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würde von Raubmöwen und Raubfischen vertilgt werden.

      Ob die Viecher wußten, in welcher Richtung Land lag, war dem Profos schleierhaft. Aber es war schon erstaunlich, daß sie ostwärts steuerten, als sei in ihrem Gehirn ein Kompaß eingebaut. Und warum schor keine aus und wandte sich nord-, west- oder südwärts? Nein, sie hielten alle Kurs.

      Nur einem war der Abmarsch der Ratten völlig piepe.

      Sir John.

      Er trippelte auf der Marsverkleidung herum und quasselte offenbar den Dürren an, der weiterhin im Mars unsichtbar blieb.

      Kapitän Pigatto hatte sich inzwischen wieder aufgerappelt und schielte an seiner arg lädierten Knubbelnase vorbei fassungslos zu den von Bord huschenden Ratten.

      Carberry räusperte sich die Kehle frei und sagte grimmig: „Und da jammerst du wegen deiner verkohlten Matratzen, du Armleuchter! Was los ist, wenn die Ratten das Schiff verlassen, weißt du ja wohl, was, wie? Scheint so, als sei deine ‚Respeto‘ auf ihrer letzten Fahrt.“

      Da fing der Capitán an zu beten, und der Profos zuckte mit den Schultern. Ob der Große Kapitän dort oben im Himmel das Gebet zur Kenntnis nehmen würde, erschien ihm höchst fraglich – und noch fraglicher, ob das Gebet etwas nutzen würde.

      „Hast du sonst auch gebetet?“ fuhr er den Capitán an.

      Miguel Pigatto zuckte zusammen, unterbrach seine Anrufung des Herrn der himmlischen Heerscharen und stotterte ein: „N-n-nein, s-sonst n-nicht.“

      „Dann hat’s jetzt auch keinen Zweck“, sagte der Profos ruppig. „Der Herr läßt sich nicht bescheißen, damit du klarsiehst. Immer erst anfangen zu beten, wenn’s Matthäi am letzten ist, das zieht nicht. Nimm’s hin wie ein Mann, verdammt noch mal, und stirb wie ein Kerl!“

      „Ich will aber nicht sterben!“ lamentierte der Capitán.

      „Das will keiner“, erklärte der Profos, wurde philosophisch und fügte hinzu: „Dabei fängt das Sterben bei der Geburt an, so daß du Zeit hast, dich daran zu gewöhnen.“

      An Steuerbord klatschte wieder etwas ins Wasser, und es zischte und qualmte. Dieses Mal handelte es sich um einen Ballen Segeltuch.

      Carberry deutete mit dem Daumen über die Schulter und kommentierte: „Alles ist vergänglich, auch Segeltuch, Matratzen und Tauwerk.“

      Jetzt drehte nicht der Capitán, sondern sein Bootsmann durch, der mit dem Glaskinn. Er sprang zu der mittschiffs auf Klampen liegenden Jolle, löste die Zurrings und brüllte die Decksleute an, die Jolle außenbords zu hieven.

      „Ich will weg von diesem Totenschiff!“ brüllte er. „Ich will nicht absaufen! Das Schiff ist verflucht und vom Teufel besessen!“

      Die Spanne bis zu einem explosionsartigen Ausbruch von Panik war eh knapp bemessen gewesen. Die Zündung löste der Bootsmann mit seinem Gebrüll aus.

      Plötzlich spielten die Kerle verrückt und prügelten sich um die Jolle, die sie offenbar gleich im Kurzverfahren über Bord werfen wollten, ohne sie vorher sachgemäß an die Heißtakel zu hängen, auszuschwingen und zu Wasser zu lassen. Einige kletterten einfach in die Jolle und klammerten sich an den Duchten fest. Sie hatten alle verzerrte Gesichter und irre Augen.

      Mit einem wilden Knurren ging der Profos dazwischen, sofort unterstützt von einigen Arwenacks, denen weitere von der Schebecke folgten. Quer über die Kuhl tobte ein Kampf, den die Arwenacks mit kompromißloser Härte führten. Denn die Spanier wurden in ihrer Panik und Todesangst unberechenbar. Die ersten Messer blitzten auf. Da verzichteten die Arwenacks auf ihre harten Fäuste und griffen sich Belegnägel.

      Carberry hatte den hysterischen Bootsmann mit dem Profoshammer gefällt – ein Schlag aufs Haupt, und da war der Kerl fast durch die Decksplanken gebrochen. Jetzt bahnte er sich einen Weg zur Jolle, in der sich die übelsten Radaubrüder versammelt hatten und mit Riemen um sich schlugen.

