Скачать книгу

Er seufzte. »Es sind nicht nur die Cardellos, die mir zu schaffen machen, sondern auch meine Eltern. Sie drängen mich schon seit einem Jahr, die Ehe mit Chiara annullieren zu lassen.«

      Aufmerksam sah Dr. Daniel ihn an. »Werden Sie es tun?«

      Ohne einen Augenblick zu überlegen, schüttelte Elio den Kopf. »Nein, auf gar keinen Fall.« Dann machte er ein bekümmertes Gesicht. »Aber ich fürchte, ich werde es immer schwerer haben, mich mit dieser Einstellung durchzusetzen.« Er schwieg einen Moment. »Wissen Sie, Herr Doktor, ich bin ein Einzelkind. Meine Mutter hatte große Probleme, Kinder auszutragen. Die meisten sind kurz nach der Geburt oder innerhalb des ersten halben Jahres gestorben. Aus diesem Grund bin ich der einzige Erbe. Meinen Eltern gehört die kleine Pizzeria am Ortsrand. Vielleicht sind Sie mal daran vorbeigekommen.« Er senkte den Kopf. »Wenn meine Ehe kinderlos bleiben würde, wäre für die Pizzeria kein Erbe mehr da.« Mit ernstem Blick sah er Dr. Daniel an. »Ich persönlich würde mich nicht scheuen, ein Kind zu

      adoptieren, aber für meine Eltern würde damit eine Welt zusammenbrechen. Vor allem mein Vater ist so stolz auf den Namen Sandrini, daß er ein adoptiertes Kind nie wirklich akzeptieren könnte.«

      Spontan legte Dr. Daniel ihm eine Hand auf die Schulter. »Machen Sie sich im Moment noch keine zu großen Sorgen darüber, Herr Sandrini. Ich werde versuchen, Ihnen zu helfen.«

      *

      »Alena, haben Sie einen Augenblick Zeit für mich?« fragte Dr. Stefan Daniel, als ihm die Gynäkologin der Waldsee-Klinik in der Eingangshalle begegnete.

      Alena Reintaler lächelte. »Natürlich, Stefan. Worum geht’s denn?«

      »Um eine Patientin meines Vaters, die ich vor zwei Tagen untersucht habe«, antwortete der junge Assistenzarzt. »Seitdem läßt mir der Fall keine Ruhe mehr.« Er atmete tief durch, dann schilderte er Alena die Situation der jungen Jana Kemmerer.

      »Ich befürchte, daß das Ba-

      by bei einer Spontangeburt im Geburtskanal steckenbleiben könnte«, schloß er seinen Bericht.

      »So leicht passiert das nun auch wieder nicht«, entgegnete Alena. »Aber ich finde es lobenswert, daß Sie sich darüber so große Gedanken machen. Haben Sie von den Ultraschallaufnahmen eine Kopie gemacht?«

      Stefan nickte. »Ich habe die ganze Untersuchung auf Video aufgezeichnet. Wollen Sie sie sich ansehen?«

      Alena nickte.

      Wenig später saßen sie im Ärztezimmer der Gynäkologie, und Alena betrachtete interessiert die Aufnahmen, die Stefan gemacht hatte.

      »Das Baby ist tatsächlich sehr groß«, stellte sie nachdenklich fest.

      »Und es ist das erste Kind der Patientin«, fügte Stefan hinzu. »Überdies habe ich bei der gynäkologischen Untersuchung den Eindruck gewonnen, als wäre ihr Becken nicht sehr breit.«

      »Aber Ihr Vater hielt eine Spontangeburt doch für unbedenklich«, meinte Alena nach einem Blick in die Krankenakten, die über Jana Kemmerer angelegt worden waren. Sie erinnerte sich dunkel, die Patientin einmal untersucht zu haben, aber in letzter Zeit hatte sie zu sehr im Streß gestanden, als daß sie sich noch an jede Einzelheit hätte erinnern können.

      Stefan schüttelte den Kopf. »Nicht ganz. Er hat Frau Kemmerer zu einem Kaiserschnitt geraten, doch sie besteht auf einer natürlichen Geburt. Mein Vater konnte sie immerhin davon überzeugen, daß eine Hausgeburt ein unnötiges Risiko in sich bergen würde. Sie wird also hier in der Klinik entbinden, aber…« Er sah die Akten an. »Ich habe ein ungutes Gefühl bei der Sache.« Er schwieg einen Moment und versuchte sich an die Eintragungen im Mutterpaß zu erinnern. »Im übrigen hat mein Vater die Patientin zum letzten Mal vor sechs Wochen gesehen. In der Zwischenzeit ist das Baby nochmals gewachsen.«

      Alena überlegte eine Weile, dann meinte sie: »Wie ich sehe, haben Sie Frau Kemmerer bereits für nächste Woche wieder in die Klinik bestellt.«

      Stefan nickte. »Eben aus diesem Grund. Ich will das Kind an diesem Tag noch einmal abmessen.«

      »Wenn die Patientin hier ist, benachrichtigen Sie mich bitte. Ich werde versuchen, mit ihr zu sprechen. Vielleicht kann man sie ja doch noch zu einem Kaiserschnitt bewegen.«

      *

      »Papa, wo warst du denn so lange?« beschwerte sich Tessa und zog dabei einen beleidigten Schmollmund.

