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      Die Mucks waren schnell zur Hand und wurden gefüllt.

      „Drei Hurras für Will und Roger!“ rief Hasard und hob seine Muck. „Sie mögen leben – und das neue Segel auch!“

      Schon wollte er das erste „Hurra!“ anstimmen, da rief Ben Brighton: „Halt! Bitte um Verzeihung, Sir! Aber wir sollten das neue Segel auch taufen und ihm einen Namen geben. Neues Segel klingt mir zu nichtssagend.“

      „Hurra zurück, bitte um Vorschläge!“ sagte Hasard.

      Alle starrten zu dem Segel, Denkfalten auf der Stirn.

      „Spitzbusen!“ röhrte der Profos in die Stille.

      Das Gelächter und Gejohle folgte auf dem Fuße. Auch Sir John kreischte mit, und Arwenack hüpfte auf und ab in sichtlich guter Laune.

      Einzig der Kutscher verzog keine Miene. Sie war sozusagen vereist. Außerdem war er noch sauer wegen des Suppenkessels. Immer dieser Profos. Und Einfälle hatte der!

      Als wieder Ruhe einkehrte, räusperte er sich und sagte kühl: „Ich halte das, was da eben als Name für ein Segel geäußert wurde, für äußerst geschmacklos, wenn nicht für unanständig. Aber es ist ja allgemein bekannt, wer hier an Bord so etwas ausbrütet …“

      Mac Pellew kicherte und empfing von seinem Kombüsengenossen einen verweisenden Blick, einen mit Frost und Eis drin, was den guten Mac aber nicht im geringsten störte.

      „Ich finde“, tönte der dürre Griesgram – er war richtig aufgedreht –, „Eds Vorschlag vortrefflich, will sagen, er trifft genau den Kern.“

      „Natürlich!“ fuhr ihn der Kutscher an. „Du hast ja auch nur Weiber im Kopf, was anderes paßt da nicht rein!“

      „Hast du einen besseren Vorschlag?“ fragte Mac spitz.

      „Jawohl!“ Der Kutscher reckte sich. „Windsbraut!“ Und er blickte sich triumphierend um. „Das klingt nach was! Da steckt Symbolik drin – das Brausen der Winde, das Jubeln der Braut, eine Sinfonie der Sphären, die sich jauchzend vereinen!“

      „Du kriegst dich nicht mehr ein“, murmelte der Profos entgeistert. „Was ist denn das für ein Quasselkram? Hast du noch alle beisammen?“

      „Das ist lyrisch“, erklärte der Kutscher von oben herab. „Davon verstehst du nichts, weil du ein Banause bist und nie von den Musen geküßt wurdest.“

      „Kann ich auch drauf verzichten“, entgegnete der Profos trocken. „Eine Lady aus Fleisch und Blut und mit Spitzbusen ist mir lieber als deine Musentanten.“

      „Mir auch!“ pflichtete Mac Pellew bei und reimte: „Am Busen der Musen kann man nicht schmusen!“

      Der Kutscher hätte fast die Hände gerungen.

      Aber die Arwenacks kicherten und gackerten. Es war wieder köstlich, den drei Streithähnen zuzuhören, wobei Mac und der Profos gegen den Kutscher zusammenhielten, der nun wahrlich den Boden etwas zu „lyrisch“ überspannt hatte.

      Jedenfalls fiel die „Windsbraut“ des Kutschers bei der Abstimmung glatt durch – nur der Kutscher stimmte für sich selbst – und Carberrys „Spitzbusen“ als Name für das neue Segel wurde einstimmig angenommen, wobei sich Will Thorne der Stimme enthielt.

      Die drei „Hurras“ für Will Thorne und Roger Brighton sowie den „Spitzbusen“ donnerten über die See und wurden mit Rum begossen, wie sich das gehörte. Der Inhalt einer Rummuck flog in das windgefüllte Segel, ausgeschüttet vom Namensgeber Edwin Carberry.

      „Ich taufe dich auf den Namen ‚Spitzbusen‘“, röhrte er, „und wünsche dir allzeit gute Fahrt und einen prallen Stand!“

       8.

      Es war gegen sechs Uhr abends an diesem selben Tag. Capitán de Freitas lärmte in seiner Kammer herum. Er war inzwischen volltrunken. Genau genommen hatte er zu tief ins Glas geschaut, weil er sich über zweierlei ärgerte: über diesen Capitán de Vilches, der ihn heruntergeputzt hatte, und über seine drei Offiziere, die auf der verdammten Order herumgeritten waren – um die er allerdings selbst auch nicht herumkam.

