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junge Mann wissen.

      Dr. Daniel warf Chiara einen kurzen Blick zu, dann sah er Elio an. »Nur wenn Ihre Frau damit einverstanden ist.« Er bemerkte, wie es bei diesen Worten in Elios Gesicht wetterleuchtete, und begriff wieder nicht, was in den wenigen Tagen mit dem jungen Italiener für eine Veränderung vorgegangen sein konnte.

      »Chiara?«

      Elio sprach nur dieses eine Wort aus – fragend und mit einem fast drohenden Unterton.

      »Natürlich kannst du dabeisein, Elio«, flüsterte Chiara, dann sah sie Dr. Daniel mit angstvollem Blick an. »Oder… muß ich mich da… ausziehen?«

      Der Arzt schüttelte den Kopf. »Nein, im Moment noch nicht. Ich werde Ihnen erst mal erklären, wie die Untersuchung überhaupt abläuft.« Er sah, wie Chiaras Hände wieder zu zittern begannen, und legte impulsiv einen Arm um ihre Schultern. »Ich werde Ihnen nicht weh tun.«

      Das junge Ehepaar nahm Dr. Daniel gegenüber Platz. Dabei schien Elio peinlich darauf bedacht zu sein, daß er Chiara nicht berührte. Von der Zärtlichkeit, die er noch wenige Tage zuvor gezeigt hatte, war nichts mehr zu spüren. Dr. Daniel war versucht, ihn sofort darauf anzusprechen, unterließ es aber, weil er Chiara mit einem möglichen Konflikt jetzt nicht noch mehr verunsichern wollte.

      »Wenn wir nachher ins Untersuchungszimmer hinübergehen, muß ich als erstes eine ganz normale gynäkologische Untersuchung vornehmen«, begann Dr. Daniel schließlich zu sprechen. »Die meisten Frauen empfinden das zwar als unangenehm, doch es ist nicht schmerzhaft und dauert auch nur wenige Augenblicke.«

      Dr. Daniel sah, wie Chiara nach Elios Hand tastete. Er ließ es zwar geschehen, daß sich ihre Finger um seine Hand schlossen, tat aber nichts, um ihr auch nur einen Funken Sicherheit zu geben, indem er etwa ihre Hand gestreichelt oder zumindest festgehalten hätte.

      »Herr Sandrini, ist alles in Ordnung?« wollte Dr. Daniel jetzt wissen.

      Elio wich seinem forschenden Blick aus. »Ja, natürlich.«

      Na warte, mein Junge, dachte Dr. Daniel. Ich kriege schon noch heraus, was mit dir auf einmal los ist.

      »Als nächstes muß ich die Durchgängigkeit der Eileiter prüfen«, fuhr er dann fort. »Das geschieht mit Hilfe einer Hysterosalpingografie. Dazu wird ein Röntgenkontrastmittel in die Gebärmutter gespritzt. Theoretisch könnte diese Untersuchung auch ohne Narkose durchgeführt werden, aber sie verursacht bisweilen krampfartige Schmerzen, daher nehme ich lieber eine örtliche Betäubung vor.« Dr. Daniel schwieg einen Moment, dann fuhr er fort: »Anschließend mache ich einige Röntgenaufnahmen, auf denen ich feststellen kann, ob das Kontrastmittel durch die Eileiter in die Bauchhöhle abfließt. Gleichzeitig sehe ich, ob die Gebärmutter normal gebaut ist, ob Polypen oder Myome vorhanden sind und ob sich eventuell Verwachsungen unmittelbar außerhalb der Eileiter befinden.«

      Chiara schluckte schwer, und ihre Angst wuchs noch. Sie umklammerte Elios Hand so fest, daß die Knöchel weiß hervortraten, aber noch immer erfolgte von ihm keine Reaktion.

      »Normalerweise würde diese Untersuchung erst am Ende einer Sterilitätsbehandlung stehen«, fuhr Dr. Daniel fort und sah dabei Chiara an. »Aber in diesem Fall will ich eine Ausnahme machen, weil ich mich nur noch kurze Zeit hier aufhalte und Sie von mir persönlich untersucht werden wollen.«

      Chiara zögerte, dann sprach sie die Frage, die ihr am Herzen lag, doch aus: »Wenn die Untersuchung nun nichts ergeben sollte?«

      »Auch dann werde ich versuchen, einen Weg zu finden, um Ihnen zu helfen. Es gibt hier auf Sardinien sicher einen rücksichtsvollen Kollegen, der sich gern um Sie kümmern wird.«

      In Chiaras Gesicht stand Abwehr. Sie wollte zu keinem anderen Arzt gehen. Obgleich sie auch vor der Untersuchung durch Dr. Daniel Angst hatte, zu ihm hatte sie inzwischen immerhin Vertrauen gefaßt.

      »Sind von Ihrer Seite jetzt noch Fragen offen?« wollte Dr. Daniel wissen und riß Chiara damit aus ihren Gedanken.

