettina, das kann ich doch nicht. Es sind meine Kinder, und wenn Holger mit der Familie wieder nach Deutschland zieht, dann ist es doch normal, wenn ich als ihre Mutter sie auch mal sehen will. Ich leide ohnehin darunter, dass sie durch meine Schuld bei ihrem Vater leben … Was soll ich denn jetzt machen, Bettina?«

      Ihn zum Teufel jagen, hätte die am liebsten gesagt, schluckte aber auch das herunter.

      »Grit, du kannst deine Kinder nicht aufgeben, wenn dieser Mann dich vor eine solche Alternative stellt, dann gibt es nur eines – du musst dich für deine Kinder entscheiden, was denn sonst?«

      Wieder ein Aufheuler.

      »Aber ich liebe ihn«, schluchzte sie, »ich kann doch ohne ihn nicht leben …, und er …, er liebt mich auch …, er versucht halt nur Druck zu machen …, damit ich …«

      Stille.

      Nach einer Weile erkundigte Bettina sich vorsichtig.

      »Grit, bist du noch da?«

      Sie war es, hatte sich offensichtlich noch etwas zu trinken eingeschenkt, ganz bestimmt kein Wasser.

      »Ja«, war die Antwort.

      »Grit, ein Mann, der eine Frau wirklich liebt«, sie hielt es wissentlich ganz allgemein, damit sie nicht auflegte, »der stellt die Geliebte nicht vor eine solche Alternative, die herzlos und egoistisch ist … Hast du schon mal darüber nachgedacht, ihn zu verlassen? In der Zeit, in der du nicht mit ihm zusammen warst, da befandest du dich in einer wesentlich besseren seelischen Verfassung.«

      »Ich weiß, dass du Robertino nicht leiden kannst, aber er hat auch seine guten Seiten.«

      Jetzt konnte Bettina nicht anders, jetzt musste es heraus, sonst würde sie ersticken.

      »Ach …, und welche?«

      »Er …, er … ist leidenschaftlich, ein fantastischer Liebhaber. Er …, er …«

      Sie brach ab, mehr fiel ihr wohl nicht ein, aber da war auch nichts, und einen fantastischen Liebhaber konnte Grit auch haben, wenn sie sich einen Callboy nahm, der kostete weniger als dieser Schmarotzer Roberto, genannt Robertino, der ihrer Schwester nichts weiter als Stress machte.

      Bettina hatte einen unbändigen Zorn auf diesen Menschen, den sie am liebsten in die Wüste geschickt hätte. Ach, wenn sich doch bloß wieder eine noch reichere Frau fände, die ihm ein noch schöneres Leben böte. Einmal hatte es ja schon geklappt, aber diese Frau hatte beizeiten seinen wahren Charakter erkannt und ihn dorthin geschickt wohin Bettina ihn wünschte …, nämlich in die Wüste.

      Und dann hatte dieser Mensch doch wahrhaftig die Dreistigkeit besessen, wieder bei Grit aufzutauchen, der er fast das Herz gebrochen, für den sie Mann und Kinder verlassen hatte. Und ihre Schwester, dieses dumme Suppenhuhn, hatte ihn mit offenen Armen wieder aufgenommen. Welch verfahrene Kiste!

      »Grit, schieß ihn in den Wind«, sagte sie, ohne Rücksicht auf Ver­luste, »bei dem kriegst du kein Bein auf die Erde, du machst dir nur die Nerven kaputt und vertrödelst deine besten Jahre.«

      »Sag das nicht, er macht mich glücklich«, schrie Grit ins Telefon, das machte sie immer, wenn sie wusste, dass sie im Unrecht war.

      Bettina atmete tief durch.

      »Grit, ich will dir mal was sagen, und leg jetzt bitte nicht auf«, warnte sie ihre Schwester vor, »sonst bin ich nämlich höllisch sauer … Er macht dich nicht glücklich, er macht dich, ganz im Gegenteil, unglücklich. Wenn du glücklich wärst, dann würdest du mich nicht mitten in der Nacht anrufen, wärest kreuzunglücklich und würdest weinen«, sie zögerte einen Moment, dann sprach sie auch das aus. »Und, Grit, du würdest dich nicht betrinken.«

      Es war still.

      Hatte Grit aufgelegt?

      Nein, es kam stoßweises Atmen durch die Leitung, dann ein klägliches: »Ich bin … nicht … betrunken.«

      Das machte Bettina wütend.

      »Hör auf, dir was vorzumachen, Grit«, rief sie, »du hast ganz schön getankt … Heute, damals, als du mit ihm zusammen warst und ganz schlimm, nachdem er dich verlassen hatte … Hast du vergessen, dass du im volltrunkenen Zustand Auto gefahren und mir hier wie ein nasser Sack in die Arme gefallen bist? Grit, bitte, bitte, bringe dich wegen dieses Mannes nicht wieder in eine solche Situation. Er ist es nicht wert … Wenn er sich eine Auszeit nimmt und ins Hotel geht, nimm dir auch eine, komme schon jetzt auf den Hof, du kannst bei mir im Haus wohnen, im Gesindehaus oder dem kleinen Häuschen, das ich für Christina hergerichtet hatte, die ja leider verstorben ist, ehe sie dort einziehen konnte … Du kommst ja ohnehin zu meiner Hochzeit her, dann kommst du eben ein paar Tage früher.«

      Überdachte Grit ihre Worte oder war sie eingeschlafen? Es kam nämlich keine Antwort.

      »Grit …«, erkundigte Bettina sich, »Grit …, bist du noch da?«

      »Ja, ja …, es …, nun …«, diesmal ließ nicht der Alkohol sie stammeln, sondern es war ihr peinlich, es Bettina sagen zu müssen. »Es …, nun, es geht nicht. Du willst ja nicht, dass Robertino an den Feierlichkeiten teilnimmt, deswegen wird er mich begleiten und im Parkhotel in Bad Helmbach auf mich warten … Er hat nichts dagegen, dass ich am Trauungszeremoniell teilnehme, an der anschließenden

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