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Angst haben«, meinte Dr. Daniel, als sie wieder auf dem Stuhl lag. »Ich nehme jetzt die örtliche Betäubung vor. Den Einstich werden Sie noch spüren, alles andere fühlen Sie zwar, aber Sie werden keine Schmerzen haben. Und ich erkläre Ihnen jeden Handgriff, bevor ich ihn ausführe.« Er schwieg kurz und setzte die Injektion. »Na also, den kleinen Pieks haben Sie schon überstanden. War’s schlimm?«

      »Nein«, flüsterte Chiara tapfer, obwohl ihr der Einstich doch weh getan hatte. Aber das kam wahrscheinlich daher, daß sie schon wieder ziemlich verkrampft war.

      »Wir warten jetzt noch einen Moment, bis die Spritze wirkt«, meinte Dr. Daniel, dann bereitete er alles für die weitere Untersuchung vor und lächelte Chiara schließlich aufmunternd an.

      »Ich glaube, wir können anfangen.« Er hielt die Instrumente so, daß Chiara sie nicht sehen konnte, um zu verhindern, daß sie wieder Angst bekam. Normalerweise bevorzugte Dr. Daniel für die Hysterosalpingografie ein Pertubationsgerät, das gewährleistete, daß das Kontrastmittel kontinuierlich und mit stabilem Druck in den Uterus gepreßt wurde, doch ganz so modern war man in dieser kleinen Klinik noch nicht eingerichtet.

      »Mit Hilfe eines Katheters spritze ich nun das Kontrastmittel in Ihre Gebärmutter und in die Eileiter«, erklärte er mit einem kurzen Blick zu Chiara. »Keine Angst, Sie werden nichts davon spüren.«

      Dann schob Dr. Daniel das Röntgengerät über ihren Unterleib und machte einige Aufnahmen.

      »So, Chiara, das war’s schon«, meinte er schließlich. »Sie bleiben jetzt bitte noch ein bißchen hier liegen. Die örtliche Betäubung wird bald nachlassen.« Fürsorglich breitete er noch eine dünne Decke über sie, um ihr dadurch ein wenig Sicherheit zu vermitteln.

      »Herr Doktor, wann wissen Sie, ob ich Kinder bekommen kann?« fragte Chiara leise.

      »Die Röntgenaufnahmen müssen erst entwickelt werden«, antwortete Dr. Daniel. »Ich kann Ihnen leider nicht sagen, wie lange das hier dauern wird, aber ich nehme an, daß wir das Ergebnis der Untersuchung spätestens Anfang nächster Woche besprechen können.«

      Chiara nickte, dann griff sie nach Dr. Daniels Hand und brachte dabei sogar ein leichtes Lächeln zustande.

      »Danke, Herr Doktor. Sie sind wirklich ein wundervoller Mensch.«

      *

      Die Heimfahrt von Elio und Chiara verlief schweigend. Die junge Frau saß im Auto, hatte die Hände im Schoß verkrampft und hielt den Kopf gesenkt. Elio hatte ihr bereits mehrere Male einen kurzen Blick zugeworfen, doch Chiara verharrte so bewegungslos wie eine Statue. Schließlich hielt Elio es nicht mehr länger aus. Er brachte den Wagen am Straßenrand zum Stehen, schaltete den Motor aus und wandte sich dann Chiara zu.

      »Cara mia«, sprach er sie leise an und legte dabei zärtlich eine Hand auf ihren Arm. Chiara zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen.

      Mit einem Ruck wandte sie ihm ihr Gesicht zu, und in ihren dunklen Augen lag ein Ausdruck, den er noch nie bei ihr gesehen hatte. Es war eine Mischung aus Angst, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.

      »Cara mia«, wiederholte Elio. »Ich…, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Gerade jetzt…, wo du mich am dringendsten gebraucht hättest, habe ich total versagt.« Hilflos zuckte er die Schultern. »Verzeih mir bitte.«

      Chiara wandte den Blick wieder ab. Ihr Kopf sank nach unten, und ihr langes schwarzes Haar verdeckte ihr Gesicht wie ein dichter Schleier.

      »Warum, Elio?« wollte sie nur wissen, und ihre Stimme war dabei nicht mehr als ein heiseres Flüstern.

      Der junge Mann atmete tief durch. Er wußte, daß er Chiara jetzt die Wahrheit sagen mußte, aber das Eingeständnis, an ihr gezweifelt zu haben, tat weh.

      »Ich habe einen Fehler gemacht«, erklärte er und bemühte sich dabei, seiner Stimme Festigkeit zu geben, was ihm aber nicht so ganz gelang. Er wünschte, er könnte alles, was vorgefallen war, ungeschehen machen. »Ich habe meinem Vater geglaubt, obwohl ich seine Vorwürfe weit von mir hätte weisen müssen. Ich hätte…, ich hätte dir vertrauen sollen, doch das habe ich nicht getan.«

      Langsam hob Chiara den Kopf und strich mit einer Hand ihr langes Haar zurück.