      Es war geradezu grotesk: Im Wasser wäre ein Kampf um die Jolle – um einen Platz darin – vielleicht noch verständlich gewesen, und oft genug war das auch geschehen, vor allem bei Mannschaften, bei denen sich jeder selbst der Nächste war, die keinen Zusammenhalt hatte und keine Disziplin kannte, vor allem Selbstdisziplin.

      Der Kampf um eine Jolle aber, die noch an Deck des Schiffes stand, war völlig absurd und zeigte, daß die Kerle von allen guten Geistern verlassen waren. Sie waren nichts weiter als eine Bande vom Tollhäuslern, denen Angst und Panik den letzten Rest von Verstand geraubt hatten.

      Der Profos begriff das und ging dazu über, einen Kerl nach dem anderen außenbords und ins Wasser zu befördern, wo sie sich ernüchtern konnten. Die Arwenacks fackelten nicht lange und fanden, dies sei die beste Methode, diese Verrückten in die Wirklichkeit zurückzuholen.

      Am meisten erbitterte sie dabei, daß sie es waren – allen voran ihr Kapitän –, die versuchten, diesen transusigen Dons zu helfen und das Schiff zu erhalten. Natürlich dachten sie im stillen an den Schatz im Bauch der Galeone, den sie für ihre königliche Lissy bestimmt hatten. Aber die Dons hätten genauso an die kostbare Ladung denken können, die der König von Spanien erhalten sollte und die es zu bewahren galt.

      Beide Seiten waren im Grunde gleich motiviert, aber die Arwenacks kämpften für ihre Sache, während sich die Dons den Teufel um ihr Schiff kümmerten und dazu noch verrückt spielten.

       4.

      Philip Hasard Killigrew erschien auf der Back, alarmiert von den Zurufen seiner Mannen, die mitgekriegt hatten, was sich auf der Kuhl tat.

      Mit einem Blick übersah er die Lage, sprang auf die Kuhl und verkürzte Carberrys Verfahren, indem er nach einer vollen Pütz griff und ihren Inhalt dem erstbesten Kerl ins Gesicht schüttete. Weil der gerade mit offenem Maul den Himmel anschrie, klatschte ihm das Wasser hinein, und er verstummte abrupt mit dem Gebrüll. Er konnte nur noch gurgeln und würgen und nach Luft röcheln. Für den Kampf um die Jolle fiel er aus.

      In diesem Augenblick fegte ein Schatten mittschiffs und in Längsschiffsrichtung vom Großmast her zum Bug hin über die Kuhl und über die Jolle hinweg, die zwischen Großmast und Back auf den Klampen lagerte und von sechs Kerlen besetzt war – dem Rabaukenkern der „Respeto“-Crew.

      Ein Arwenack hatte wieder in die Trickkiste gegriffen, einer, der sich schon häufig bei Enter- oder Bordkämpfen in dieser Art und Weise betätigt und bewährt hatte.

      Old Donegal Daniel O’Flynn.

      Ganz einfach. Er war – ohne daß die Kerle davon Notiz genommen hatten, weil sie viel zu beschäftigt waren, ihre Jolle zu verteidigen – zum Großmars auf geentert, hatte sich dort das Großbramfall geschnappt, das Großbramsegel war aufgetucht, hatte am unteren Ende des Falls in einer bestimmten Höhe einen Knoten geschlungen, auf dem er sitzen konnte, das Fall zwischen den beiden abgegrätschten Beinen – und war abgesaust, Richtung Vorschiff.

      Das rechte Holzbein des „Admirals“ – wie ihn die Enkel titulierten – war steif vorgereckt wie die Lanze eines Ritters. Mit dem unteren verdickten Ende des Holzbeins krachte er gegen den dummen Kopf des ersten Kerls, der sich im Bug der Jolle befand und gerade einem Bordkameraden den Riemen um die Ohren hauen wollte. Daraus wurde nichts.

      Old Donegals Holzbein stieß ihn um. Er prallte im Sturz gegen seinen Nachbarn, der auf der zweiten vorderen Jollenducht stand, riß den um, und auch der nahm seinen Nachbarn auf der mittleren Ducht mit, als er stürzte.

      Damit kippten drei Kerle teils in die Jolle, teils auf die Duchten – wie wegrasiert und mit dem entsprechenden Effekt: es waren nur noch strampelnde Beine zu sehen. Das Gebrüll paßte zum jähen Sturz.

      Die drei Kerle im achteren Teil der Jolle verfehlte das Holzbein Old Donegals um Haaresbreite, was indessen für den alten Zausel kein Problem darstellte. Auf dem Scheitelpunkt des Ausschwungs – als das Fall wieder zurücksauste – wechselte Old Donegal blitzschnell den Sitz, so daß er jetzt Front zum Achterschiff einnahm.

      Das

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