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      Hasard wandte sich zu ihm um. „Sag den Männern, sie sollen sich ab sofort ruhig verhalten. Wir bringen die Jolle auf. Es kann nichts schaden, wenn einige Dons uns scheinbar zu Dank verpflichtet sind.“

      „Willst du ihnen den Rum abnehmen?“

      „Bin ich ein Unmensch?“ stellte Hasard die Gegenfrage. „An Bord der ‚Respeto‘ herrschen wieder normale Zustände. Wir können schließlich nichts dafür, daß Capitán Pigatto vergessen hat, seine Crew nach dem Aufklaren standesgemäß zu versorgen.“

      Wenig später segelte die Schebecke erneut unter vollem Tuch. Sie näherte sich der Jolle schräg von achtern. Da die Spanier offenbar nur Augen für die vor ihnen liegende „Respeto“ hatten, bemerkten sie den schnellen Dreimaster nicht.

      Erst bei einer Distanz von wenig mehr als zwanzig Yards wurden sie aufmerksam. Vermutlich hatten sie das Rauschen der Bugwelle vernommen oder das kurze Flappen der Segel, als Hasard den Kurs angleichen ließ.

      In ihrer Überraschung taten die Männer in der Jolle ziemlich das Dümmste, was ihnen einfallen konnte, sie versuchten, der Schebecke davonzulaufen und fielen nach Backbord ab.

      Weit schafften sie es nicht. Der Dreimaster hatte genügend Höhe, um ihnen innerhalb kürzester Zeit vor den Bug zu segeln. Die Spanier hatten plötzlich alle Hände voll zu tun, eine Ramming zu vermeiden: höchstens vier Yards querab versuchten sie, gegen den Wind zu kreuzen.

      „Beidrehen, oder wir setzen euch auf Grund!“ rief Carberry gerade so laut, daß die Dons ihn hören konnten. Aber erst als Al Conroy eine seiner Culverinen ausrannte, strichen die Spanier das Segel.

      Carberry warf ihnen eine Leine zu.

      „Belegen!“ befahl er, während er zugleich die Jakobsleiter ausrollte.

      Hasard trat neben ihn. „Du weißt, wie du sie anpacken mußt?“

      Der Profos verzog sein Narbengesicht zu einem vielsagenden Grinsen.

      „Sanft“, sagte er. „Sehr sanft.“ Dabei rieb er sich bedeutungsvoll die Pranken.

      „Vergiß das nicht“, mahnte der Seewolf. „Mir ist keinesfalls daran gelegen, daß Pigatto die Sache spitz kriegt.“

      „Wenn dem so ist …“ Edwin Carberry baute sich zu einer vollen riesenhaften Statur auf: „Ich bitte, von Bord gehen zu dürfen, Sir!“

      „Erlaubnis erteilt“, sagte Hasard.

      Der Profos enterte ab. Die letzten Sprossen übersah er geflissentlich und sprang in die Jolle, deren Planken bedrohlich ächzten.

      „Buenas noches, Señores“, sagte er herausfordernd. „Cómo está usted? – Wie geht es Ihnen?“ Als er nicht sofort eine Antwort erhielt, schnaubte er barsch: „Don Julio de Vilches empfindet es als ungewöhnlich, daß Sie zu mitternächtlicher Stunde und ohne Laterne von einer Galeone zur anderen segeln. Nur Schnapphähne und anderes Gesindel bemüßigen sich solcher Methoden.“

      „Wir haben nichts Ehrenrühriges getan“, widersprach Jorge Zapata.

      „Natürlich nicht“, sagte der Profos spöttisch und reckte angriffslustig das Rammkinn. „Die meisten Delinquenten behaupten das sogar noch vor ihrer Hinrichtung.“

      „Señor …“ Braña schnappte jäh nach Luft.

      Carberry winkte heftig ab. „Capitán Pigatto wird über die Störung wenig erbaut sein. Aber Capitán de Vilches hat beschlossen, ihn zu wecken, um die Angelegenheit zu klären.“ Sein Blick wanderte durch das Boot und blieb an den mittschiffs verstauten Fässern hängen. „Was ist das?“ fragte er scharf. „Pulver? Womöglich um eins der Begleitschiffe zu versenken? Wollt ihr Gold stehlen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden? Die Küste könntet ihr bei guter Seemannschaft mit eurer Nußschale erreichen.“

      „In den Fässern ist Rum“, sagte Zapata kläglich. „Der Capitán hat den Alkohol an Bord verboten.“

      „Dann wird es sich über unseren Fang besonders freuen.“

      „Wir gefährden die Sicherheit des Konvois in keiner Weise“, widersprach Braña. „Wollen Sie wirklich, daß wir nur dafür bestraft werden, daß wir einen kleinen Teil unseres Rumvorrats zurückholen?“

      Edwin Carberry rieb sich nachdenklich das Kinn. Das dabei entstehende schabende Geräusch war dazu angetan, den Dons eisige Schauder über den Rücken zu jagen. Danach musterte er die Fäßchen.

