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nicht passieren dürfen – ob Freund oder Feind –, daß er sich bei einer Begegnung in Lee befand. In einem Gefecht konnte das tödlich sein.

      Doch auf der Schebecke wurden die Segel gefiert, um die Fahrt zu vermindern, ein Zeichen, daß ihr Capitán zum Gespräch von Schiff zu Schiff bereit war.

      „Alle Schoten Lose geben!“ knarrte Capitán de Freitas, um seinerseits seine Gesprächsbereitschaft kundzutun.

      Das geschah.

      De Freitas baute sich auf dem Achterdeck am Backbordschanzkleid auf und hob die Hände an den Mund, als er das andere Achterdeck querab hatte.

      „Kommandant an Kommandant!“ rief er. „Ist es gestattet, bei Ihnen an Bord zu kommen?“

      Der Riese auf dem Achterdeck hob die rechte Hand und rief zurück: „Bitte sehr, Señor Capitán! Aber wir haben nicht viel Zeit. Ich fahre Geleitschutz für einen Konvoi Seiner Majestät. Ich bitte, das zu berücksichtigen!“

      „Werde mich beeilen!“ rief de Freitas, fuhr herum und ranzte seine drei Offiziere an, warum die Jolle noch nicht ausgesetzt sei.

      Die überschlugen sich, polterten gemeinsam auf die Kuhl hinunter und wetterten dreistimmig, um ihre Aktivität zu demonstrieren. Es ging nach der alten Hackordnung, einer befahl dem anderen, und den letzten bissen die Hunde, will sagen, er empfing einen Tritt in den Allerwertesten. Dieser letzte hatte keinen, den er treten konnte. Also mußte er die Zähne zusammenbeißen und kuschen. Aber denken konnte er, ganz still für sich ohne es laut hinauszuposaunen. Und da waren so manche, die dachten: Leck mich doch sonstwo!

      Philip Hasard Killigrew beobachtete und zog seine Schlüsse.

      Auch er hatte den anderen Capitán durchs Spektiv in Augenschein genommen – und vielleicht hätte er sich gefreut, wäre ihm bekannt gewesen, was dieser Schnauzbart konstatiert hatte, als der ihn im Okular gehabt hatte.

      Jedenfalls fand er wiederum, daß ihm der andere Capitán überhaupt nicht gefiel. Das war einer von den Knarschen, die immer meinten, die Axt sei besser als das feingeschliffene Messer. Und die Offiziere um ihn herum dienerten nur und zeigten devote Beflissenheit. Aber den Dienstgraden darunter gaben sie es – nach dem alten Motto: Nach oben buckeln, nach unten treten!

      Amen! fügte Hasard im stillen diesem Gedankengang hinzu.

      Ben Brighton hatte inzwischen die Schebecke in den Wind drehen und an Backbord eine Jakobsleiter ausbringen lassen – ohne Gebrüll und Hackordnung. Winke und leise Zurufe hatten da genügt. Bei den Arwenacks lief das wie geschmiert.

      Hasard nickte zufrieden und enterte zur Kuhl ab, um den anderen Capitán zu empfangen. Sein Profos sah unglücklich aus, aber das hing damit zusammen, daß er eine Hurratüte auf dem Schädel hatte, die für einen kleineren Kopf gedacht war. In seiner Größe hatte man noch nichts Passendes gefunden. Carberrys Kopfgröße war bei den Dons nicht vorgesehen, es sei denn für Stierköpfe, aber die trugen bekanntlich keine Helme.

      Darum sah der Profos auch reichlich komisch aus, und weil er selbst wußte, daß er wie ein Affenarsch aussah, schnitt er ein Gesicht, als wandele er zur Zeit durchs Tal des Jammers und der Trübsal. Man konnte selbst das Heulen kriegen, wenn man in dieses Gesicht blickte.

      „Kopf hoch, Señor Carberrio!“ ermunterte Hasard seinen Profos.

      „Du hast gut reden, Señor Capitán“, sagte der Profos ächzend, „deine Dunstkiepe paßt wie nach Maß angefertigt, aber mein Pißeimer klemmt mir das Gehirn ab, ehrlich! Kann mir Old Shane nich mal ’n passenden Topf zum Helm ausbeulen?“

      „Einen Suppenkessel meinst du?“

      „Genau den!“ Der Profos strahlte gequält und nickte heftig. Der zu kleine Helm rutschte nach hinten, und da sah der Profos wie ein bezechter Musketier aus.

      Einige Arwenacks in der Nähe des Backbordschanzkleides drehten sich stumm um, denn auf der Kriegskaravelle sollte keiner sehen, daß sie glucksten und gackerten.

