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      Ach, das meinte Linde.

      »Ja, es hat mich auch erstaunt, aber es freut mich ungemein für Leni.«

      »Mich auch, die Gute ist noch immer vollkommen durcheinander, weil sie ihr Glück nicht fassen kann. Aber das Yvonne so sehr über ihren Schatten gesprungen war, das freut mich ebenfalls sehr.«

      »Nun, dahin hast du sie schließlich gedrängt.«

      Linde nickte.

      »Und darauf bin ich stolz. Ich bin glücklich darüber, dass es bei ihr endlich klick gemacht hat. So wäre es auch nicht weiter gegangen. Du hättest mal sehen sollen, was für ein Theater die kleine Bettina gemacht hat, als Yvonne sich ein paar Zentimeter von ihr entfernte … Sie hat wie am Spieß geschrien.«

      »Das hat Yvonne uns erzählt.«

      »Nein«, rief Linde, »das glaube ich nicht. Was ist da geschehen? Jemand muss ihr vom Wasser der Erkenntnis was in den Kaffee geschüttet haben.«

      »Nein, es war kein Hokuspokus, Yvonne ist schließlich nicht blöd, sie hat selbst die Reißleine gezogen, aber lass uns nun nicht mehr länger darüber reden. Hoffentlich hält es an. Wo sind denn meine beiden kleinen Lieblinge? Ich habe ihnen neue Bücher mitgebracht.«

      »Na klar, sie haben ja auch noch keine«, bemerkte Linde lachend, »ich muss bald ein neues Bücherregal kaufen, wenn das so weitergeht. Du hast Pech, Cilly Herzog hat sie abgeholt und geht mit ihnen spazieren. Wer weiß, vielleicht hat sie ja demnächst auch mal eine Chance, mit der kleinen Bettina wenigstens mal spazieren gehen zu dürfen. Schließlich ist sie Markus’ Tante.«

      Bettina hatte überhaupt nicht richtig zugehört. Sie war so enttäuscht, die Kleinen nicht sehen, sich an ihrer Freude nicht ergötzen zu können.

      »Nun mach’ nicht so ein Gesicht«, sagte Linde. »Ich find’ es gut, dass sie nicht da sind, da kann ich mich wenigstens ungestört mit dir unterhalten. Es gibt nämlich Neuigkeiten … Setzen wir uns an den Stammtisch? Draußen auf der Terrasse ist es im Moment zu laut und zu voll … Was willst du denn trinken?«

      »Ein Wasser«, antwortete Bettina, und während Linde zur Theke ging, um Getränke zu holen, setzte Bettina sich an den Stammtisch auf ihren Platz.

      Wenig später war Linde wieder da, sie hatte auch für sich nur ein Wasser mitgebracht, dafür hielt sie allerdings in der anderen Hand einen dicken Umschlag.

      »Angebote eines Maklers«, sagte sie, »Traumhäuser sag ich dir, die allerdings für meine Bedürfnisse nicht unbedingt in Frage kommen, aber eines ist dabei, das könnte mir schon gefallen, und dazu möchte ich gern deine Meinung hören.«

      Bettina schluckte.

      Seit sie wusste, dass Linde sich mit den Kindern für ein paar Jahre nach Portugal zurückziehen wollte, hatte sie tapfer alle Gedanken daran unterdrückt. Nun wurde sie mit aller Macht mit dieser Tatsache konfrontiert, und das legte sich ihr ganz schön auf’s Gemüt, so sehr, dass sie sich die Angebote am liebsten überhaupt nicht angesehen hätte. Aber das ging natürlich auch nicht.

      Linde holte aus dem Umschlag einen Packen Exposés hervor, legte einige davon achtlos beiseite, dann schob sie Bettina ein Exposé über den Tisch.

      Die trank erst mal umständlich ein wenig von ihrem Wasser, schob langsam das Glas beiseite, ehe sie mit spitzen Fingern nach den zwei zusammengehefteten Blättern griff.

      »Das ist ja ein Reihenhaus mitten in einer Stadt«, sagte sie nach flüchtigem Betrachten.

      »Ja«, antwortete Linde, »das ist in Evora, der Hauptstadt vom Alentejo, von der Unesco zum Weltkulturgut erklärt.«

      »Da warst du mit Martin, ich kann mich an eine Ansichtskarte mit ähnlichen Häusern und einem ähnlichen Brunnen erinnern … Willst du deswegen dorthin?«

      Linde winkte ab.

