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Glatzkopf Eric Winlow erreichte als Schiffskoch nicht die Qualitäten des Kutschers oder seines Zweitkochs Mac Pellew. Seiner grobschlächtigen Art entsprechend beherrschte er nicht die Finessen jener erlesenen Menüs, die von den beiden Arwenack-Köchen gezaubert wurden. Aber er hatte dennoch eine Bohnensuppe mit Fleischeinlage zubereitet, die kräftig, nahrhaft und mit Pfeffer geschärft war.

      Der Profos verputzte fünf Kummen. Paddy Rogers brachte es auf sieben, tätschelte anschließend sein Bäuchlein und verkündete frohgemut, die „geschnetzelten Regenwurmeinlagen“ hätten ihm ganz besonders gemundet.

      „Das waren auch eigens gezüchtete Regenwürmer“, sagte Eric Winlow, sich die Glatze streichend.

      Paddy hätte es beinahe geglaubt. Aber eben nur beinahe.

       2.

      Am frühen Morgen des nächsten Tages stieß die „Isabella IX.“ auf den Konvoi zu, das heißt, sie segelte von achtern auf. Und Jean Ribault samt seiner Mannen einschließlich der sechs Arwenacks atmeten auf. Das Rätselraten hatte ein Ende – die Ungewißheit, es könne etwas mit der Schebecke der Seewölfe oder Arne von Manteuffels „Wappen von Kolberg“ passiert sein.

      Allerdings qualmte ein Schiff, das am Ende des Konvois herumhing und nicht voll unter Segeln stand. Alle Segel am Fockmast waren aufgetucht. Die Blinde unter dem Bugspriet war auch nicht gesetzt. Das ganze Vorschiff war in Rauch gehüllt, als sei unter der Back ein riesiger Ofen in Betrieb genommen worden. Flammen waren nicht zu sehen, also mußte es sich um einen Schwelbrand handeln, der allerdings jederzeit zu einem offenen Feuer werden konnte.

      Als Jean Ribault und seine Männer näher aufgesegelt waren, sahen sie, daß Kerle auf dem Vorschiff des Qualmers damit beschäftigt waren, immer wieder Pützen voller Seewasser über der Back auszugießen – eine durchaus richtige Maßnahme, denn in Nässe und Feuchtigkeit kann sich kein Feuer ausbreiten. Die stärkere Rauchentwicklung war bei dieser gefährlichen Situation das kleinere Übel – auch wenn der Rauch meilenweit zu sehen war.

      Den Dons konnte das gleichgültig sein, nicht aber den Mannen auf der Schebecke und der „Wappen von Kolberg“. Denn bei dem herrschenden Südwestwind zog der Rauch nordostwärts, und dort hinter der Kimm lag die Iberische Halbinsel. Angenommen, spanische Wachschiffe patrouillierten weit vor der Küste, dann konnte es sein, daß sie den Rauch entdeckten.

      Das heißt, dieser verdammte Rauch mußte die Dons anziehen wie Honig die Bienen.

      Das alles ging Jean Ribault durch den Kopf, als er zur Schebecke der Seewölfe aufschloß, um Bericht zu erstatten und die sechs Arwenacks wieder übersetzen zu lassen.

      Auch Hasard und seine Mannen waren erleichtert gewesen, als der scharfäugige Dan O’Flynn bei einem Rundblick nach achtern die „Isabella IX.“ gesichtet und gemeldet hatte.

      Hasard war mehr als ein Stein von der Seele gepoltert. Mit zwei Schiffen des Bundes der Korsaren eine Hammelherde von widerspenstigen Dons zusammenzuhalten war die eine Sache, die schon eine gehörige Portion von Geduld und Zähigkeit verlangte. Eine andere Sache war es, sich jetzt auch noch mit der qualmenden „Respeto“ herumärgern zu müssen.

      Philip Hasard Killigrew kochte wie ein unter Dampf stehender Kessel.

      Denn auch ihm war klar, was diese qualmende Galeone bewirkte. Fast war er versucht, an Sabotage zu glauben. Wenn er sich selbst in die Situation eines der Kapitäne des Konvois versetzte, würde er möglicherweise ähnlich handeln – in der Hoffnung, die Fahrt nach Irland abbrechen zu können. Er würde diesen muffigen Querkopf Miguel Pigatto, den Kapitän der „Respeto“, wohl mal ganz gehörig ins Gebet nehmen müssen.

      Zunächst ließ er die Schebecke in den Wind schießen, damit Jean Ribault mit der „Isabella“ längsseits gehen konnte. Der Franzose folgte dem Manöver und glitt mit auslaufender Fahrt an die Backbordseite der Schebecke. Leinen flogen herüber und wurden vertäut.

      Die sechs Arwenacks – Carberry voran – schwangen sich auf die Schebecke hinüber.

