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zusammenkneifen.

      Treffer auf Treffer!

      Über die Geschützmannschaften an den Heck-Drehbassen brach die Hölle herein. Ein Pulverpfeil raste in die Hecklaterne und brachte sie zur Explosion. Glassplitter fetzten über das Achterdeck. Männer brachen brüllend zusammen oder taumelten über das Deck.

      Da wurde nicht mehr zurückgeschossen, obwohl sich Capitán de Freitas wieder mal heiser brüllte. Aber jetzt konnte er nicht mit Rotwein seine Kehle ölen. Dafür warf er sich wieder hin, als über ihn weg flammende Pfeile zischten, in den Besan schlugen und dort hängenblieben. Das Segel fing Feuer.

      Dann krachten zwei Drehbassen auf der „El Tigre“, und zwei Kugeln zertrümmerten die Ruderanlage der Kriegskaravelle. Sie geigte in den Wind, die Segel knatterten und schlugen, die Schoten tanzten wie wilde Schlangen durch die Luft.

      Über die Decks, achtern, mittschiffs und vorn, taumelten merkwürdige Flaschen, aus denen sprühende Zündschnüre ragten. Und dann flogen die Flaschen mit grellem Getöse auseinander – einige noch in der Luft, die anderen, während sie über die Planken kullerten. Sie brachten Tod und Verderben, denn nach allen Seiten rasten Glassplitter, heiße Nägel und Metallfetzen. Die Seesoldaten und Decksleute fielen reihenweise.

      „Feuer frei! Feuer frei!“ brüllte der Capitán.

      Niemand kümmerte sich darum.

      Es ging alles Schlag auf Schlag, und die Schläge waren von erbarmungsloser Härte.

      Als die Kriegskaravelle in den Wind schoß, passierte die Schebecke auf fünfzig Yards Distanz ihr zerschossenes Heck, und Hasard gab den Feuerbefehl für die Steuerbordbreitseite.

      Die Culverinen brüllten auf und schmetterten ihre Ladungen in das Heck der „El León“. Es wurde restlos zertrümmert. Holzfetzen wirbelten durch die Luft, Drehbassen kippten ins Wasser, der Besanmast mit dem brennenden Segel neigte sich und stürzte nach voraus krachend an Deck. Die Nock der Besangaffelrute streifte das Großsegel und fetzte es von oben nach unten auf.

      Panik breitete sich aus.

      Unter dem brennenden Besansegel waren Männer begraben, die sich wie die Wahnsinnigen zu befreien versuchten. Sie zerschlitzten mit Messern das Segeltuch, taumelten unter dem Wirrwarr hervor, einige hatten Feuer gefangen und stürzten sich über Bord.

      Die Schebecke lief nach Osten ab, luvte an, setzte sich vor die Kriegskaravelle und wartete ab.

      Das Achterschiff der „El León“ sackte tiefer. Von dem brennenden Besansegel her breitete sich Feuer aus und griff auf das Holz über. Niemand löschte. Immer mehr Männer sprangen über Bord. Die eine Hälfte der Sonne stand noch über der Kimm und verwandelte die See in rotes Feuer.

      Capitán de Freitas sah sich wild und gehetzt um. Seine Augen flackerten, seine Lippen zuckten. Er sprang zum Achterdecksschott, hob es aus den Angeln, schleppte es zum Steuerbordschanzkleid, wuchtete es hinüber und kippte es außenbords.

      Dann sprang er hinterher, sackte unter Wasser, tauchte wieder auf, schwamm zu dem Schott und wälzte sich hinauf.

      In diesem Moment flog die Kriegskaravelle „El León“ mit einer grellen Stichflamme in die Luft.

      Wer sich noch an Bord befunden hatte, überlebte die Explosion nicht, aber er hatte einen schnellen und jähen Tod. Und auch das war eine Gnade.

      Über die feurige See donnerte ein Schlachtruf, wer ihn hörte, verstand ihn zwar, begriff aber nicht seine Bedeutung.

      „Ar-we-nack!“ dröhnte es. „Ar-we-nack – Ar-we-nack!“

      Die Schebecke glitt durch das Feuer der Sonne, hob sich scharf ab und verschwand nordwestwärts in der hereinbrechenden Dunkelheit.

      Trümmer schwammen auf der See, zerspellte Holzfässer, zerborstene Spieren, Fetzen von Segeltuch, Tauwerkreste – und Tote, aber auch ein paar Verwundete, die sich irgendwo festkrallten und dennoch wußten, daß ihr Leben zerrann wie Sand in einem Stundenglas.

