Скачать книгу

es, wenn da noch andere Dons herumtörnten, was gar nicht mal ausgeschlossen war.

      Man erwartete spanischerseits den Konvoi, und es konnte durchaus sein, daß jemand der hohen Señores bei der Admiralität befunden hatte, die Viermast-Kriegsgaleone „Casco de la Cruz“ genüge nicht, den Konvoi abzusichern. Nein, da müsse alles aufgeboten werden, was Kanonen trage, um die kostbare Ladung unbeschadet nach Sevilla zu geleiten.

      Der Seewolf schloß noch einmal zur „Respeto“ heran, befahl dem Capitán, zügig weiter dem Konvoi nachzusegeln, und ließ den Bug der Schebecke auf die Kriegskaravelle richten. Klar, daß sie an der Besangaffelrute die spanische Flagge gesetzt hatten, um nicht von vornherein mit Mißtrauen beäugt zu werden.

      Im übrigen waren für Hasard neugierige Dons das letzte, was er zu treffen wünschte, ganz abgesehen von den dummen Fragen, die man stellen würde. Im übrigen war wohl klar, was die Dons angelockt hatte: die verdammte Qualmwolke der „Respeto“. Sie hatte lange genug an der Kimm gestanden, um eingepeilt zu werden. Der Kurs der Kriegskaravelle wies eindeutig auf die frühere Position dieser Sichtmarke.

      „Klarschiff zum Gefecht, Sir?“ fragte Ben Brighton sachlich.

      „Nein!“ fuhr ihn Hasard an. „Sollen wir uns noch in Sichtweite von der ‚Respeto‘ mit den Dons herumschießen, Mister Brighton?“

      „War nur ’ne Frage, Sir“, erwiderte der Erste unbeeindruckt. „Außerdem bin ich nicht schwerhörig und ärgere mich genauso wie du über die bevorstehende Begegnung.“

      „Entschuldige“, brummte Hasard. „Diese Karavelle paßt mir wie der Igel zum Abputzen des Hinterns.“

      „Etwa so“, brummelte Ben Brighton und Verbiß sich das Grinsen, um seinen geladenen Kapitän nicht noch mehr zu reizen. „Du hast das sehr fein ausgedrückt.“

      Da mußte Hasard selber lachen.

      „Karavelle hat je acht Stücke auf beiden Seiten“, meldete Dan O’Flynn. „Außerdem jede Menge Drehbassen.“

      „Danke, Dan“, sagte Hasard. „Bitte aufpassen, ob außerdem noch mehr von diesen Vögeln hier in der Gegend herumschwirren.“

      „Ach ja?“ sagte Dan grinsend. „Was sonst tue ich wohl, wenn ich die ganze Kimm mit dem Spektiv absuche? Ich passe auf, richtig, und das nicht zum ersten Male, Señor Capitán. Aber bis jetzt ist nichts weiter in Sicht.“

      „Sehr erfreulich“, murmelte Hasard. „Hoffentlich bleibt’s auch so.“ Er wandte sich zur Kuhl um und rief zum Profos hinunter: „Ed, sorg bitte dafür, daß unser Tierpark unter Deck verschwindet! Wir sind schließlich ein spanisches Kriegsschiff!“

      Carberry zeigte klar und griff sich auch gleich seinen Sir John, bevor er von seiner Schulter flüchten konnte. Es war allgemein bekannt, daß die Krachente sehr eigensinnig werden konnte. Außerdem mußte vermieden werden, daß Sir John wieder mit englischen Kraftworten loslegte. Das konnte Mißtrauen hervorrufen.

      Batuti brachte Arwenack unter Deck, die Zwillinge kümmerten sich um Plymmie, die Wolfshündin.

      Sie waren längst verschwunden, als die beiden Schiffe aufeinander zusegelten.

      „‚El León‘ heißt die Kiste“, meldete Dan O’Flynn, „und ihre Galion verziert auch ein solcher, und zwar springend und die Tatzen vorgereckt.“

      „El Léon“ – „Der Löwe“.

      „Aha“, sagte Hasard, und er hatte zu seiner alten Gelassenheit zurückgefunden. „Wirklich ein schöner Name für ein Schiff – und so sinnig, obwohl’s derlei Getier auf See nicht gibt. Dabei fällt mir ein, daß wir mit unserer Schebecke namenlos über die Ozeane fahren.“

      „Schlage ‚El Tigre‘ vor“, sagte Ben Brighton prompt und hatte so ein gewisses Zucken um die Mundwinkel.

      „Genehmigt!“ schmetterte Hasard und salutierte vor seinem Ersten.

