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      »Das läßt sich auch ganz bestimmt machen.« Er küßte sie. »Im übrigen bin ich auch noch da. Obwohl ich mich auf die Gynäkologie spezialisiert habe, halte ich mich durchaus für fähig, notfalls eine Erkältung oder einen verstauchten Fuß zu behandeln.«

      »Ach, wirklich?« lachte Manon. »Da habe ich ja ein All-

      roundgenie geheiratet. Das ist gut zu wissen.«

      »Ja, in mir schlummern noch viele verborgene Talente«, spielte Dr. Daniel sich scherzhaft auf.

      »Was sind verborgene Talente, Papa?« wollte Tessa wissen, die sich während des Gesprächs zwischen ihren Eltern erstaunlich ruhig verhalten hatte.

      »Das sind Dinge, die man kann, ohne es zu wissen«, antwortete Dr. Daniel.

      Tessa seufzte abgrundtief. »Das klingt aber schwierig.« Mit etwas schräg geneigtem Kopf sah sie ihren Vater an. »Habe ich so etwas auch?«

      Dr. Daniel mußte lachen. »Ja, Tessa, ich denke schon. Deine verborgenen Talente werden sich erst richtig zeigen, wenn du mal zur Schule gehst.«

      Tessa verzog das Gesicht. »Muß das sein, Papa? Schule ist langweilig.«

      Manon zog die Augenbrauen hoch. »Woher hast du denn diese Weisheit?«

      »Von Luigi«, erzählte Tessa bereitwillig, dann fügte sie ernsthaft hinzu: »Der weiß das! Der geht nämlich schon zur Schule.« Sie überlegte angestrengt. »Ungefähr seit einem Jahr.«

      Dr. Daniel schmunzelte. »Das ist ja ganz beachtlich. Trotzdem fürchte ich, daß er da noch keine ausreichenden Erfahrungen gesammelt hat.«

      »Die Kinder, mit denen ich gespielt habe, wenn sie in den Ferien hier waren, haben auch gesagt, die Schule wäre die blödeste Erfindung des Jahrhunderts«, wandte Tessa energisch ein.

      Jetzt mußten Dr. Daniel und Manon herzhaft lachen.

      »Also, Tessa, ich kann dir versichern – so schlimm ist die Schule wirklich nicht«, meinte Dr. Daniel. »Wenn wir erst mal in Steinhausen sind, kannst du dich darüber mal mit dem kleinen Rudi Scheibler unterhalten. Das ist der Sohn von unserem Oberarzt, der kommt im September schon in die vierte Klasse, das heißt, er geht bereits seit vier Jahren in die Schule.«

      Aus großen Augen sah Tessa ihn an. »Vier Jahre! Dann muß er ja schon fast fertig sein.«

      Dr. Daniel schmunzelte. »Na, bis dahin hat er noch ein Weilchen vor sich, aber Rudi geht sehr gern in die Schule, und ich bin sicher, dir wird es dort auch gefallen, Tessa.«

      »Mal sehen«, meinte die Kleine, und es war offensichtlich, daß sie in dieser Richtung keine zu großen Eingeständnisse machen wollte. Aber sie liebte ihre Eltern von Herzen.

      *

      »Ich fahre jetzt los, Papa«, erklärte Elio Sandrini. »Chiara und ich müssen pünktlich in der Klinik sein.« Er warf einen kurzen Blick auf die wenigen Tische, die besetzt waren. »Im Moment ist es ja ziemlich ruhig, und bis zum Abend bin ich bestimmt wieder zurück.«

      Paolo Sandrini nickte mit mürrischem Gesicht, was Elio natürlich nicht entging.

      »Papa, ich habe dir erklärt…«, begann er, doch sein Vater ließ ihn gar nicht aussprechen.

      »Ich weiß schon«, fiel er Elio ins Wort. »Diese Untersuchung ist ja so wichtig.« Seine Stimme triefte dabei vor Sarkasmus, dann sah er seinen Sohn mit funkelnden Augen an. »Ich hätte eine solche Frau längst zum Teufel geschickt, aber du läßt dir von Chiara ja auf der Nase herumtanzen. Nur eine kleine Träne, und schon wirst du in ihren Händen weich wie Wachs, und das weiß dieses Luder ganz genau.«

      »Papa! Ich will nicht, daß du in dieser Weise über Chiara sprichst!« erklärte Elio energisch. »Sie ist immerhin deine Schwiegertochter, und als ich sie geheiratet habe, warst du überglücklich…«

