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ist das?“ fragte Don Juan.

      Der Mann auf der Galeone hielt ein poliertes Stück Metall oder etwas Ähnliches in Händen, mit dem er die Strahlen der sinkenden Sonne auffing und reflektierte.

      „Signale“, sagte der Seewolf. Er zweifelte nicht daran, daß die Zeichen tatsächlich für die andere Galeone bestimmt waren.

      Der Decksmann zeigte sich hartnäckig. Je näher die Schebecke aufschloß, desto deutlicher wurde, daß er eine Metallscheibe benutzte.

      Endlich wurde ein auf der Back der „Honestidad“ hantierender Kerl aufmerksam. Die Blinde hatte ihn zeitweise in seiner Sicht behindert. Er schwenkte ein Tuch zur Antwort.

      Der Decksmann auf der „Respeto“ bückte sich und hob ein seltsames Bändel auf den Handlauf der Balustrade. Wegen des schwindenden Tageslichts mußte Hasard zweimal hinblicken, ehe er erkannte, daß es sich um eine große Tauschlinge handelte, an der ein weiß gestrichenes Holzstück und offenbar eine Flasche befestigt waren.

      Das Bündel flog mit Schwung außenbords.

      Hasard richtete das Spektiv auf die Heckwelle der „Respeto“. Tatsächlich schwamm das Holz schnell auf. Inmitten der schäumenden Welle war es nur schwer zu erkennen.

      Der Seemann auf der „Honestidad“ griff sich einen Bootshaken und kroch auf den Bugspriet. Währendessen warf der Decksmann auf der voraussegelnden „Respeto“ ein zweites Bündel über Bord. Auch dieses trieb genau der nachfolgenden Galeone entgegen.

      „Ich möchte wissen, was die Burschen für Nachrichten austauschen“, sagte Don Juan. „Möglicherweise kriegen wir darin unser Fett ab.“

      „Du siehst zu schwarz“, antwortete Hasard.

      Der Spanier zog die Brauen hoch. „Harmlos ist das wohl nicht“, sagte er.

      Sie beschränkten sich wieder aufs Beobachten. Der Mann auf der „Honestidad“ beugte sich so weit über, daß schon die kleinste Unregelmäßigkeit im monotonen Stampfen des Schiffes genügt hätte, ihn über Bord gehen zu lassen. Geschickt hantierte er mit dem Bootshaken, aber doch nicht geschickt genug, denn er verfehlte die treibende Tauschlinge, weil der Bug der Galeone just in dem Moment in die Höhe stieg.

      Durchs Spektiv konnte Hasard die Enttäuschung des Mannes sehen, als das treibende Bündel von der Bugwelle gepackt und zur Seite geschleudert wurde. Im Nu wurde die Entfernung zu groß, als daß ein Nachfassen mit dem Peekhaken möglich gewesen wäre.

      Der Kerl spuckte aus, fuhr sich mit dem Handrücken durch das bärtige Gesicht und blickte scharf voraus, wo das zweite Bündel auf den Wellen schaukelte. Das Schiff hielt genau darauf zu, und wenn er Pech hatte, würde die Tauschlinge mit den Anhängseln unter den Kiel gezogen werden.

      „Er schafft es“, meinte Don Juan.

      „Du brennst darauf, zu erfahren, welche Nachricht auf diese Weise übermittelt wird“, sagte Hasard, ohne den Kieker abzusetzen.

      Der Spanier lachte leise. „Klar will ich wissen, was bei meinen Landsleuten vorgeht.“

      „Dann geht es dir nicht anders als mir“, gestand Hasard. „Ich könnte zwar wenden lassen und versuchen, das verlorene Treibgut aufzufischen, doch würden wir damit nur verraten, daß wir die Sache bemerkt haben. Und wenn wir warten, bis die Galeonen vorbei sind, finden wir das Ding bestimmt nicht mehr. Die Nacht bricht schnell herein.“

      Er hatte sich kurz ablenken lassen. Als er seine Aufmerksamkeit wieder auf die „Honestidad“ konzentrierte, war der Bärtige schon im Begriff, das Bündel hochzuziehen. Die Tauschlinge hing sicher an dem eisernen Haken.

      Tau und Holzstück flogen in hohem Bogen in die See zurück, Augenblicke später folgte die entkorkte, um ihres Inhalts beraubte leere Rumflasche. Der Kerl auf der Galion entfaltete einen Zettel, drehte und wendete ihn mehrmals unschlüssig und schob ihn schließlich unter sein Hemd. Anscheinend war er des Lesens nicht oder nur sehr unvollkommen mächtig.