      Der salutierte auch. Die reinste Kasperei war das, aber damit überbrückten sie die Ungewißheit dieser Begegnung. Und die Dons würde beeindrucken, wie sich diese beiden Señores auf dem Achterdeck dieses sehr merkwürdigen Schiffes verhielten und einander Achtung bewiesen. Immer diese Formen, nicht wahr?

      Und auf dem Achterdeck der „El León“ hatten sie Señores auch eifrig die Spektive vorm Auge und studierten das Schiff, das zumindest im Atlantik, außerhalb des Mittelmeeres, ein sehr seltenes Objekt war.

      So schnarrte denn der Kommandant der „El León“, ein gewisser José de Freitas, unter seinem gesträubten Schnauzbart zu den um ihn versammelten drei Offizieren: „Höchst verdächtig dieses Schiff! Höchst verdächtig! Schiffe dieses Typs pflegen nordafrikanische Piraten zu benutzen – ähem! Höchst verdächtig!“

      „Höchst verdächtig“, bestätigte sein Erster Offizier, und der Zweite und der Dritte Offizier schlossen sich diesem „höchst verdächtig“ an, weil sie sowieso keine Meinung, keine eigene, zu haben hatten.

      Der Dritte Offizier, ein Jüngling im Teniente-Rang, setzte beflissen noch einen drauf, indem er verkündete: „Allerhöchst verdächtig!“

      Da mochte der Zweite Offizier nicht zurückstehen und gestattete sich die Bemerkung: „Aber das höchst verdächtige Schiff führt die spanische Flagge, Señor Comandante.“

      José de Freitas winkte unwirsch ab: „Interessiert mich nicht!“ Er war das, was man einen Eisenfresser nennt, ein martialischer Kerl mit einem Stiernacken, dunklen stechenden Augen, einem viereckigen Kinn und eben einem Schnauzbart, der sich zu sträuben pflegte, wenn den Capitán Wallung ergriff – wie jetzt.

      Da war die Rauchwolke an der Kimm, gewesen, auf die er sofort nach der Sichtmeldung zugesegelt war – voller Tatendrang, weil in den letzten zwei Wochen, seit sie ausgelaufen waren, nichts passiert war. Die Order für ihn lautete schlicht und einfach, weit vor der spanischen Küste Aufklärung zu fahren und sie nach Westen abzusichern. Bei Feindberührung hatte er sich allerdings sofort abzusetzen, jedes Gefecht zu meiden und in Cadiz Bericht zu erstatten.

      Im Nordwesten segelte eine einzelne Galeone nordwärts, und an der nordnordwestlichen Kimm waren gerade noch viele Mastspitzen an der Kimm zu erkennen – offenbar ein Konvoi.

      Und dazu nun dieses Piratenschiff der algerischen Küste, das auf sie zusegelte.

      Das war nicht nur höchst verdächtig, sondern auch höchst verwirrend! Eine spanische Flagge – ähem! Sah doch wie ein Kriegsschiff aus, dieses Piratenschiff! Kerle ordentlich gekleidet mit Brustpanzer und Helm. Achterdeck besetzt mit Offizieren, erweisen einander Ehrenbezeugung! Straffe Burschen – ähem! Wird gut gesegelt, dieser – äh – Dreimaster, sehr gut sogar! Segel stehen aus-ge-zeichnet – ähem-ähem! Flottes Schiff! Sehr flott sogar …

      Capitán de Freitas stierte sich das rechte Auge aus, mit dem er durchs Spektiv beobachtete – bis er mit dem Okular den breitschultrigen Riesen auf dem Achterdeck erfaßte. Und da schluckte er, denn er konnte sich nicht erinnern, jemals ein so verwegenes Gesicht gesehen zu haben. Und so gut geschnitten – ein Mann von Adel! Und er schluckte ein zweites Mal. Nein, nein, das war kein algerischer Pirat, das war ein Grande! Teufel auch, diesen Mann mußte er kennenlernen!

      Das rechte Auge triefte ihm, und da setzte er aufatmend das Spektiv ab. Seine drei Offiziere starrten ihn beflissen an. Er wischte sich über das rechte Auge und schnarrte: „Jolle klarmachen zum Aussetzen!“

      Die drei Offiziere glotzten. Jolle aussetzen bei einem „höchst verdächtigen Schiff“ nordafrikanischer Piraten? Kein „Klarschiff zum Gefecht?“

      Sie verstanden die Welt nicht mehr und zuckten unisono zusammen, als der Kommandant sie anpfiff, gefälligst „den Arsch“ zu bewegen. José de Freitas, adliger Herkunft, war kein Freund wohlgesetzter und artiger Verbindlichkeiten. Er haute am liebsten gleich mit dem Vorschlaghammer drauf.

      So einer war das – eben ein Eisenfresser.

      Die Kriegsgaleone und die Schebecke glitten einander näher – die „El León“ halbwinds

Скачать книгу