      Liebevoll nahm Dr. Daniel die Kleine auf den Arm und gab ihr einen zärtlichen Kuß auf die Wange.

      »Es gibt hier im Ort eine junge Frau, die meine Hilfe braucht«, erklärte er ihr, dann sah er Manon an. »Ich fürchte, ich werde in dieser Woche noch einmal weg sein.«

      Seine Frau schmunzelte. »Wie sollte es auch anders sein.« Sie legte einen Arm um Dr. Daniels Taille, stellte sich auf Zehenspitzen und küßte ihn. »Mein geliebter Robert kann einfach nicht ohne Arbeit sein.«

      »Das ist es nicht«, wehrte Dr. Daniel ab, dann lächelte er. »Ich könnte mich an das süße Nichts-tun sehr wohl gewöhnen.« Er wurde wieder ernst. »Diese Frau hat wirklich ernsthafte Probleme.«

      Manon küßte ihn noch einmal. »Du mußt dich nicht verteidigen, Robert. Glaubst du, daß ausgerechnet ich dafür kein Verständnis hätte?«

      »Ich will aber nicht, daß du wieder weggehst, Papa«, mischte sich nun Tessa ein, dann schlang sie ihre Ärmchen um seinen Nacken. »Ich möchte, daß du immer bei mir bleibst.«

      »Das würde ich auch sehr gern, Mäuschen«, gab Dr. Daniel zu. »Leider wird sich das aber auf Dauer nicht ganz einrichten lassen. Schließlich habe ich auch noch einen Beruf.« Er lächelte das kleine Mädchen an. »Aber ich verspreche dir, daß ich mir für dich so viel Zeit nehmen werde wie möglich. Und jetzt im Urlaub sind Mama und ich sowieso nur für dich da.«

      »Damit wären wir auch gleich beim Thema«, mischte sich Manon ein. »Nach diesen Flitterwochen wartet in Steinhausen eine Gemeinschaftspraxis auf uns, aber ich fürchte, daß ich mich künftig als Ärztin nicht mehr in dem Maße engagieren kann wie bisher. Ich will für Tessa eine wirkliche Mutter sein und nicht eine, die sich für ihr Kind abends fünf Minuten Zeit nimmt, um es ins Bett zu bringen.«

      Dr. Daniel runzelte die Stirn. »Heißt das, daß du deinen Beruf aufgeben willst?«

      »Nein, Robert, das nicht«, entgegnete Manon ernst. »Du weißt, daß ich mit Leib und Seele Ärztin bin.« Zärtlich streichelte sie über Tessas schwarze Locken. »Aber ich will auch für mein Kind dasein.« Sie zögerte. »Ich habe mir überlegt, ob man nicht einen Arzt in der Praxis mit aufnehmen könnte, der nur halbtags arbeitet.«

      »Ich fürchte, damit würden wir uns schwertun«, meinte Dr. Daniel, dann schüttelte er den Kopf. »Ein weiterer Arzt in unserer Praxis wird auch nicht nötig sein. Zum einen würden wir uns da bloß auf die Füße

      treten, denn so groß sind die

      Räumlichkeiten ja auch nicht, und zum anderen gibt es immer noch die Waldsee-Klinik.«

      Doch Manon war skeptisch. »Wolfgang wird sich herzlich bedanken, wenn wir ihm einen Teil meiner Arbeit auch noch aufhalsen wollen.«

      »Davon kann ja überhaupt keine Rede sein«, erwiderte Dr. Daniel. »Vorerst geht es nur darum, deine Sprechzeiten so abzuändern, daß du genügend Zeit für Tessa hast. Und außerhalb der Sprechzeiten ist die Waldsee-Klinik für Notfälle da. Das war schon immer so, und dagegen wird sich auch unser Chefarzt nicht wehren.«

      Manon war noch immer unsicher. »Glaubst du das wirklich?«

      »Ja.« Liebevoll legte Dr. Daniel einen Arm um ihre Schultern, während er auf dem anderen noch immer seine kleine Tochter trug, dann fuhr er lächelnd fort: »Immerhin bin ich Direktor der Waldsee-Klinik, und da muß auch ein dynamischer Chefarzt wie Wolfgang Metzler klein beigeben.« Er wurde ernst.»Abgesehen davon, daß es in dieser Hinsicht noch nie Probleme gegeben hat. Wolfgang ist selbst Vater, daher weiß er sehr gut, wie dringend eine Mutter zu Hause gebraucht wird.« Er schmunzelte. »Falls er das vergessen

Скачать книгу