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war, hatte Bettina beschlossen, Ursula auf ihrer Terrasse zu empfangen, und pünktlich wie ein Maurer kam sie auch, von Thomas nach draußen geführt, der sich aber sofort diskret wieder zurückzog.

      Ursula Mannebach hatte sich verändert, dachte Bettina, während sie ihren Gast freundlich begrüßte. Die Schwere war von ihr abgefallen, ebenso die Starre in ihrem Gesicht, das leicht gerötet war, sie wirkte im Gegensatz zu sonst lebhaft, und Bettina war ganz verwundert, als Ursula sie kurzerhand umarmte und sagte:

      »Schön, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben, ich weiß ja, wie sehr Sie beschäftigt sind, und das noch so kurz vor Ihrer Hochzeit.«

      »Für Sie habe ich immer Zeit«, bemerkte Bettina höflich, und nachdem sie Platz genommen hatte, servierte Bettina Tee, weil sie von Leni wusste, dass es ihr bevorzugtes Getränk war. Diese Aufmerksamkeit wusste ihre Besucherin auch sehr zu schätzen.

      Ursula trank genüsslich, stellte ihre Tasse wieder ab, dann schaute sie Bettina an.

      »Ich bin noch mal hergekommen, um mich bei Ihnen zu bedanken. Es grenzt fast an ein Wunder, aber durch Sonja habe ich meine Lebenskraft wiedergefunden, und auch meinem Mann geht es so viel besser, weil Sonja sich nicht nur für Pferde interessiert, sondern auch für den Betrieb. Sie stellt sehr kluge Fragen und hat erstaunlich gute Ideen für betriebliche Veränderungen, und das trotz ihrer Jugend …, sie, vielleicht halten Sie mich für verrückt, weil es ja ganz anders war, weil Sonja zu Ihnen kam und Sie es waren, die uns zusammengebracht hat. Aber in meinem Inneren bin ich überzeugt davon, dass unsere Melanie, wenn auch auf Umwegen, sie auf unseren Weg geschickt hat.«

      Es war unglaublich!

      Die Veränderung, die mit dieser Frau vonstatten gegangen war, war nicht zu beschreiben!

      Da spielte es keine Rolle, was sie glaubte. Entscheidend war, dass die junge Sonja sowohl ihr als auch ihrem Mann gut tat. Konnte es etwas Schöneres geben?

      »Ich freue mich für sie«, sagte Bettina einfach, »ich freue mich von ganzem Herzen.«

      »Mein Leben hat wieder einen Sinn. Ich besuche Sonja im Stall, sehe zu, wie sie reitet. Es war ein Glücksfall, dass Melanies alter Trainer sie angenommen hat. Sie hat fantastische Fortschritte gemacht. Und es ist ein Genuss, ihr zuzusehen, sie und Filou … Wenn ich ehrlich bin, dann passen Sonja und er besser zusammen, als es mit Melanie der Fall war. Sonja ist ausgeglichener, aber sie ist energischer, mit ihr kann Filou nicht die Spielchen treiben, die er manchmal mit Melanie gemacht hat. Der Trainer sagt, dass sie ein großes Potential hat und beim nächsten Turnier auf jeden Fall vorn mitreiten wird. Ist das nicht wunderbar?«

      »Ja, es hört sich großartig an, Frau Mannebach. Ich freue mich für Sonja, dass sie jetzt eine solche Chance bekommt. Aber ich freue mich auch für Sie. Sie haben sich verändert …, sehr zum Guten hin.«

      Sie nickte.

      »Ja, es geht aufwärts mit ihr, aber der Schmerz um Melanie tobt noch immer in mir. Ich kann jetzt aber auch wieder Freude zulassen, und das verdanke ich …, das verdanken wir Sonja.«

      Ursula Mannebach redete ohne Punkt und Komma, und Bettina kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.

      In kürzester Zeit war ein Wunder geschehen, aber so etwas war vermutlich auch nur möglich, wenn die Herzen der Menschen berührt wurden, und das war im Fall Mannebach und Sonja ganz eindeutig der Fall.

      Ursula erzählte von tiefgreifenden Gesprächen, um dann ohne Übergang wieder auf Filou und Sonjas Reitkünste zurückzukommen, und das war wohl ihre ganz besondere Passion, weil sie halt auch mit ihrer Tochter Melanie so viel Zeit im Reitstall, in der Halle oder auf Turnieren verbracht hatte.

      Bettina war auch eine ganz passable Reiterin, aber natürlich waren ihre Dressurleistungen eher mäßig. Aber vom Zusehen kannte sie einiges, und sie hatte sich auch vieles angelesen, weil es sie interessierte.

      Doch jetzt rauchte ihr der Kopf, weil Ursula mit Begriffen nur so um sich schmiss.

