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fragte Hasard scharf. „Außerdem wurden Sie nicht um Ihre Meinung gebeten. Oder ist es bei Ihnen an Bord üblich, daß sich subalterne Offiziere mit dummen Bemerkungen in die Gespräche der Kommandanten einmischen?“

      Das Jüngelchen wurde noch röter und hätte sich am liebsten in ein Mauseloch verkrochen.

      De Freitas fühlte sich bemüßigt, seinem Teniente beizustehen.

      „Ich pflichte Teniente de Calheiro bei“, sagte er hastig. „Dieses Schiff wird üblicherweise von nordafrikanischen Piraten gesegelt.“

      „Mir bekannt“, sagte Hasard trocken. „Und was soll daran merkwürdig oder ‚allerhöchst verdächtig‘ sein? Ich will Ihnen was verraten, damit Sie ruhig schlafen können und sich nicht den Kopf über Dinge zerbrechen, die Sie aus Gründen der Geheimhaltung gar nichts angehen. Dieses Schiff, eine Schebecke, wurde von der Admiralität als Kurierschiff für besondere Aufgaben übernommen und mir unterstellt. Der Grund für diese Maßnahme war, daß es bis jetzt kein schnelleres und tüchtigeres Schiff für diese bestimmten Zwecke gibt. Falls Sie etwas von Schiffen verstehen, dann sollten Sie wissen, daß die Admiralität keine bessere Wahl hätte treffen können. Aber Sie können ja der Admiralität bei Gelegenheit mitteilen, daß Sie dieses Schiff für merkwürdig und allerhöchst verdächtig halten. Man wird höheren Orts entzückt über Ihre Ansichten sein. Das wär’s wohl. Sie dürfen sich verabschieden, Señores!“ Hasard nickte kühl und wandte sich dem Achterdeck zu.

      Die beiden „Señores“ standen wie begossene Pudel da und verschwanden von Bord, als der Profos mit einem Knurrlaut zu der Pforte im Schanzkleid wies. Kaum hatte die Jolle abgelegt, da brauste die Schebecke unter voller Preß hinter dem Konvoi her.

       6.

      Capitán de Freitas steckte voller Gift und Galle. Er war heruntergeputzt worden wie ein dummer Junge – und das im Beisein dieses Jünglings von Teniente. Daß er selbst diese scharfen Antworten des anderen Capitáns herausgefordert hatte, ging ihm nicht ein. Voller Wut starrte er hinter der Schebecke her, die regelrecht davonstob. So etwas dämmerte ihm, daß dieses Schiff allen anderen derzeitigen Seglern an. Geschwindigkeit haushoch überlegen war. Das brachte ihn noch mehr in Rage.

      „Hätten Sie nicht das Maul halten können?“ schnauzte er den Teniente an, während die Jolle zur „El León“ zurückgepullt wurde. Der Teniente saß an der Pinne und steuerte Schlangenlinien. „Kurs halten!“ brüllte der Capitán. „Sie Idiot, Sie!“ Endlich hatte er jemanden, an dem er sich austoben konnte.

      „A-aber“, stotterte der Jüngling, „Sie – Sie sagten doch selbst, die – die Schobacke sei …“

      „Schebecke!“ brüllte der Capitán.

      Vor Schreck verriß der Jüngling die Pinne, eine Welle klatschte achtern gegen die Bordwand und überduschte die beiden Señores Offiziere, so daß ihnen das Wasser in die Halskrausen lief. Die Bootsgasten beugten sich vor, um ihr schadenfrohes Grinsen zu verbergen.

      „Wahnsinnig geworden?“ brüllte der Capitán und wischte sich das Seewasser aus dem Gesicht. „Zu dämlich zum Steuern, der Scheißkerl! Weg da! Ich übernehme!“ Rigoros wurde der Jüngling zur Seite gestoßen, und der ehrenwerte Capitán steuerte selbst.

      Der Teniente de Calheiro stand dicht vorm Heulen. Sein Vater war Generalkapitän in der Armada. Er würde sich bei ihm beschweren über diesen rüden Capitán de Freitas, jawohl, das würde er. Es gehörte sich nicht, einen Teniente in Anwesenheit des niederen Decksvolkes derart anzupöbeln, zumal es dessen Autorität untergrub.

      „Das melde ich meinem Vater!“ giekste das Jüngelchen in einem Anflug von Trotz.

      Na, das war Wasser auf die wutmahlende Mühle des Capitáns. Und so folgte denn ein Anschiß dem anderen, bis die Jolle bei der „El León“ längsseits glitt und der Capitán sich heiser gebrüllt hatte.

      An Deck röchelte er den Bootsmann an, die Jolle sofort aufhieven zu lassen. Dann stürmte er zum Achterdeck und berief eine Lagebesprechung der Offiziere ein, Sie fand in seiner Kammer statt. Inzwischen sollte die „El León“ auf Ostkurs gehen.

