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Tom, ich zerspringe fast vor Glück und kann es kaum erwarten. Und diesmal darf nichts dazwischenkommen. Niemand darf sterben wie die arme Christina, nichts darf abbrennen so wie das Standesamt. Jetzt darf es nur noch eitel Sonnenschein geben, keinen einzigen Zwischenfall mehr.«

      »Ich fürchte …«, sagte er, »dass dieser Wunsch nicht in Erfüllung gehen wird.«

      Sie wurde in seinen Armen stocksteif.

      »Was willst du damit sagen?«, ächzte sie. »Es darf nichts mehr passieren.«

      »Doch, und deswegen war ich auf dem Weg zu dir, um es dir sofort und persönlich zu sagen.«

      Am liebsten hätte sie sich jetzt die Ohren zugehalten, um es nicht hören zu müssen.

      Er sah, wie angespannt sie auf einmal war.

      »Es ist nichts Schlimmes«, sagte er beruhigend. »Nur schade …«

      Sie blickte zu ihm hoch.

      Schade?

      »Ich habe vorhin mit Nancy telefoniert. Sie kann leider nicht zu unserer Hochzeit kommen. Ihr wurde ein fantastisches Forschungsprojekt angetragen, auf das sie auch ganz scharf war. Es bedeutet allerdings, dass sie an dem Tag, an dem wir heiraten, schon auf einem Kahn irgendwo im Südchinesischen Meer sein muss.«

      »Wie schade«, rief Bettina, die Nancy wirklich gern bei ihrer Hochzeit dabei gehabt hätte, auch wenn das manche Leute nicht verstehen konnten, weil Thomas einmal mit Nancy verheiratet gewesen war. Aber diese Leute kannten nicht die ganze Wahrheit, die wussten nicht, dass es keine Liebesheirat gewesen war, sondern eine reine Zweckverbindung unter guten Freunden, und all diese Leute wussten ebenfalls nicht, dass Nancy es gewesen war, die sie beschworen hatte, sich wieder mit Thomas auszusöhnen. Sie hatte ihr erzählt, dass Thomas und sie sich kurz nach der Eheschließung wieder getrennt hatten und eigene Wege gegangen waren, und dafür war sie extra aus Amerika angereist.

      Auch wenn Nancy ihr gesagt hatte, dass sie, Bettina, immer nur die eine, die wahre Liebe von Thomas gewesen war, hatte es schließlich doch noch eine Weile gedauert, ehe sie ihren Widerstand aufgegeben hatte, auch deswegen, weil sie mittlerweile mit Jan van Dahlen liiert gewesen war.

      Aber gegen die Liebe kann man nicht ankämpfen. Doch verrückt war es schon. Sie und Thomas waren das, was man ein Traumpaar schlechthin nannte, sie waren Seelenpartner, und dennoch hatte es so viele Widerstände auf ihrem Weg gegeben. Erst hatte ihre Mutter, die selbstherrliche Carla, ihre Liebe zerstört. Wenn Bettina an all die einsamen Jahre zurückdachte, an ihren Schmerz, weil sie sich von Tom verraten geglaubt hatte.

      Nein, darüber wollte sie nicht mehr nachdenken!

      Aber dennoch …

      Warum hatte es denn danach nicht reibungslos verlaufen können? Warum hatte Christina von Orthen so unverhofft vor ihrer Hochzeit sterben müssen? Und warum hatte beim zweiten Versuch der Aktenkeller des Rathauses gebrannt und hatte auch das Standesamt in Mitleidenschaft gezogen?

      Sie glaubte nicht, dass der liebe Gott, dass eine höhere Macht ihre Hochzeit verhindern wollte.

      Warum aber geschah das alles?

      Und nun auch Nancys Absage. Gut, die würde die Hochzeit zum Glück nicht verhindern. Aber bedauerlich war es schon, denn Bettina hatte sich sehr auf Nancy gefreut.

      »Wir können Nancy allerdings sehen«, fuhr Thomas fort. »Sie hat einen Kurzaufenthalt in London, wo ihr eine große Ehre zuteil wird. Sie bekommt eine Urkunde, Medaille und ein recht beachtliches Preisgeld. Das allerdings ist für Nancy nicht das Wichtigste. Durch diese Ehrung ist dann ganz offiziell, dass Nancy zu den wichtigsten, anerkanntesten Meeresbiologen weltweit zählt. Sie hat es geschafft, ganz nach vorn an die Spitze zu kommen.«

      »Das ist fantastisch«, rief Bettina, und sie freute sich ehrlich für Nancy. Dann fuhr sie im neckenden Tonfall fort: »Du hast einen Fehler gemacht, sie zu verlassen, eine Berühmtheit gegen ein unbedeutendes Landei einzutauschen.«

      Er drückte ihr einen sanften Kuss auf die Stirn.