      Ihr Profos war wieder mehr als ein Rumfaß wert – die Rumladung eines Rum-Konvois reichte nicht aus!

      „Old Shane wird dir einen passenden Helm aus einem Suppenkessel anfertigen“, sagte Hasard tiefernst, denn in diesem Moment glitt die Jolle der „El León“ längsseits und das Helmthema konnte nicht fortgesponnen werden.

      Von der Jolle aus wurden Vor- und Achterleine hochgeworfen und von den Arwenacks wahrgenommen und belegt, Capitán de Freitas enterte an der Jakobsleiter auf, sein Dritter Offizier, das Jüngelchen, folgte ihm.

      Hasard trat auf die beiden zu, verneigte sich leicht und lässig, lächelte freundlich und sagte: „Willkommen an Bord, Señor …“

      „Capitán de Freitas“, schnarrte der Schnauzbärtige, „Kommandant der ‚El León‘ aus Cadiz und auf Patrouillenfahrt – ähem!“

      Daß die Kerle immer in diesem Schnarrton sprechen müssen, dachte Hasard. Es sollte wohl schneidig klingen und den Befehlsgeber herauskehren, wirkte aber nichts weiter als lächerlich und aufgesetzt.

      „Capitán de Vilches“, stellte er sich vor, „Kommandant der ‚El Tigre‘ und unterwegs aufgrund einer königlichen Geheimorder, über die ich keine weitere Auskunft geben kann.“

      De Freitas starrte Hasard irritiert an, räusperte sich und sagte: „Verzeihung, wie war Ihr Name, Señor Capitán?“

      „De Vilches, Julio de Vilches“, erwiderte Hasard gelassen, „bitte nicht zu verwechseln mit meinem Onkel gleichen Namens, der zur Zeit Kommandant der ‚Casco de la Cruz‘ ist.“ Ihm war sofort klargeworden, daß dieser Kerl den alten Geier von der „Casco“ kennen mußte: er war irritiert gewesen und hatte noch einmal nach dem Namen gefragt.

      De Freitas runzelte die Stirn, brachte wieder ein „Ähem-ähem“ heraus und fügte hinzu: „Wußte gar nicht, daß Capitán de Vilches einen Neffen bei der Marine hat – ähem. Hat nie davon gesprochen.“

      „Kann ich mir denken“, sagte Hasard schlagfertig und ohne mit der Wimper zu zucken. „Wir halten nämlich nicht viel voneinander. Er mißgönnt mir meinen schnellen Aufstieg zum Capitán, und für mich ist er ein alter dummer Esel, den man längst hätte pensionieren müssen. Wenn unsere Marine von Greisen geführt wird, können wir uns alle einsargen lassen!“

      Das Teniente-Jüngelchen schnappte nach Luft, und dem Capitán sträubte sich mal wieder der Schnauzbart, und er brauchte einige Zeit, um diese unverfrorenen Äußerungen zu Verdauen.

      Dann stotterte er: „Don Ju-Julio d-de Vilches ist ein – ähem – ehrenwerter Mann.“

      „Geschmackssache“, entgegnete Hasard. „Wir Jüngeren in der Familie nennen ihn einen schlappen Mehlsack.“

      Der Capitán lief allmählich rot an, und jetzt zischte er: „Solche Äußerungen, die – ähem – verunglimpfend sind, können Sie den Kopf kosten, Señor Capitán!“

      „Über meinen Kopf brauchen Sie sich nicht zu sorgen, Capitán“, sagte Hasard kühl. „Und wenn Sie mich denunzieren wollen – bitte sehr. Zufällig genieße ich einiges Ansehen bei der Admiralität, sonst hätte man mir keinen Geheimauftrag anvertraut. Sonst noch Fragen? Meine Zeit wird knapp.“

      Der Blick des Capitáns irrte über die behelmten und brustgepanzerten Arwenacks, die ihn ausdruckslos anstarrten. Er zuckte zusammen, als er Carberry entdeckte. Ein solches Ungetüm hatte er noch nie gesehen. Und als sein Blick auf den riesigen Batuti fiel, verlor er fast die Fassung. Ein schwarzer Affe an Bord eines Schiffes Seiner Majestät des Königs von Spanien! Un-er-hört!

      Dem Jüngelchen hingegen liefen die Schweißperlen unterm Helm hervor und über die blassen Wangen. Das Kerlchen begann nervös mit dem Kopf zu zucken und dann mit den Knien zu zittern, denn da standen zwei Kerle, denen je eine Hand fehlte. Statt dessen trugen sie funkelnde Haken mit geschliffenen Spitzen.

      Heilige Madonna, was für Berserker! Dem Jüngelchen wurde es ganz schwummerig.

      „Ähem“, sagte da der Capitán.

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