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Arwenacks brauchten nur in die Jolle zu langen und mit den Belegnägeln den Kerlen was an die Dummköpfe zu pochen oder sie mit Wasserpützen abzukühlen, was auch der Reinlichkeit dienlich war. Damit war der Kampf um die Jolle entschieden.

      Old Donegal enterte bereits grinsend vom Großmars ab. Er war mit sich vollauf zufrieden – konnte er auch sein, und Hasard winkte ihm anerkennend zu.

      „Sehr gut, Don Donegallo!“ rief er.

      Und der „Admiral“ verbeugte sich mit Grandezza.

      „Gern geschehen, Don Julio!“ rief er zurück und feixte bis zu den Ohren.

      Die Kerle von der „Respeto“ glotzten nur mit dummen Kalbsaugen – soweit ihre Klüsen nicht dichtgeschlagen waren. Sie betasteten ihre Beulen und ächzten und stöhnten. Die Luft war raus. Vom Wahnsinn ernüchtert, waren sie nur noch klägliche Elendsgestalten, die selbst nicht begriffen, was sie umgetrieben hatte.

      An über Bord gehängten Seilen enterten jene auf, die ein Bad genommen hatten, ein Zwangsbad mit heilender Wirkung. Allmählich füllte sich die Kuhl, während ein Teil der Arwenacks schon wieder damit beschäftigt war, die Vorpiek restlos auszuräumen. Alles flog außenbords – Matratzen, Taurollen und Segeltuchballen.

      Nach menschlichem Ermessen war der Schwelbrand beseitigt. Letzte Schwaden von Rauch und Qualm zogen ab, und Hasard sowie Ferris Tucker kontrollierten noch einmal die Vorpiek. Sie gähnte leer und hatte ein gründliches Reinschiff nötig, denn rußige Schlieren, vermengt mit Seewasser, bedeckten Planken und Seitenwände.

      Ferris Tuckers scharfer Blick blieb auf einer Stelle der Bodenplanken in der Nähe des Schotts haften.

      „Nanu“, murmelte er, trat näher und leuchtete mit einer Lampe die Stelle aus.

      Auch Hasard hatte sich umgewandt und betrachtete die Stelle: sie war schwarz verkohlt, Glut hatte eine tiefe Mulde in das Holz gefressen.

      Ferris schaute zu Hasard.

      „Kannst du dich erinnern, was hier gelagert war?“ fragte er.

      Hasard nickte. „Ein Stapel dieser verdammten Seegrasmatratzen.“

      „Hm.“ Ferris Tucker schüttelte den Kopf. „Schon merkwürdig.“ Er ließ sich aber nicht weiter aus, sondern begann, systematisch den gesamten Piekboden nach weiteren Stellen wie der in der Nähe des Schotts abzusuchen. Fündig wurde er nicht. Da und dort waren die Planken angesengt, aber ausgebrannte Mulden entdeckte er nicht. Es gab nur die eine.

      „Na?“ erkundigte sich Hasard.

      Ferris Tucker deutete auf die Mulde und sagte: „Dort hat es angefangen. Dort hat etwas gebrannt oder geglüht und die Matratzen angesengt. Wenn ich davon ausgehe, daß das Schott gut schließt – und das tut es –, dann konnte sich tatsächlich nur ein Schwelbrand entwickeln, dem die Luftzufuhr zum auflodernden Brand fehlte, ganz abgesehen davon, daß das schwelende Zeug die vorhandene Luft aufbrauchte. Diese Kerle wären noch tagelang mit ihrem qualmenden Vorschiff durch die Gegend gesegelt.“

      „Zufall, oder hat jemand vorsätzlich ein kleines Feuerchen gelegt?“ fragte Hasard.

      „Wenn ich das wüßte!“ Ferris zuckte mit den Schultern. „Wenn das ein Zufall war, was sollte das für einer gewesen sein? Eine Selbstentzündung hier in der Vorpiek ist für mich nicht vorstellbar. Eine Vorpiek ist kein Trockenraum, eine gewisse Feuchtigkeit herrscht immer vor. Laß uns den Zufall mal ausklammern, an den glaube ich nicht. Die Frage kann nur lauten: War hier jemand vor anderthalb oder zwei Tagen in der Piek? Und hat er dann vorsätzlich für den. Schwelbrand gesorgt, oder ist ihm ein Versehen passiert, das er nicht bemerkt hat? Wenn du mich fragst: Ich würde meinen schwimmenden Untersatz nicht vorsätzlich anzünden – das entspräche jener sprichwörtlichen Dummheit, sich selbst den Ast abzusägen, auf dem man sitzt.“

      Hasard wiederholte sein Argument, das er auch bereits Jean Ribault gegenüber gebraucht hatte: „Letzteres träfe nur zu, wenn du mit deinem Schiff allein auf See bist, aber wir segeln im Konvoi. Es kann also jederzeit geholfen werden – was wir ja auch getan haben. Aber mir stinkt diese Sache ganz gewaltig, und ich werde den Verdacht nicht los, daß Pigatto seine Finger im Spiel hat.“

      „Könnte durchaus sein“, meinte der riesige Schiffszimmermann, „aber beweis ihm das mal.“

      „Genau das kann ich leider nicht“, sagte Hasard grimmig.