      »Und wenn Nancy den Nobelpreis bekäme, würde mich das nicht tangieren, ich wollte niemals eine andere als dich. Du bist die Erfüllung all meiner Träume.«

      Sie lehnte sich an ihn.

      »Ach, Tom, du findest immer so wunderbare Worte, manchmal kann ich mein Glück noch immer nicht fassen, manchmal glaube ich zu träumen.«

      »Träume sind immer gut«, sagte er galant, »an unserem Beispiel siehst du ja auch, dass man Träume leben kann.«

      »Ja, Tom, unser Leben ist ein Traum …, doch zurück zu Nancy«, besann sie sich. »Wie soll ein Treffen mit ihr denn vonstatten gehen?«

      »Nun, sie hat sich das folgendermaßen gedacht. Da gibt es zwei Optionen. Wir nehmen zusammen mit ihr an der ganzen offiziellen Geschichte, einschließlich des Galadinners teil oder wir machen den offiziellen Teil mit, und danach seilt Nancy sich ab, und wir verbringen ein paar schöne Stunden miteinander, die den Abend beinhalten, aber auch noch den nächsten Tag bis zum Mittagessen.«

      »Hört sich gut an«, sagte Bettina, »aber so kurz vor der Hochzeit noch auf einen Sprung nach London?«

      »Liebes, wo ist das Problem? England liegt nicht aus der Welt, es gibt täglich mehrere Verbindungen nach London, und für die Hochzeit sind alle Vorbereitungen doch längst getroffen. Alles ist perfekt geplant. Um dein Aussehen musst du dir keine Sorgen machen …, in deinem Kleid siehst du aus wie eine Märchenprinzessin, wie ein Wesen von einem anderen Stern.«

      Das hätte er jetzt nicht sagen dürfen, sie hatte es tapfer verdrängt.

      »Erinnere mich nicht daran«, rief sie entsetzt, »du hättest mich in dem Kleid nicht sehen dürfen, das war unmöglich.«

      Wie schon damals, als er sie zufällig gesehen hatte, lachte Thomas belustigt auf, gab ihr einen zärtlichen Nasenstüber.

      »Jetzt komm aber bitte nicht wieder mit diesem Aberglauben, dass es Unglück bringt, wenn der Bräutigam seine Braut vor der Hochzeit in Weiß sieht. Ich kann und will diesen Unsinn nicht hören …, ich bin auf jeden Fall froh, dass ich dich gesehen habe, unsere Leni würde jetzt sagen – Vorfreude ist die schönste Freude, dem kann ich nur beipflichten … Ich habe täglich dieses wundervolle Bild vor Augen und in meinem Herzen allemale … Also, genug davon. Was ist, besuchen wir ganz spontan die gute Nancy oder nicht? Sie wartet auf eine schnelle Nachricht, weil es da für sie auch noch einiges zu arrangieren gibt.«

      Bettinas Gedanken begannen fieberhaft zu kreisen.

      Was sollte sie tun?

      Ganz einfach mal spontan sein?

      Warum eigentlich nicht, außerdem würde sie Nancy wirklich gern treffen und sich auch noch mal bei ihr dafür bedanken, dass sie auf den Fahrenbach-Hof gekommen war, um sie und Tom wieder zusammenzubringen.

      Nancy war jemand, den sie gern in ihrem Leben behalten wollte, und sie konnte sich auch sehr gut vorstellen, sie sogar zur Patentante von einem ihrer Kinder zu machen.

      Halt!

      Stop!

      Diese Entscheidung stand jetzt nicht an. Es ging um etwas ganz, ganz einfaches.

      Ja oder Nein! Mehr musste sie für den Augenblick nicht sagen.

      »Ja«, sagte sie aus diesen Gedanken heraus.

      Mit einem so klaren, spontanen Ja hatte Thomas ganz offensichtlich nicht gerechnet.

      »Das heißt, dass wir ganz einfach so nach London fliegen werden, um Nancy zu treffen? Ohne weitere Diskussionen?«

      Sie begann zu kichern.

      »Mein Gott, ich muss ja ganz furchtbar sein, Tom. Zerrede ich immer alles?«

      »Nicht immer«, lachte nun auch er. »Aber manchmal schon, aber das haben die Fahrenbachs so an sich. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass auch dein Vater bei wichtigen Entscheidungen total spontan war, bei Nebensächlichkeiten oftmals das Für und Wider

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