      „Wieviel Rum?“ fragte er.

      Jorge Zapata beeilte sich mit der Antwort.

      „Das ist zuviel“, sagte der Profos.

      Er bückte sich und wuchtete eins der Fäßchen hoch. Mit geradezu spielerischer Leichtigkeit setzte er es auf seine Schulter.

      „Für die Großzügigkeit von Capitán de Vilches und mir ist das sicher kein zu hoher Preis“, stellte er fest.

      „Natürlich nicht.“ Jorge Zapata konnte erst gar nicht fassen, daß er und seine Begleiter die unerwartete Begegnung mit dem Sonderbeauftragten seiner Majestät derart glimpflich überstehen sollten. Als der Profos nach der Jakobsleiter griff, atmeten sie jedoch auf.

      „Sie sind sehr liebenswürdig“, sagte Carberry spöttisch. „Gracias!“

      „Donnerwetter“, sagte José Canalejas erleichtert, als die Schebecke längst wieder auf Nordkurs lag und eine gute Kanonenschußweite entfernt ihre Laternen aufleuchteten. „Ich wäre bereit gewesen zu beschwören, daß wir jetzt an die Wanten gebunden werden.“ Dabei zuckte er zusammen, als spüre er schon die Peitschenhiebe des Zuchtmeisters.

      „De Vilches scheint nicht so übel zu sein wie der Ruf, den er beim Generalkapitän und einigen Offizieren genießt“, sagte Zapata. „Wenn ihr mich fragt: daß wir nach Irland segeln, hat schon seine Richtigkeit.“

      „Laß dich nicht täuschen“, widersprach Braña.

      „Ha!“ Zapatas Stimme wurde schrill. „Der Generalkapitän hat uns den Rum wegnehmen lassen – war das vielleicht richtig? Ebenso könnte ich fragen, ob es richtig ist, daß er Capitán de Vilches’ Order anzweifelt.“

      Er war drauf und dran sich in Rage zu reden und tobte sich dementsprechend mit den Riemen aus. Auch die anderen strengten sich an, schließlich wollten sie noch vor dem Wachwechsel wieder auf der „Respeto“ sein und den wenigen Rum verstaut haben. Dabei hätte der Wind allein sie schon gut vorangebracht.

      Das Anlegemanöver klappte hervorragend. Während Canalejas das Segel abschlug und Braña die Jolle zum Aufheißen vorbereitete, mannten Menéndez und Zapata den Rum an Bord. Sie brachten tatsächlich das Kunststück zustande, Fäßchen und Flaschen in einer Luke im Vorschiff verschwinden zu lassen, ehe die neuen Wachgänger antraten.

      Das einzige Problem war die Jolle. Sie hing immer noch außenbords.

      „Was bedeutet das?“ Angel Berco, die neue Wache auf der Kuhl, baute sich breitbeinig vor Villasante und dem außer Atem geratenen Zapata auf und deutete auf das Boot.

      „Wir hatten geglaubt, ein verdächtiges Schiff entdeckt zu haben“, sagte Antonio Villasante.

      „Das habt ihr dann mit der schwer bestückten Jolle in die Flucht geschlagen“, spottete Berco. „Womöglich waren es gar marokkanische Schnapphähne. Verdammt, erzählt das euren ledigen Müttern, aber nicht mir.“

      „Was glaubst du denn, he?“ rief Linares.

      Nachdenklich leckte sich Angel Berco über die Lippen. „Wenn ich euch drei so ansehe, fallen mir verdammt viele Sünden ein. Unter anderen Umständen würde ich behaupten, ihr paktiert mit Piraten. Aber wir haben aufmerksame Bewacher …“

      „Das allerdings.“ Jorge Zapata brachte von irgendwoher eine volle Rumflasche zum Vorschein. „Nimm das, aber halte dein Maul. Wenn nicht, ist es vorbei mit der Freundschaft.“

      Angel Bercos Augen quollen

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