      Capitán de Freitas lag wie betäubt auf seinem Schott – bäuchlings. Er hob erst den Kopf, als er spürte, daß eine Hand an seinem Floß zerrte – auf der rechten Seite in Höhe seiner Beine. Er drehte sich etwas und blickte dorthin.

      Da schwamm einer und hielt sich am Floß fest. Er sah die Schultern und den Kopf des Mannes – und zuckte zusammen.

      Es war der Teniente de Calheiro. Er hatte einen blutigen Schnitt über der Stirn.

      „Hau ab, du Pisser!“ fauchte der Capitán. „Verschwinde!“

      „Sie hatten noch mit mir sprechen wollen“, sagte der Teniente zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Hier bin ich.“

      „Ich sagte: verschwinde!“ knurrte der Capitán. „Hier gibt’s nichts mehr zu besprechen. Klar?“

      „Sind Sie verletzt?“

      „Was soll die Frage?“

      „Wenn Sie nicht verletzt sind, wäre es anständig von Ihnen, mich auf das Floß zu lassen. Es hat genug Platz für zwei. Ich glaube, mein rechter Fußknöchel ist gebrochen.“

      „Interessiert mich nicht!“

      „Sie verweigern einem Verletzten die Hilfe?“

      „Das interessiert mich einen Scheiß!“ brüllte der Capitán, und es hallte über das Wasser.

      „Darf ich mich wenigstens an dem Floß festhalten?“

      „Nein!“ brüllte der Capitán. „Das ist mein Floß! Such dir was anderes! Hier schwimmt genug rum, an dem du dich festhalten kannst!“

      „Sie Mörder!“ schrie der Teniente. „Sie dreckiger, gemeiner Mörder! Sie wollen Offizier und Kommandant sein? Ein Nichts sind Sie! Ein feiger Versager, ein Säufer, der sein Schiff geopfert hat und sich jetzt davonstehlen will …“

      „Halt’s Maul!“ heulte der Capitán und riß ein Messer aus dem Gürtel. „Oder ich stech dich ab wie eine Sau!“

      Drei, vier Überlebende waren herangeschwommen, darunter ein stämmiger, breitschultriger Bootsmann. Sie hatten alles gehört, und die heilige Wut flammte in ihnen.

      Sie verteilten sich um das Floß.

      „Schau an!“ höhnte der Bootsmann. „Unser sauberer Kommandant! Ein feines Floß hat er sich unter den Nagel gerissen! Ich dachte immer, die Kapitäne hätten die Pflicht, mit ihrem Schiff unterzugehen – wegen der Ehre! Wo ist sie denn, diese Ehre? Und dem Teniente verweigern Sie die Hilfe, Sie Scheißkerl?“

      „Verschwindet!“ brüllte der Capitán. „Das ist ein Befehl!“

      „Hat kein Schiff mehr und will noch befehlen!“ rief der Bootsmann.

      „Jetzt ist er Kommandant auf ’nem Floß!“ schrie ein anderer. „Und er meint, er könnte uns immer noch schikanieren, dieser versoffene Lumpenhund, der uns diese Scheiße hier eingebrockt hat!“

      Sie schwammen auf das Floß zu.

      Der Capitán hockte auf den Knien, drehte sich nach allen Seiten und hatte das Messer angehoben, bereit, die Klinge niedersausen zu lassen, sobald eine Hand nach dem Floß griff.

      Es war eine erbärmliche Situation.

      „Hindern Sie die Kerle daran, mein Floß anzufassen, Teniente!“ kreischte der Capitán. „Tun Sie Ihre Pflicht! Das sind Meuterer – dreckiges Gesindel, das zu gehorchen hat!“

      „Leben Sie wohl, de Freitas“, sagte der Teniente ruhig. „Gott wird Sie richten.“

      Auf dem Rücken liegend, paddelte er vom Floß weg. Sein rechtes Bein war gefühllos. Er spürte keine Schmerzen. Als er gegen eine Spiere stieß, klammerte er sich an ihr fest. Sein Kopf war ganz klar, so klar wie noch nie. Er wußte, daß er sterben würde. Und er nahm es hin. Er nahm es hin wie ein Mann.

      Um das Floß entbrannte der Kampf, das heißt, um das Floß ging es nur indirekt.

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