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sonst für Neuigkeiten jeder Art zu haben, schien das nicht weiter zu berühren.

      »Also hat er es doch wahr gemacht«, sagte sie, schnitt einen Faden ab, stellte die Maschine ab und schob das Kleid beiseite.

      »Wie …, was …, du warst doch gar nicht draußen?«, stammelte Bettina.

      »Musste ich auch nicht sein«, bemerkte Leni, »ich habe Akt eins und zwei des Dramas schon vorher mitbekommen. Und zudem hat Herr Lummerich mir vorher sein Herz ausgeschüttet … Ich bin froh, dass er es geschafft hat sie zu verlassen. Er ist ein feiner Kerl, und dieses Luder hat ihm übel mitgespielt. So was macht man einfach nicht.«

      Bettina wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Normalerweise solidarisierte Leni sich immer mit den Frauen, das war jetzt genau das Gegenteil.

      »Was ist passiert?«, wollte Bettina schließlich wissen.

      »Lummerich hat einen mittleren Druckereibetrieb, er ist aber ansonsten von Hause aus recht vermögend. Sein sehnlichster Wunsch war ein Kind, am liebsten einen Sohn, zu bekommen.«

      »Davon träumen wohl alle Männer«, bemerkte Bettina, aber dazu sagte Leni nichts.

      »Weil seine Frau keine Kinder kriegen konnte, hat er sie verlassen.«

      »Das macht ihn nicht sympathisch, so was tut ein Gentleman nicht.«

      »Kannst du mal mit dem Dazwischenreden aufhören, Bettina?«, beschwerte Leni sich.

      »Ja, ist ja schon gut, ich bin jetzt still.«

      »Sie war nämlich froh darum, weil sie einen anderen kennengelernt hat, mit dem sie jetzt glücklich ist … Der Herr Lummerich hat dieses junge Ding geheiratet, die hat ihm was vom Pferd erzählt von wegen Kinderliebe, einen ganzen Stall voller Kinder haben zu wollen. Er ist voll darauf abgefahren. Nur, es hat sich nichts getan. Sie wurde nicht schwanger, obschon die Ärzte sowohl ihm als auch ihr bescheinigt haben, dass einem Kindersegen nichts im Wege steht. Diese künstliche Befruchtung, die meine Yvonne auch wie eine Verrückte versucht hat … Ich hab’ den Namen vergessen …«

      »In vitro«, wandte Bettina ein.

      »Ja, richtig … Nun, davon wollte sie nichts wissen, sondern sie hielt ihn hin … Hier nun ist die Bombe hochgegangen …«, Leni machte eine Pause, »du glaubst nicht, was er zufällig erfahren hat.«

      »Dass sie gelogen hat, dass sie auch nicht schwanger werden kann.«

      Wieder winkte Leni ab.

      »Nö, nö, da hat sie nicht gelogen, sie könnte Kinder ohne Ende bekommen. Aber das will sie nicht. Sie findet Kinder grässlich und hat Angst, dass durch eine Schwangerschaft ihre Superfigur in Mitleidenschaft gezogen wird … Sie hat sich an den Guten nur herangemacht, weil er Kohle hat und ihr ein luxuriöses Leben bieten kann.«

      »Und das hat sie ihm jetzt gestanden, und er ist deswegen ausgerastet«, sagte Bettina.

      »Wieder falsch«, meinte Leni.

      Sie sollte es nicht so spannend machen, dachte Bettina und erkundigte sich deswegen ein wenig ungeduldig: »Wie ist er also dahintergekommen?«

      Leni grinste.

      »Sie war blöd genug, die Anti-Babypille offen herumliegen zu lassen, und die hat er gefunden … Da konnte sie sich nicht herausreden, das Indiz war zu eindeutig … Natürlich hat sie alle Register gezogen, ihm versprochen, die Pille jetzt wegzulassen, und fast schien es, als wolle er umkippen. Aber wenn er jetzt abgereist ist, dann hat er sich wohl doch besonnen … Na ja, er wird mich anrufen, und dann erfahre ich den Rest.«

      »Sie soll auf jeden Fall hierbleiben, bis er eine Entscheidung getroffen hat … Ehrlich, ich kann seine Wut verstehen. Es ist schon heftig, jemanden so zu hintergehen und ihm ein solches Theater vorzuspielen … Auf welche Ideen manche Frauen kommen. So was würde mir im Traum nicht einfallen.«