      „Bestimmt gibt er den Wisch seinem Kapitän“, sagte Don Juan. Er konnte nicht wissen, daß genau das allen Beteiligten viele Unannehmlichkeiten erspart hätte.

      Guillermo Corel hatte sich unbeobachtet geglaubt. Deshalb zuckte er wie ein ertappter Sünder zusammen, als er die Back verließ und unerwartet angesprochen wurde.

      „He, Guillermo“, sagte Rufino Vaquero, der Fockmastgast der „Honestidad“, „was hast du aus dem Wasser gezogen? Das war bestimmt kein Fisch.“

      „Fisch?“ Corel konnte bis zum Umfallen arbeiten, aber im Denken, wenn er den anderen Rede und Antwort stehen mußte, war er um einiges langsamer. „Wovon sprichst du?“

      „Von deiner Liebschaft mit der Seejungfrau“, sagte Vaquero grinsend.

      „Hä?“ Mehr brachte der Bärtige nicht heraus.

      „Spiel nicht den Unschuldigen“, sagte der Fockmastgast. Mit einem raschen Rundblick stellte er fest, daß sich bereits mehrere Männer um sie scharten. Wenn es darum ging, Guillermo zum besten zu halten, waren alle da.

      Spöttisch fügte er deshalb hinzu: „Eine Seejungfrau sieht ungefähr so aus: ein Riesenbusen“, mit den Händen demonstrierte er die üppige Wölbung, die er meinte, „Haare so grün wie Seegras bis zum Po und ein Unterleib – du glaubst es kaum – so anschmiegsam wie …“ Er suchte nach Worten. „Wie … na, eben wie der schuppige Schwanz eines Fisches.“

      Das Gelächter der Männer war umwerfend. Verdattert stand Guillermo Corel zwischen ihnen und versuchte vergeblich zu begreifen, ob Rufino es ernst meinte oder nur einen seiner berüchtigten Späße vom Stapel ließ.

      „Ich kenne keine Jungfrau“, sagte er vorsichtshalber. Daß er rasch hinzufügte „Keine Seejungfrau“, ging in dem noch lauter aufbrandenden Lachen unter.

      Erst als der Kapitän und der Erste Offizier an der Balustrade des Achterdecks erschienen, winkte Vaquero ab. Die allgemeine Heiterkeit verstummte schlagartig.

      „Genug der Belustigung!“ rief der Capitán. „Geht an eure Arbeit, Männer!“

      Guillermo Corel wollte schnurstracks nach achtern laufen. Aber der Fockmastgast hielt ihn mit eiserner Faust zurück. „Nicht so schnell, mein Freund“, raunte er ihm zu. „Erst will ich wissen, was du aufgefischt hast.“

      „Einen Brief“, antwortete Guillermo. „War in einer Flasche drin.“

      „Zeig her!“

      „Ist für den Capitán bestimmt.“

      „Warum? Was steht drin?“

      Guillermo wirkte irritiert. „’ne ganze Menge“, sagte er. „Ist mächtig viel geschrieben.“

      Vaquero rieb sich das Kinn. „Ich dachte immer, du kannst nicht lesen“, sagte er nachdenklich. „Woher willst du wissen, daß der Brief für den Capitán geschrieben wurde?“

      „Ich weiß es eben.“

      „Der Brief ist für mich“, behauptete Vaquero. „Er wurde auf der ‚Respeto‘ ins Wasser geworfen, nicht wahr?“ Das war unschwer zu erraten.

      Guillermo Corel sperrte Augen, Mund und Ohren auf. Erst nach einer Weile klappte er den Mund wieder zu und schüttelte bedächtig den Kopf. Die Folgerung, zu der er gelangte, war durchaus logisch.

      „Wenn dem so wäre, hättest du das sofort gesagt.“

      „Stell dich nicht so an!“ drängte der Fockmastgast. „Mein Name steht auf dem Wisch. Ganz oben sogar, wo er hingehört.“

      „Hm“, brummelte Guillermo, noch immer mißtrauisch. Trotzdem zog er das Papier unter seinem Hemd hervor und faltete es auf.

      „Da! Siehst du!“ Vaquero deutete auf die verschnörkelten Buchstaben.

      Der Decksmann runzelte die Stirn. „Schreibt man Vaquero mit ‚F‘?“

      „Na klar.“

      „Seltsam.

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