      Die drei Offiziere erschienen in der Kammer und bauten sich neben dem Schott auf. Eine Aufforderung, Platz zu nehmen, erhielten sie nicht. Dafür saß der Capitán hinter seinem Schreibpult, das fest mit den Planken verbolzt war, um bei Seegang nicht auf Wanderschaft zu gehen. Der Capitán stärkte sich mit Rotwein. Außerdem mußte er seine rauhe Kehle ölen. Seinen drei Offizieren bot er nichts an, die hatten ja auch keine rauhe Kehle.

      „Ähem“, äußerte der Capitán, „habe Sie zur Besprechung beordert, um Entscheidung zu treffen.“ Seine Stimme klang heiser, und er mußte sie wieder ölen.

      Die drei Señores wunderten sich. Entscheidungen hatte der Capitán bisher immer allein getroffen, ohne sie um ihre Meinung zu fragen. Darum hatten sie sich längst abgewöhnt, eine zu haben.

      „Situation stellt sich wie folgt dar“, fuhr der Capitán fort. „Kommandant der Schebecke ist ein gewisser Capitán Julio de Vilches, Neffe des gleichnamigen Kommandanten der Kriegsgaleone ‚Casco de la Cruz‘, bei dem ich die Ehre hatte, drei Jahre als Erster Offizier zu fahren. Tadelloser Offizier und Seemann, dieser ältere Capitán de Vilches – ähem. Er wurde von seinem Neffen mir gegenüber gröblichst verunglimpft. Der Teniente ist Zeuge.“

      „Jawohl, bin Zeuge“, krähte das Jüngelchen und reckte die Brust heraus, aber viel war da nicht, weil es eine Hühnerbrust war.

      „Schebecke heißt ‚El Tigre‘, wurde als Kurierschiff der Admiralität in Dienst gestellt und führt zur Zeit einen geheimen Auftrag aus – offenbar als Begleitschutz eines für Seine Majestät bestimmten Konvois – ähem.“ Und wieder mußte die Kehle geölt werden.

      „Habe den Verdacht“, setzte der Capitán seihen Monolog fort, „daß auf der Schebecke einiges nicht stimmt, obwohl der Kommandant versichert, einiges Ansehen bei der Admiralität zu genießen. Schwer zu durchschauender Bursche, dieser Julio de Vilches – ganz im Gegensatz zu seinem Onkel – ähem. Habe an Bord ‚El Tigre‘ einen Neger entdeckt. In der Montur unserer Seesoldaten. Ungeheuerlich, das!“ Die Erregung übermannte den Capitán, sein Schnauzbart sträubte sich, und die Kehle mußte nachgeölt werden.

      „Und zwei Seesoldaten hatten Haken, statt richtiger Hände!“ platzte der Teniente heraus.

      Da wollte auch der Zweite Offizier seinen Senf hinzugeben und sagte: „Melde, daß ich durchs Spektiv einen alten Grande auf dem Achterdeck sah, der ein Holzbein hatte.“

      Der Capitán rülpste und stellte fest: „Ein Kurierschiff der Admiralität, das mit Krüppeln und einem Neger besetzt ist. Ferner einem Monster, dem der Helm zu klein war. Fällt Ihnen etwas auf, Señores?“

      „Neger und Krüppel haben auf Schiffen Seiner Majestät nichts zu suchen!“ schnarrte der Zweite Offizier. „Sie sind eine Beleidigung für die Krone!“

      Der Zweite Offizier war ebenfalls ein Adelssproß, einer von der arroganten überheblichen Sorte, bei der der Mensch unterhalb des eigenen gesellschaftlichen Ranges als Niemand galt. Die Jagdhunde dieser Señores waren höher eingestuft als die Niemande. Neger und Krüppel waren noch weniger als Niemande und hatten den Status von lästigem Ungeziefer.

      „Sehr richtig“, sagte der Capitán zu der Feststellung seines Zweiten Offiziers. „Neger und Krüppel haben auf Schiffen Seiner Majestät nichts zu suchen. Daraus folgert, daß es auf diesem Schiff nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Stelle daher zwei Alternativen zur Debatte. Erste: Wir bleiben auf Ostkurs, laufen Cadiz an und erstatten der Admiralität Meldung. Zweite: Wir gehen wieder auf Gegenkurs, fordern restlose Aufklärung und eröffnen gegebenenfalls das Feuer auf verdächtiges Objekt – ähem.“ Die Kehle mußte wieder kräftig geschmiert und geölt werden. Der Pegel in der Rotweinflasche nahm rapide ab, die Röte auf der Nase des Capitáns zu.

      „Feind muß gestellt und vernichtet werden!“ krähte der Junggockel von Teniente und

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