      »Du heiratest deinen Thomas auch aus Liebe. Wer aus materiellen Erwägungen heraus eine Ehe eingeht, hat andere Ziele und die versucht er durchzusetzen. Und ich finde, wenn ein großer Altersunterschied zwischen den Partnern besteht, muss man sich schon die Frage stellen, ob da Berechnung oder Liebe im Spiel ist, wenngleich …, wir haben hier auch schon andere Fälle erlebt, wo die ungleichen Partner sich wirklich geliebt haben, und unsere Inge mit ihrem jungen Ami, die sind auch nur aus Liebe zusammen … Hoffentlich geht das gut mit denen, ich würde es Inge wünschen, sie hat schon genug Krempel hinter sich.«

      »Ich glaube schon, dass es gut gehen wird, sie gehen sehr nett miteinander um, und eines ist ihm gelungen und gelingt ihm immer wieder – er kann sie zum Lachen bringen, und sie können gemeinsam lachen.«

      »Das ist wahr«, wandte Leni ein, »das ist schon die halbe Miete, aber schöner wäre es schon, sie bliebe hier und würde nicht mit ihm nach Amerika gehen … Ich weiß nicht, ob es richtig ist, alle Zelte abzubrechen, schon die Marlene Dietrich hat gesungen – ich hab’ noch einen Koffer in Berlin … Sie könnte für alle Fälle einen hier in Fahrenbach lassen, wenn ich an ihrer Stelle wäre.«

      »Das findet er aber nicht so prickelnd, weil er darin ein Zeichen mangelnden Vertrauens sieht, und irgendwie kann ich das verstehen.«

      »Mal andersherum, Bettina. Könntest du einfach so gehen? Angenommen mal, nicht Thomas hätte seine Zelte abgebrochen und wäre hierher zu uns gekommen, sondern er wäre in New York geblieben, und du hättest mit ihm nach Amerika gehen müssen. Wäre das so einfach gegangen?«

      Bettina wurde bei einem solchen Gedanken abwechselnd heiß und kalt.

      Hätte sie es gekonnt?

      Einfach zu gehen?

      Bettina wusste darauf keine Antwort, und sie wollte sich da auch nicht hinein vertiefen, weil sie tief in ihrem Inneren wusste, dass sie Fahrenbach, den Fahrenbach-Hof niemals verlassen hätte.

      »Ich muss dazu nichts sagen«, wich sie aus, »Tom ist hier, und hier werden wir leben …, bis das der Tod uns scheidet …«

      Sie begann zu frösteln, spürte in sich ein Gefühl tiefster Beklemmung, dabei war ihr doch nichts anderes in den Sinn gekommen als genau das, was glücklich liebende Paare nur trennen konnte, nämlich der Tod.

      Warum fühlte sie sich immer so unbehaglich, wenn ihr das in den Sinn kam?

      Sie wusste darauf keine Antwort.

      »Und damit hat es Zeit«, entgegnete Leni, »ihr beide seid jung und gesund … Außerdem habt ihr es verdient, viele Jahre glücklich miteinander zu sein, nach allem, was ihr schon hinter euch habt.«

      Bettina atmete erleichtert auf, Leni hatte recht. Wenn jemand ein Glück ohne Ende verdient hatte, dann sie und ihr Tom.

      Draußen wurde geklingelt, dann die Tür geöffnet, jemand kam herein, das konnte nur ein Mensch sein, der sich hier auskannte, priviligiert war, einfach hereinkommen zu dürfen.

      Vermutlich jemand vom Hof.

      »Bestimmt Babette«, vermutete Leni, »die ist im Augenblick ziemlich vergesslich und hat Maries Lieblingsteddy hier liegen lassen, und jetzt schreit das Kleinchen und will ohne den Teddy nicht schlafen.«

      Sie hatte sich geirrt, es war nicht Babette, sondern Lenis Tochter Yvonne.

      Yvonne sah gut aus, sie trug ein hübsches Kleid mit einem weitschwingenden Rock. Der sanfte Cremeton machte es sehr edel, und die kleinen Blümchen in abgestuften hellen Brauntönen sehr weiblich. Außerdem hatte Yvonne sich eine neue Frisur zugelegt, das kinnlange glatte Haar stand ihr sehr gut.

      Bettina und Leni hätten beinahe vergessen, Yvonnes freundlichen Gruß zu erwidern. Und das lag nicht daran, weil sie ausnehmend hübsch aussah, sondern weil sie allein gekommen war und nicht die kleine Bettina im Schlepp hatte wie sonst, seit die Kleine bei ihr und Markus war.

      »Ist Bettinchen krank?«, erkundigte Leni sich deswegen auch sofort.

      Irritiert blickte Yvonne ihre Mutter an.

      »Nein, wie kommst

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