      »Weil ich dachte, daß ein so schönes Mädchen wundervolle Kinder zur Welt bringen würde«, erwiderte Paolo Sandrini. »Dabei ist sie in Wirklichkeit eine totale Niete!« Er überlegte einen Moment. »Aber wer weiß…, vielleicht ist diese Untersuchung ja gar nicht so schlecht. Ich traue ihr zu, daß sie irgend etwas gemacht hat, um nicht schwanger zu werden. Es gibt da diese komischen Dinger, die sich Frauen heutzutage einsetzen lassen, nur damit sie kein Kind bekommen.«

      »Du bist unmöglich, Papa!« erklärte Elio, dann drehte er sich um und verließ die Pizzeria. Diese Diskussionen, bei denen sein Vater immer wieder derartige Verdächtigungen vorbrachte, gingen ihm allmählich auf die Nerven, und dabei merkte Elio gar nicht, wie die Pflänzchen des Mißtrauens, die sein Vater seit Monaten immer wieder gesetzt hatte, langsam ihre Wirkung zeigten.

      Rasch stieg Elio in sein Auto und fuhr zu dem kleinen Haus, das er mit Chiara bewohnte. Sie mußten sich beeilen, wenn sie noch pünktlich bei der kleinen Klinik des Klosters eintreffen wollten.

      Chiara wartete schon auf ihn, und Elio bemerkte, wie entsetzlich blaß sie war. Unwillkürlich mußte er an die Worte seines Vaters denken, und obwohl er diesen Verdacht weit von sich weisen wollte, blieb doch ein Rest Zweifel in ihm zurück.

      Immer wieder ließ Elio einen Blick über seine zierliche Frau gleiten und fragte sich dabei, ob sie ihn wohl tatsächlich betrügen würde…, ob ihre Kinderlosigkeit womöglich tückische Berechnung war. Sein Gefühl lehnte diesen schrecklichen Verdacht kategorisch ab, doch in seinem Kopf hatte er sich festgesetzt und war nicht mehr zu verscheuchen.

      »Hast du Angst?« fragte er, doch in seiner Stimme lag dabei nicht so viel Mitgefühl, wie es dieser Situation angemessen gewesen wäre.

      Chiara nickte.

      »Ja, Elio«, flüsterte sie. »Ich habe sogar schreckliche Angst.«

      Elio zögerte. Er spürte, daß Chiara die Wahrheit sagte, und er wußte auch, daß sie nur Angst hatte, weil ihr Vater sie in seiner Praxis so oft mit seiner entsetzlichen Grobheit gequält hatte.

      »Und wovor?« hörte er sich trotzdem fragen. »Nur vor der Untersuchung oder etwa auch vor dem Ergebnis?«

      Ziemlich erstaunt sah Chiara ihn an. »Du sagst das so komisch, Elio.«

      Er zuckte die Schultern. »Bekomme ich dennoch eine Antwort?«

      »Natürlich, Elio«, erwiderte Chiara leise. »Ich habe vor beidem Angst… vor der Untersuchung, weil ich glaube, daß sie mir schrecklich weh tun wird… und vor dem Ergebnis, weil…, weil es das Ende unserer Ehe bedeuten kann.«

      Wieder wußte Elio, wie ihre Worte gemeint waren, daß sie Angst hatte, unfruchtbar zu sein, doch der Zweifel, den sein Vater geweckt hatte, saß bereits zu tief, als daß Elio sich noch vollständig davon hätte befreien können.

      Wenn mein Vater recht hat, dachte er, wenn sie nur kein Kind bekommt, weil sie sich mit Verhütung besser auskennt als ich, dann werde ich die Ehe wirklich annullieren lassen.

      *

      Dr. Daniel wartete bereits auf Chiara und Elio. Er war absichtlich früher hergefahren, um sich mit den Räumlichkeiten der Klinik vertraut zu machen. Dabei hatte er auf den ersten Blick gesehen, daß eine so detaillierte Untersuchung, wie er sie in der Waldsee-Klinik hätte machen können, hier nicht möglich war. Aber vielleicht würde es ja schon ausreichen, bei Chiara die Durchgängigkeit der Eileiter zu kontrollieren.

      Jetzt ging er dem jungen Ehepaar entgegen und ergriff väterlich Chiaras Hände.

      »Sie müssen keine Angst haben«, erklärte er, und seine sanfte, tiefe Stimme erfüllte dabei ein weiteres Mal seinen Zweck. Chiara wurde etwas ruhiger, wenn auch die beinahe unnatürliche Blässe ihrer ansonsten sanft gebräunten Haut bestehen blieb.

      Dr. Daniel begrüßte nun auch Elio und bemerkte dessen plötzlich so distanzierte Haltung. Er bedachte den jungen Mann mit einem prüfenden Blick, doch Elio senkte ausweichend den Kopf.

      »Kommen Sie, Chiara«, bat Dr. Daniel und brachte die junge Frau in das Ärztezimmer, das man ihm für die Dauer der Untersuchung

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