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Alle meine Schwestern haben schon Kinder, nur ich bringe Schande über die Familie.« Mit einer fahrigen Handbewegung wischte sie über ihre Augen. »Elio sagt, das sei nicht schlimm und er würde mich trotzdem lieben, aber… ich spüre, wie sehr er leidet. Und Papa… er sagt, ich müsse ins Kloster, wenn ich nicht schwanger werden kann.«

      »Augenblick, mein Kind«, entgegnete Monsignore Antonelli ruhig. »Du bist zweiundzwanzig. Gegen deinen Willen kann dich niemand in ein Kloster stecken. Mag sein, daß dein Vater noch immer dieser Ansicht ist, aber die Realität sieht ein bißchen anders aus.«

      Chiara senkte den Kopf. »Ich würde es nie wagen, ihm zu widersprechen.«

      Monsignore Antonelli schwieg einen Moment. Natürlich kannte er den herrschsüchtigen Dottore Salvatore Cardello und wußte, wie sehr er seine Kinder tyrannisierte, und seine Frau Concetta stand ihm dabei in nichts nach.

      »Papa hat mich schon oft untersucht«, fuhr Chiara leise fort. »Er sagt, ich würde mich gegen eine Schwangerschaft wehren, aber das stimmt nicht. Ich wünsche mir ein Baby…«

      Nachdenklich runzelte Monsignore Antonelli die Stirn.

      »Seit zwei Jahren versucht ihr es schon«, murmelte er, dann sah er Chiara an. »Zur Zeit hält sich hier im Ort ein richtiger Frauenarzt auf. Wenn ich mit ihm sprechen würde…, er verbringt zwar gerade seinen Urlaub hier, aber ich bin sicher, daß er trotzdem bereit wäre, dich zu untersuchen.«

      In Chiaras Gesicht stand Abwehr. »Aber… Papa hat mich doch schon so oft untersucht…«

      »Dein Vater ist kein Frauenarzt«, entgegnete Monsignore Antonelli eindringlich. »Hier in diesem kleinen Dorf muß er zwar gelegentlich auch solche Untersuchungen durchführen, aber bei allem Respekt vor seinen Fähigkeiten, glaube ich doch, daß er überfordert ist, wenn er feststellen soll, woran deine Kinderlosigkeit liegt.« Behutsam legte er eine Hand auf Chiaras Arm. Er spürte ihr Zittern. »Du mußt vor diesem Arzt keine Angst haben, mein Kind. Er ist sehr nett, du wirst schon sehen.«

      *

      »Tessa! Komm jetzt!« rief Manon ihrer kleinen Tochter zu, die noch im Meer plantschte, doch in der vergangenen Stunde waren ihre Bewegungen immer langsamer geworden. »Es wird allmählich Zeit fürs Bett!«

      »Och! Jetzt schon?« maulte Tessa. »Bei Monsignore Antonelli durfte ich aufbleiben, bis ich müde war.«

      »Du bist müde«, stellte Dr. Daniel schmunzelnd fest. »Das willst du nur noch nicht wahrhaben.«

      Tessa schüttelte den Kopf, daß die schwarzen Locken flogen. »Du irrst dich, Papa. Ich bin überhaupt nicht müde.« Dabei konnte sie kaum noch die Augen offenhalten.

      Ohne weitere Diskussion wickelte Dr. Daniel die Kleine in ein Badetuch und nahm sie auf den Arm.

      »Na, komm, Prinzessin«, meinte er. »Mama hat recht. Für dich ist es nun wirklich Schlafenszeit, und ich bin sicher, daß dir die Äuglein schon zufallen werden, bevor wir in unserem Zimmer sind.«

      »Nein«, murmelte Tessa müde. »Ich bin hellwach.«

      Sie hatte kaum ausgesprochen, als sie in Dr. Daniels Armen auch schon eingeschlafen war. Er trug sie die Treppe hinauf zu dem Zimmer, das sie gemeinsam bewohnten, dann legte er Tessa vorsichtig, um sie nicht zu wecken, in das Kinderbettchen, das ihnen die Besitzerin der Pension aufgestellt hatte. Fürsorglich deckte Manon ihr Töchterchen zu und blieb noch eine Weile neben dem Bett stehen.

      »Ich kann mir ein Leben ohne sie überhaupt nicht mehr vorstellen«, meinte sie.

      Zärtlich legte Dr. Daniel einen Arm um ihre Schultern. »Ich auch nicht.« Er küßte Manon. »Und ein Leben ohne dich kann ich mir ebenfalls nicht mehr vorstellen. Es ist…«

      Ein zaghaftes Klopfen an der Tür unterbrach ihn. Dr. Daniel öffnete und sah sich Monsignore Antonelli gegenüber.