      Elio sah den Arzt an, als wollte er etwas sagen, unterließ es dann jedoch, was Dr. Daniel erstaunte. Noch vor ein paar Tagen war der junge Mann so aufgeschlossen gewesen. Was mochte nur geschehen sein, daß er sich in dieser kurzen Zeit so gravierend verändert hatte?

      »Gut«, meinte Dr. Daniel, dann stand er auf und nahm Chiara mit einer sanften Geste am Arm. »Ich bringe Sie jetzt in einen kleinen Raum, wo Sie sich ungestört entkleiden können.« Er spürte ihr angstvolles Beben und tätschelte aufmunternd ihre Hand. »Sie müssen wirklich keine Angst haben, Chiara. Ich habe Ihnen doch versprochen, daß ich Ihnen nicht weh tun werde.«

      Die junge Frau nickte tapfer, warf ihrem Mann noch einen beinahe flehenden Blick zu und senkte schließlich niedergeschlagen den Kopf, weil Elio ihr geflissentlich auswich. Mit langsamen, beinahe schleppenden Schritten folgte sie Dr. Daniel nach draußen.

      Der Arzt öffnete eine Tür und ließ Chiara eintreten.

      »Wenn Sie fertig sind, gehen Sie bitte durch diese Zwischentür in den Untersuchungsraum«, erklärte er. »Ich warte dort auf Sie.« Er schwieg kurz. »Sie müssen sich nicht beeilen. Nehmen Sie sich ruhig so viel Zeit, wie Sie brauchen.«

      Chiara bedachte ihn mit einem dankbaren Blick. Sie wußte, wie er diese Worte meinte. Es genügte nicht, daß sie sich entkleidete – sie mußte auch innerlich für die Untersuchung bereit sein.

      Dr. Daniel ließ sie allein, dann kehrte er zu dem Arztzimmer zurück.

      »Was ist mit Ihnen los, Elio?« fragte er und benutzte dabei absichtlich den Vornamen des jungen Mannes, weil er die Distanz, die plötzlich zwischen ihnen herrschte, überbrücken wollte. »Ich erwarte, daß Sie mir diesmal die Wahrheit sagen.«

      »Nichts, was soll schon mit mir los sein?« entgegnete Elio, und Dr. Daniel spürte die versteckte Agressivität, die hinter diesen Worten stand.

      »Als ich Sie und Chiara das erste Mal gemeinsam sah, waren Sie voller Zärtlichkeit Ihrer Frau gegenüber«, erklärte Dr. Daniel. »Heute dagegen benehmen Sie sich deutlich distanziert…, beinahe kalt, und ich möchte gern den Grund dafür wissen.«

      Elio kämpfte sichtlich mit sich, und dann stellte er eine Frage, mit der Dr. Daniel nicht gerechnet hatte.

      »Wenn Chiara verhüten würde…, würden Sie das bei dieser Untersuchung bemerken?«

      Verständnislos blickte Dr. Daniel ihn an. »Wieso sollte Ihre Frau verhüten, wenn sie sich doch ein Kind wünscht, und vor allem…, warum sollte sie eine solche Untersuchung auf sich nehmen, wenn sie von vornherein wüßte…«

      Elio sackte in sich zusammen. »Ich kann mir vorstellen, was Sie jetzt von mir denken, aber… ich bekomme diese schrecklichen Zweifel einfach nicht mehr aus mir heraus.«

      »Vor ein paar Tagen waren diese Zweifel aber offensichtlich noch nicht da«, erwiderte Dr. Daniel ruhig.

      »Doch, aber ich habe sie unterdrückt…, ich unterdrücke sie jetzt schon seit Monaten.« Elio seufzte tief auf. »Mein Vater stichelt bei jeder sich bietenden Gelegenheit in mich hinein, und fast immer fallen dabei solche Behauptungen… Chiara würde bestimmt irgend etwas tun, um nicht schwanger zu werden.« Er schwieg einen Moment. »Ich war immer ziemlich sicher, daß sie die Pille nicht nehmen könnte, ohne daß ich es merken würde, aber heute sagte mein Vater etwas…, nun ja, es gibt da diese Spiralen, die sich Frauen einsetzen lassen, und… das würde ein Mann doch nicht merken, oder?«

      »Nein, wahrscheinlich nicht«, antwortete Dr. Daniel ehrlich. »Ich kann Ihnen aber versichern, daß ich eine solche Spirale bei der Untersuchung, die ich vornehmen werde, sehen würde. Allerdings bin ich überzeugt, daß ich in dieser Hinsicht nichts finden werde.« Seine Stimme wurde noch eindringlicher. »Elio, denken Sie doch einmal logisch. Ihre Frau hat schreckliche Angst davor, von Ihnen verlassen zu werden, weil sie keine Kinder bekommen kann. Glauben Sie denn wirklich, daß sie in einem solchen Fall ihre Kinderlosigkeit auch noch provozieren würde?«

      Elio fragte sich, weshalb er nicht selbst auf dieses Gegenargument gekommen war, obwohl es doch eigentlich äußerst naheliegend

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