      »Ich hab’ mich überhaupt noch nicht entschieden, das Haus gefällt mir ganz einfach, und ebenso finde ich den Gedanken gut, dort vielleicht hinzugehen. Evora ist ungefähr hundertfünfzig Kilometer von Lissabon entfernt und ungefähr hundert Kilometer von der Granze Caia, also ziemlich zentral gelegen. Es ist dort wunderschön, es gibt viele Paläste, Kirchen und Klöster und eine ungeheure Vielfalt von Stilen, Romanisch, Gotisch, Renaissance, Barock … In 1559 gründete Prinz Kardinal Heinrich die Universität Espirito Santo, die Jahrhunderte lang den Jesuiten unterstand, aber seit 1979 eine moderne, staatliche Bildungsanstalt ist. Der römische Tempel mit seinen korintischen Säulen aus dem zweiten, dritten Jahrhundert nach Christus ist …«

      Bettina unterbrach ihre Freundin.

      »Stop, Linde, ich habe keine Reise dorthin geplant, und du musst es mir nicht schönreden. Ich bin jetzt ein bisschen irritiert. Du wolltest doch eigentlich immer an die Küste oder immerhin in die Nähe des Wassers. Dieses Haus sieht schön aus und sehr freundlich mit seinen doppelflügeligen Fenstern, den schmiedeeisernen Ballustraden und den bemalten Kacheln und das Weiß und sanfte Gelb des Anstrichs machen einen einladenden Eindruck. Aber das Haus ist nicht so breit und hat drei Stockwerke … Deine Kinder sind klein, denkst du auch an die vielen Stufen? Ein Fahrstuhl wird da bestimmt nicht eingebaut sein.«

      Bettina schob die Blätter beiseite, ohne alles durchgelesen zu haben.

      Sie griff wieder nach ihrem Glas, diesmal so hastig, dass sie etwas von dem Wasser verschüttete. Rasch zog sie ein Papiertaschentuch aus der Tasche ihrer Jeans und tupfte die Tropfen weg.

      »Was ist los, Bettina«, erkundigte Linde sich, »was ist dein Problem? Dass ich mit den Kindern nach Portugal gehen will, um mir eine Auszeit zu nehmen?«

      Mit diesen Worten hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen, Bettina widersprach überhaupt nicht.

      »Das ist vermutlich ein Problem, aber ich finde, ganz ehrlich, ein solches Haus eher geeignet für ein Paar, oder eine Familie mit größeren Kindern, nicht für eine alleinstehende junge Frau mit zwei kleinen Dötzen.«

      »Die Kinder werden größer«, entgegnete Linde, »und hier habe ich sie auch eine Treppe hochzuschleppen … Ich könnte es so einrichten, dass ich auch dort nicht höher steigen müsste.«

      »Und die Etagen darüber?«, erkundigte Bettina sich.

      »Das könnten meine Gästezimmer werden«, lachte Linde. »Ich würde zum Beispiel eine Etage ganz für dich allein und deinen Thomas reservieren.«

      Bettina sagte nichts dazu, deswegen ergriff Linde nach einer Weile wieder das Wort.

      »Weißt du, Bettina, es wohnen zwei Seelen in meiner Brust. Ich mag nicht daran denken, wie es ohne dich, meine anderen Freunde, ohne Fahrenbach und all seine Bewohner sein wird, die mich von Kindesbeinen an kennen. Ich werde auch meine Arbeit im Gasthof vermissen, aber wenn ich gehen will, dann jetzt. Später, wenn die Kinder erst einmal in der Schule sein werden, geht es nicht mehr, allenfalls in den Ferien, und danach, wenn sie das Haus verlassen, um zu studieren, eine Ausbildung anzufangen, dann bin ich in einem Alter, in dem man nicht mehr abenteuerlustig ist, da will man seine Ruhe haben.«

      »Deine Eltern sind im Alter auf die Kanaren gegangen, nachdem du den Gasthof übernommen hast, und dort gefällt es ihnen so gut, dass sie nicht einmal besuchsweise zurückkommen wollen. Und du, meine Liebe, du bist ein so aktiver Typ, da kann ich mir vorstellen, dass du noch mit achtzig zu einer Rundreise durch Alaska aufbrechen würdest.«

      Linde stand auf, holte eine neue Runde Wasser.

      »Kann alles sein, aber Portugal ist für mich auch wichtig, dass ich Martin nahe sein kann. Er ist zu plötzlich und unerwartet verstorben, und wir waren in Portugal einfach zu glücklich. Ich glaube, dort kann mein Herz zur Ruhe kommen … Martin und ich hatten den Traum, unseren Lebensabend dort zu verbringen. Von diesem Gedanken habe ich mich verabschiedet, ohne ihn möchte ich, wenn ich alt bin, nicht in Portugal, in überhaupt keinem anderen Land sein, dann möchte ich in Fahrenbach leben, da kenne ich mich aus und kann auch noch, selbst wenn ich nicht mehr so gut zu Fuß sein werde, ein Stückchen um den See laufen und seine unvergleichliche Schönheit

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