      Wenn diese Feiglinge mitgezogen hätten, wäre er der „El Tigre“ nachgesegelt, um de Vilches zur Rede zu stellen. Mit dem, seiner Mannschaft und dem Schiff war etwas faul. Aber er, de Freitas, fühlte sich berufen, der Sache auf den Grund zu gehen. Der Fehler, den er begangen hatte, war der gewesen, sich seiner Offiziere vergewissern zu wollen.

      Eins war klar, das war das einzige und letzte Mal gewesen, diese Schlappschwänze an einer Entscheidung teilhaben zu lassen oder sich ihre Meinungen anzuhören. Das führte zu nichts. Hier hatte es sich gezeigt. Der Erste hatte sogar gewagt, das Kriegsgericht ins Spiel zu bringen. Und prompt waren die anderen beiden Idioten umgefallen.

      „Scheißkerle!“ brüllte der Capitán und taumelte durch die Kammer zu seiner Koje.

      Es klopfte. Er hörte es nicht.

      Da wurde gegen das Schott gehämmert.

      „Was’n los?“ lallte er und stand schwankend in der Kammer, eine Rotweinflasche in der rechten Hand.

      Das Schott wurde aufgestoßen, der Erste erschien. Er preßte die Lippen zusammen, als er den Zustand seines Kapitäns bemerkte.

      „Was wollnse?“ De Freitas sah seinen Ersten doppelt, und der Erste sah, daß sein Kapitän schielte.

      Der Erste straffte sich. „Von achtern aus Westen segelt ein Schiff auf. Ein Dreimaster. Es könnte sich um die ‚El Tigre‘ handeln, aber das vordere Segel spricht dagegen. Ich habe ein solches Segel noch nie gesehen.“

      De Freitas rülpste, schwankte hin und her, ruckte mit dem Kopf, der ständig nach vorn kippte, schielte weiter – und grinste dümmlich.

      „Schei-Scheißschiff – hmmps! – so-soll sich summ T-Teufel sch-scheren“, brabbelte er.

      „Haben Sie mich verstanden?“ fragte der Erste scharf. „Es kann sich um die ‚El Tigre‘ handeln!“

      „Leckense michamarsch – Sie Sch-Scheißer!“

      Der Erste Offizier knirschte mit den Zähnen.

      „W-wiederholnse, was se sind – dasn Befehl“, lallte de Freitas.

      „Sie sind ja betrunken“, sagte er Erste eisig. „Ich werde jetzt den Zweiten Offizier holen, um einen Zeugen über Ihren Zustand zu haben. Dann werde ich Sie auffordern, auf dem Achterdeck zu erscheinen, wo Ihr Platz als Kommandant eines spanischen Kriegsschiffes ist. Wenn Sie das nicht können, werde ich das Kommando über die ‚El León‘ übernehmen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“

      Plötzlich schien de Freitas nüchterner zu werden. Er kniff die Augen zusammen und duckte sich etwas.

      „Wollnse meutern?“ zischte er.

      „Nein, nur an Ihre Pflichten als Kommandant erinnern“, erwiderte der Erste. „Dazu gehört, daß Sie bei Annäherung eines fremden Schiffes auf dem Achterdeck zu stehen haben, es sei denn, Sie haben das Kommando einem Ihrer Offiziere übergeben, was bis jetzt aber nicht der Fall ist. Offenbar sind Sie in Ihrem betrunkenen Zustand nicht mehr in der Lage, Entscheidungen zu treffen, und die müssen jetzt getroffen werden – das andere Schiff segelt sehr schnell auf.“

      „Quatsch! Es gibt kein schnelleres Schiff als die ‚El León‘!“ Jetzt funkelte Wut in den Augen des Capitáns.

      Auch in dem Ersten kochte die Wut. Er hatte sich lange geduckt, zu lange. Das war vorbei – seit er am Nachmittag dem Capitán mit seiner Meinung entgegengetreten war. Plötzlich hatte er Stärke gefühlt und gespürt, daß dieser Kommandant ein Blender war, der sich mit seiner „Lagebesprechung“ nur hatte versichern wollen. Denn wenn er gegen die Order handelte, mußte er die Offiziere auf seiner Seite haben – um sie in die Pfanne hauen zu können, wenn etwas schiefging.

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