      Sie verschlossen das Schott und stiegen an Oberdeck. Es war inzwischen Mittag geworden. Die Dons standen an Deck herum wie bestellt und nicht abgeholt. Seit die Arwenacks auf die „Respeto“ übergesetzt waren, hatten die Kerle gewissermaßen die Hände in den Schoß gelegt – abgesehen von ihrer blindwütigen Keilerei um die Jolle.

      Die knubbelige Nase des Kapitäns hatte inzwischen die Form eines Rüssels angenommen, eine Folge der Reibungshitze, welche die Haut vom Nasenrücken geraspelt hatte.

      Hasard musterte ihn kühl und sagte: „Was Sie und Ihre Leute in anderthalb Tagen nicht geschafft haben, das haben meine Männer und ich in etwa drei Stunden erledigt: Ihre Vorpiek ist ausgemistet, es gibt keinen Schwelbrand mehr. In meinem Bericht an die Admiralität werde ich exakt alles schildern, was mit diesem Schwelbrand zusammenhängt – einschließlich Ihrer Weigerung, die in der Vorpiek lagernden und glimmenden Materialien außenbords werfen zu lassen und mir in jeder Weise Widerstand entgegenzusetzen. Ich werde ferner in meinem Bericht den Verdacht äußern, daß der Schwelbrand mutwillig gelegt wurde – vermutlich in der Absicht, den Konvoi verlassen zu können und im trüben zu fischen, das heißt, zu verschwinden und sich die für den König bestimmte Ladung selbst anzueignen.“ Hasard erdolchte den Capitán mit seinem Blick. „Haben Sie dazu etwas zu sagen, Capitán Pigatto?“

      „Das – das ist eine infame Unterstellung!“ quetschte der Capitán heraus. Es klang empört. War die Empörung echt?

      „Die Tatsachen sprechen gegen Sie“, sagte Hasard eisig.

      „Was für Tatsachen?“

      „Ihre Verhaltensweise zum Beispiel. Sie wissen genau, daß sich in Ihrer Vorpiek ein Schwelbrand befindet, aber Sie denken nicht daran, ihn zu beseitigen. Seit anderthalb Tagen bildet Ihr qualmendes Schiff einen Lockvogel für Schnapphähne aller Art, die ich Ihnen bereits aufzählte. Arbeiten Sie vielleicht Hand in Hand mit englischem Piratengesindel …?“

      „Niemals!“ brauste der Capitán auf, klopfte sich auf die Brust und schrie: „Ich bin ein Patriot, Señor Capitán! Und ein getreuer Mann der Krone! Sie beleidigen mich, und ich müßte sie fordern!“

      „Müßte!“ Hasard winkte ab. „Sie tun’s nur nicht. Aber ich rate Ihnen auch ab. Vermutlich habe ich mehr Kampferfahrung als Sie – umsonst hat mir die Admiralität nicht den Auftrag erteilt, diesen Konvoi zu übernehmen und zum Zielhafen zu bringen. Auch ich bin ein getreuer Mann der Krone, und dort weiß man sehr genau, wem man diesen Konvoi anvertrauen konnte. Aber lassen wir das. Sprechen wir über die Tatsachen. Ich verlange zu wissen, wer zuletzt in Ihrer Vorpiek gewesen ist, bevor der Schwelbrand ausbrach. Sind Sie in der Lage, das festzustellen?“

      Hasard beobachtete den Capitán sehr scharf, aber der zuckte nicht zusammen, sondern schaute völlig verdutzt drein.

      „Wer dort gewesen ist?“ wiederholte er konsterniert. „Aber dort hat niemand etwas zu suchen, es sei denn, ich befehle, einen Materialersatz aus der Vorpiek zu holen. Einen solchen Befehl habe ich aber nicht gegeben, dazu bestand auch keine Veranlassung. Ich verstehe Ihre Frage nicht, Señor Capitán.“

      „Mann! Jemand ist in Ihrer Vorpiek gewesen und hat den Schwelbrand verursacht – ob mutwillig oder versehentlich, das sei dahingestellt. Oder wollen Sie mir erzählen, dieser Schwelbrand in Ihrer feuchten Vorpiek sei ein reiner Zufall?“

      Der Capitán war verwirrt.

      „Ich verstehe das ja auch alles nicht“, murmelte er geradezu hilflos.

      In diesem Moment revidierte Hasard seinen Verdacht, der Capitán habe „seine Finger im Spiel“. Nein, die Verwirrung Pigattos war echt. Er schied

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