      Grand Prix Special …

      Natürlich wusste Bettina, dass das hohe Kunst des Dressurreitens war, aber dann verfolgte sie es nicht mehr, sondern ließ Ursulas begeisterte Worte nur noch an sich vorüberrauschen.

      Zweier-Wechsel …

      Wechsel Passage und Piaffe …

      Piaffe fast auf der Stelle …

      Galopp-Pirouetten …

      Und …, und …, und …

      Irgendwann hörte Ursula mit ihren Erklärungen auf.

      »Entschuldigung«, sagte sie, »aber ich bin so hingerissen, Sonja reitet auf höchstem Niveau, und es sollte mich nicht wundern, wenn sie zügig in den Championatskader berufen wird. Man ist schon aufmerksam geworden. Aber es ist ein Genuss, Ross und Reiterin zuzusehen, ein Schritt ist wie der andere, die Pirouetten sicher und gekonnt, die Passagen nach dem Einerwechsel fantastisch, der Mitteltrab wie geölt … Ach, Melanie hätte auch ihre Freude daran, und sie würde es Sonja nicht neiden, dass sie eine bessere Reiterin ist. Melanie stand über solchen Dingen, und Neid war ihr fremd.«

      Abrupt brach Ursula ab, starrte in ihren Tee, begann sinnlos darin herumzurühren.

      Bettina verhielt sich still. Sie wusste, dass Ursula nun wieder bei ihrer Tochter war und der Schmerz übermächtig in ihr brannte.

      Es war lange noch nicht vorbei, vermutlich würde es niemals aufhören, weil es nicht die Regel war, dass Kinder vor ihren Eltern starben.

      Und bei den Mannebachs war es ja von besonderer Tragik.

      Melanie war nicht gestorben, weil sie krank gewesen war. Nein, die war in falsche Gesellschaft geraten und ganz jämmerlich an einer Überdosis gestorben. Ein vollkommen sinnloser Tod!

      »Darf ich Ihnen noch etwas Tee einschenken, Frau Mannebach«, erkundigte Bettina sich, nachdem das Schweigen bedrückend geworden war.

      Ursula Mannebach richtete sich auf, starrte Bettina an. Die wollte ihre Frage schon wiederholen, als dann doch eine Antwort kam. Ihre Besucherin hatte sie schon verstanden.

      »Ja, gern«, sagte sie, »der Tee schmeckt köstlich …, aber danach breche ich auch wieder auf. Ich will noch einige Besorgungen machen, und danach bin ich mit meinem Mann zum Essen in Bad Helmbach im Parkhotel verabredet. Der Geschäftsführer dort scheint darauf zu bestehen, seine Lieferanten ab und zu zu sehen. Er hat seine Fleischbestellungen nach unserem letzten Besuch dort sofort erhöht und demzufolge vermutlich einen weiteren Fleischlieferanten ausgeschaltet … Na ja, ich werde es hinter mich bringen … Eine Herzensangelegenheit war für mich nochmals bei Ihnen vorbeizuschauen, um Ihnen nochmals zu danken und Sie zu informieren … Wenn richtig Ruhe in unser Leben eingekehrt sein wird, dann machen wir mal einen richtigen Urlaub auf dem Fahrenbach-Hof und lassen unsere Seele baumeln. Meinem Mann würde es auch guttun. Für weite Urlaubsreisen ist er nicht zu haben, weil er Angst hat, seine Firma könnte während seiner Abwesenheit zusammenbrechen. Was für ein Unsinn. Ich glaube, das schiebt er eh nur vor. Er will keine großen Reisen mehr machen, weil ihn das an die Ferien mit unserer Melanie erinnern würde. Aber, wer weiß, vielleicht fahren wir irgendwann mal mit Sonja weg. Die hat überhaupt noch nichts von der Welt gesehen. Doch das ist Zukunftsmusik. Hierherzukommen ist daher realistischer, und von hier aus könnte Rudi sein Imperium auch kontrollieren und eingreifen, falls erforderlich.«

      »Sie sind jederzeit herzlich willkommen«, sagte Bettina, »das wissen Sie. Und es würde mich auch sehr freuen, Ihren Mann bei uns als Gast begrüßen zu dürfen. Und falls dann auch Sonja bei Ihnen sein sollte …, das geht, wie Sie wissen, mit Pferd. Auch wenn es nicht so komfortabel ist wie in einem richtigen Turnierstall.«

      »Es hört sich alles wunderbar an«, sagte Ursula. »Aber jetzt haben wir genug über mich, meine Familie …, äh …, meinen Mann und Sonja geredet«, korrigierte sie sich sofort.

      »Reden wir über Sie. Der Termin Ihrer Hochzeit rückt immer näher. Sie können es doch ganz gewiss kaum mehr erwarten.«

      »Das ist wahr«, bestätigte Bettina, »dieser

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