      »Du hast gedacht, ich würde verhüten.«

      Unwillkürlich zuckte Elio zusammen, als Chiara diese Behauptung aussprach. Viel schlimmer, als die Worte selbst war jedoch die Gelassenheit, mit der sie sie vorbrachte. Es schien, als würde sie ohne jede innere Anteilnahme sprechen.

      Um so mehr schockierte es Elio, daß sie unmittelbar darauf in Tränen ausbrach. Ihr ganzer Körper wurde von heftigem Schluchzen geschüttelt.

      »Wie konntest du nur!« brachte sie mühsam hervor. »Wenn ich das wirklich getan hätte…, was würde es mir dann ausmachen, dich zu verlieren?«

      Elio fühlte sich elend. Natürlich hatte Chiara völlig recht. Wie hatte er auch nur einen Gedanken an diesen unsinnigen Verdacht verschwenden können?

      »Cara mia, es tut mir leid«, flüsterte Elio zerknirscht, doch Chiara reagierte überhaupt nicht. Noch immer schluchzte sie leise vor sich hin.

      Elio zögerte, doch dann tat er das einzig richtige. Er zog Chia-ra in seine Arme und drückte sie liebevoll an sich.

      »Es wird nie mehr passieren«, versprach er, und Chiara spürte, daß er das nicht einfach so dahinsagte. »Nie wieder werde ich an dir zweifeln – egal, was auch geschieht.« Er schwieg noch einen Moment, dann gestand er leise: »Ich liebe dich.«

      Mit tränennassen Augen sah Chiara ihn an, berührte sanft sein Gesicht und brachte dann ein zaghaftes Lächeln zustande, das um so rührender wirkte, weil noch immer Tränen über ihre Wangen rollten.

      »Ich liebe dich auch, Elio. Ich liebe dich so sehr, daß es mir manchmal Angst macht.«

      Zärtlich streichelte Elio ihr Gesicht. Er wußte genau, wovor sie wirklich Angst hatte.

      »Du wirst mich nicht verlieren, Chiara«, versicherte er. »Niemals.« Wieder zog er sie in seine Arme und hielt sie fest an sich gedrückt. »Nichts und niemand wird unsere Ehe jemals zerstören.«

      *

      »Stell dir vor, Horst, jetzt muß ich morgen noch mal in die Klinik«, beklagte sich Jana Kemmerer bei ihrem Mann, dann seufzte sie. »Wenn Dr. Daniel hier wäre, würde bestimmt alles viel leichter gehen, der würde um die Geburt keinen solchen Zirkus machen.«

      »Er hat aber auch gesagt, daß ein Kaiserschnitt besser wäre«, wandte Horst ein. »Und als du letztes Mal aus der Klinik gekommen bist, warst du von Dr. Daniels Sohn ganz begeistert.«

      »Bin ich ja auch«, räumte Jana ein. »Er ist bestimmt ein gu-ter Arzt und genauso rücksichtsvoll wie sein Vater, aber… er ist doch noch so jung. Wahrscheinlich ist er deshalb so besorgt. Dabei besteht überhaupt kein Grund dazu. Immerhin hat Patricia bei der Geburt auch acht Pfund gewogen, und Corinna hat trotzdem normal entbunden.«

      »Deine Schwester ist auch ein bißchen breiter gebaut als du, und Patricia war ihr zweites Kind«, entgegnete Horst, dann legte er einen Arm um Janas Schultern. »Vielleicht solltest du doch besser auf den jungen Dr. Daniel hören. Er mag zwar noch nicht so viel Erfahrung haben wie sein Vater, aber…«

      »Ach, Unsinn«, wehrte Jana ab, dann machte sie ein enttäuschtes Gesicht. »Jetzt habe ich mich schon so auf eine natürliche Geburt gefreut. Wozu haben wir denn die ganzen Kurse gemacht, wenn ich letzten Endes doch eine Narkose bekomme und mir das Baby herausoperiert wird wie ein entzündeter Blinddarm?«

      Trotz des Ernstes der Lage mußte Horst über diesen Vergleich lachen. »Also weißt du, Jana, so ist es ja nun auch wieder nicht. Im übrigen könntest du einen Kaiserschnitt ebenfalls wach miterleben. Ich habe erst kürzlich gelesen…«

      »Ja, ich auch«, fiel Jana ihm ins Wort, dann schüttelte sie entschieden den Kopf. »Nein, Horst, ich stelle mir das so schrecklich vor. Sicher, durch die Periduralanästhesie hätte ich keine Schmerzen, aber trotzdem würde ich fühlen, wie da an mir

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