      „Melde mich wieder an Bord, Sir!“ dröhnte der Profos grinsend und zirkelte einen Gruß, indem er die ausgestreckte Rechte an die rechte Kopfseite führte. „Alle Affenärsche wohlauf und gesund. Keine besonderen Vorkommnisse – bis auf die Kleinigkeit, daß wir dem viermastigen ‚Feuerkacker‘ mit ’ner begallten Pulverladung das Heck weggeblasen haben.“

      Da polterte dem Seewolf noch ein Stein von der Seele. Das war doch schon was. Zumindest die „Casco de la Cruz“, dieses monströs bestückte Kriegsschiff der Dons, würde ihnen keinen Ärger mehr bereiten.

      „Danke, Ed“, sagte Hasard lächelnd. „Fein, daß ihr wieder bei uns seid. Daß wir euch ein bißchen vermißt haben, brauche ich wohl nicht extra zu betonen.“

      Das ging dem Profos runter wie Öl. Außerdem kannte er seinen Kapitän, der eher untertrieb. Wenn er „ein bißchen“ sagte, meinte er eine ganze Menge mehr. Da strahlte der Profos über das wilde vernarbte Gesicht mit dem Rammklotz von Kinn.

      Fast gerührt murmelte er: „Das hört man gern.“

      Jean Ribault setzte über und landete auf der Kuhl, wo ihn Hasard begrüßte und ihm zu dem Unternehmen gratulierte. Der schlanke Franzose berichtete im einzelnen – auch über die gelungene Ausschiffung der Schwarzen, die Sklaven hatten werden sollen – und fügte zum Schluß hinzu: „Daß wir so schnell wieder zu euch stoßen konnten, verdanken wir dem Qualmer dort drüben!“ Er deutete mit dem Kopf zur „Respeto“. „Die Rauchwolke war bereits hinter der Kimm zu sehen. Eine feine Sichtmarke für neugierige Dons.“

      „Weiß ich“, knurrte Hasard, „und den Burschen werde ich auch gleich den Marsch blasen. Mir sieht’s nämlich ganz so aus, als legten es die Kerle darauf an, schön schwarz zu qualmen, und das möglichst lange.“

      Jean Ribault kniff die Augen zusammen. „Du meinst, sie qualmen absichtlich?“

      Hasard stellte die Gegenfrage: „Was würdest du denn als spanischer Kapitän tun, wenn du nicht nach Irland segeln willst?“

      Jean Ribault wiegte den Kopf. „Na, lieber in der Nacht heimlich abhauen wie die ‚Nobleza‘, als mir möglicherweise den Hintern zu verbrennen. Mir wäre das zu riskant. Noch ist das da drüben ein Schwelbrand im Vorschiff. Aber daraus kann sehr schnell ein Fegefeuer werden. Du weißt doch, jeder Seemann hat vor nichts einen größeren Bammel als vor Feuer im Schiff. Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, daß die Kerle so dreist sind, selbst Feuer zu legen. Das grenzt ja schon an Selbstverstümmelung.“

      „Einen Verrückten kümmert das nicht“, erwiderte Hasard. „Außerdem verkennst du etwas die Situation. Die ‚Respeto‘ segelt im Verband, ist also kein Einzelfahrer. Wäre sie Einzelfahrer, würde ich dir recht geben, daß sie sich hüten, Feuer zu legen. Aber im Verband haben die Kerle die Möglichkeit, jederzeit auf ein anderes Schiff überzusteigen, wenn sie des Feuers nicht mehr Herr werden. Sie riskieren also gar nichts – nur den Verlust von Schiff und Ladung.“

      „Das stimmt“, gab Jean Ribault zu und blickte nachdenklich zur „Respeto“, wo immer noch eifrig Seewasser gepützt und über die gesamte Back geschüttet wurde. Gleichzeitig wurde offenbar gepumpt, denn aus bestimmten Speigatten lief stoßweise Wasser – dies vornehmlich im Bereich der Kuhl.

      Spielten die da drüben nun Theater, oder war das ein echter Notfall?

      Jean Ribault zog das Spektiv aus dem Gürtel und spähte hinüber. Die Kerle wirkten müde und ziemlich geschafft. Nein, das war nicht gespielt, das war echt. Helle Gesichter gab es kaum, fast alle waren rußig verschmiert. Ihre Kleidung sah entsprechend aus, das heißt, ein großer Teil trug nur die Hose, die bis zu den Knien hochgekrempelt war. Ihrer Hemden hatten sie sich entledigt, vermutlich, weil sie sich wie auf dem Bratrost fühlten.

      „Seit wann kokelt die ‚Respeto‘?“ fragte Jean Ribault und setzte den Kieker ab.

      „Seit anderthalb Tagen“, erwiderte Hasard grimmig. „Ich bot dem verdammten

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