      »Es tut mir leid, daß ich Sie um diese Zeit noch störe«, entschuldigte er sich und fühlte sich etwas unbehaglich, weil er das Gefühl hatte, seine Deutschkenntnisse seien nicht ausreichend für ein längeres Gespräch. Dabei beherrschte der Monsignore diese Sprache ganz ausgezeichnet, was an den vielen deutschen Touristen lag, die Jahr für Jahr hierherkamen.

      »Darf ich Sie trotz der späten Stunde einen Augenblick sprechen?« wollte er wissen.

      »Selbstverständlich, Monsignore«, stimmte Dr. Daniel zu. »Wir können uns ja unten auf die Bank setzen. Der Abend ist noch so angenehm.«

      »Und auf diese Weise wecken wir Tessa nicht«, fügte der Monsignore hinzu, dann lächelte er. »Sie hat mich heute nachmittag kurz besucht…, leider nur sehr kurz, denn dann hat es sie schon wieder zu Mama und Papa hingezogen.« Er schwieg kurz. »Die Kleine liebt Sie über alles, und darüber bin ich sehr froh. Für mich wäre die Verantwortung bald zuviel geworden. Tessa braucht Eltern, und mit Ihnen beiden hat sie die besten gefunden, die man sich denken kann.«

      Dr. Daniel war gerührt über die Worte des Monsignore. Sein Blick wanderte zu dem Bettchen, in dem die Kleine selig schlief. »Wir lieben Tessa, als wäre sie unser leibliches Kind.« Dann wandte er sich dem Monsignore wieder zu. »Aber ich denke nicht, daß Sie nur dar-über mit mir sprechen wollten.«

      Die beiden Männer verließen den Raum und gingen die Treppe hinunter, dann setzten sie sich draußen auf die Hausbank. Das sanfte Rauschen des Meeres drang an ihre Ohren, und eine leichte Brise sorgte für ein wenig Abkühlung, was nach der Hitze des Tages ausgesprochen guttat.

      »Es geht um eine junge Frau«, begann der Monsignore schließlich. »Sie stammt aus einem äußerst streng und hartherzig geführten Elternhaus, und von dort werden ihr ständig Vorwürfe gemacht, weil sie nach zwei Ehejahren noch immer nicht schwanger geworden ist.«

      Unwillig runzelte Dr. Daniel die Stirn. Eine solche Einstellung mißfiel ihm sehr.

      »Wie verhält sich denn ihr Mann?« wollte er wissen.

      »Elio ist ein sympathischer Junge«, urteilte der Monsignore, dann schmunzelte er. »Nun ja, inzwischen ist er schon ein stattlicher Mann, aber ich kenne ihn, seit er zur Welt gekommen ist.« Er wurde wieder ernst. »Er macht seine Liebe zu Chiara nicht von einer Schwangerschaft abhängig, aber die Angst vor ihren Eltern ist in der jungen Frau schon so tief verwurzelt, daß sie sich nicht mehr davon befreien kann. Sie ist überzeugt davon, daß Elio die Ehe annullieren lassen wird und sie danach von ihrem Vater ins Kloster gesteckt wird.«

      Dr. Daniel ahnte bereits, worauf der Monsignore hinauswollte.

      »Ich nehme an, Sie möchten mich bitten, die junge Frau einmal zu untersuchen«, vermutete er.

      Monsignore Antonelli nickte. »Chiaras Vater ist zwar Arzt, aber einer der besonders groben Sorte. Keiner unserer Dorfbewohner reißt sich darum, zu Dottore Cardello zu gehen.«

      Dr. Daniel runzelte die Stirn.

      »Cardello?« wiederholte er. »Diesen Namen hat Tessa einmal erwähnt. Sie fragte mich damals, ob ich auch ein Monsignore sei, und als ich erwiderte, ich wäre Arzt, da wollte sie wissen, ob ich denn so streng sei wie der Dottore Cardello.«

      Monsignore Antonelli nickte. »Der gute Doktor erfreut sich allgemeiner Unbeliebtheit, aber es ist leider kein anderer Arzt da, zu dem man gehen könnte. Das bedeutet, daß er für alle Bereiche zuständig ist – gleichgültig, ob es sich nun um Ohrenschmerzen, Atembeschwerden, Kinderkrankheiten oder Unterleibsgeschichten handelt… Salvatore Cardello behandelt alles, und dabei geht er mit seinen Patienten nicht gerade zartfühlend um.«

      »Es ist also anzunehmen, daß er auch seine Tochter untersucht hat«, mutmaßte Dr. Daniel.

      »Ja, und dabei war er mit Sicherheit äußerst grob«, meinte Monsignore Antonelli. »Als ich Chiara gegenüber eine Untersuchung lediglich erwähnte, begann sie schon zu zittern.«

      »Natürlich werde ich mir die junge Frau gerne einmal ansehen«, stimmte Dr. Daniel bereitwillig zu. »Ich fürchte aber, daß es in einem solchen Fall mit einer normalen gynäkologischen Untersuchung nicht getan sein wird. Um festzustellen, ob eine

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