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einem der Schiffe“, sagte Villasante. „Mehr braucht dich nicht zu interessieren.“

      Berco nickte bedächtig. „Für ein solches Schweigegeld ist mir fast alles egal“, gestand er. „Zumindest im Moment.“

      Der Rest der Nacht verlief ruhig und ohne Zwischenfälle. Jorge Zapata brachte die Fässer in Sicherheit – das heißt, ihm blieb keine andere Wahl, als sie an den Mannschaftsquartieren vorbei in die Laderäume einzuschleusen. Zwischen Gold und Silber würde niemand profanen Rum vermuten.

      Zufrieden, doch auch ein wenig erschöpft, legte er sich schließlich aufs Ohr. Er schlief schlecht und schreckte mehrmals von Alpdrücken geplagt hoch. Das meiste, was er träumte, vergaß er sofort wieder, doch eine Szene haftete in seinem Gedächtnis, er gewann sogar den Eindruck, daß er sie stets von neuem träumte:

       Die Crew verlangte, daß er mehr Rum besorgte, aber er floh, weil er sich nicht in eine Rolle drängen lassen wollte, die ihm letztlich nicht behagte. „Rum!“ riefen die Männer. „Bring uns Rum! Wir wissen, was du getan hast!“

      Kein Versteck war so sicher, daß sie ihn nicht aufspürten. Ihm blieb nur noch, unter die Persenning zu schlüpfen, mit der die Jolle abgedeckt war.

      Er hielt den Atem an und rollte sich zusammen, doch kräftige Fäuste packten durch die Plane hindurch nach seinen Schultern und schüttelten ihn.

      „Bist du tot oder besoffen, Mann? Schlag endlich die Augen auf!“

      Das Schütteln wurde heftiger. Unwillig brummend wälzte Zapata sich auf die andere Seite.

      Ein schmerzhafter Hieb zwischen die Schulterblätter verriet ihm gleich darauf, daß er nicht mehr träumte.

      Mario Morales lehnte halb über ihm. Der Decksmann sah zum Fürchten aus. Seine Haut hatte sich stärker gelblich gefärbt, das Gesicht was schweißüberströmt und verzerrt. Wirr hingen ihm die Haare in die Stirn. Die Augen wirkten eingefallen und waren von blutunterlaufenen Ringen umgeben, ihr Blick huschte unstet von einer Seite zur anderen.

      „Wo?“ fragte Mario keuchend. „Sag schon!“

      Was er wollte, war klar. Jorge Zapata erschrak über sein Aussehen. Flüchtig fragte er sich, ob er dem Mann wirklich einen Gefallen tat, wenn er ihm Zugang zum Rum verschaffte – Morales gehörte eher in die Hände eines Arztes.

      „Heraus mit der Sprache, oder ich erzähle jedem, was du …“

      „Schon gut, schon gut.“ Zapata warf sämtliche Bedenken über Bord. Zum Glück war niemand in der Nähe. Mario mußte selbst wissen, was ihm abträglich war und was nicht.

      Jorge führte ihn ins Vorschiff, verlangte aber, daß Mario an einem Niedergang warten sollte, während er allein zwei Flaschen herbeischaffte. Der Gedanke, Morales das Versteck zu verraten, behagte ihm plötzlich nicht mehr.

      Der Decksmann riß ihm die Flaschen aus den Händen. Mit den Korken hatte er indes Schwierigkeiten, beide saßen so tief, daß er sie mit seinen zitternden Fingern nicht lösen konnte.

      „Hilf mir endlich!“ fauchte er Zapata an.

      Jorge konnte nun nicht mehr zurück. Mit den Zähnen zog er einen der Korken heraus und spie ihn achtlos zur Seite. Morales setzte die geöffnete Flasche sofort an die Lippen und trank gierig. Daß dabei viel Rum über sein Gesicht lief, störte ihn nicht. Ein zufriedener Ausdruck trat in seine Augen.

      „Was nun?“ fragte Zapata.

      Morales drückte die beiden Flaschen an sich und schickte sich an, zu verschwinden.

      „He!“ rief Jorge Zapata hinter ihm her. „Wo willst du hin?“

      „Geht dich einen feuchten Dreck an“, erwiderte Morales abgehackt. „Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten. Damit hast du genug zu tun.“

       4.

      An Bord einer Galeone von der Größe der „Respeto“ gab es wenig Räumlichkeiten, in denen sich jemand über längere Zeit hinweg ungestört wähnen durfte. Von den Laderäumen abgesehen, waren das lediglich die Vorpiek, die Bilge und die Achterpiek, wo häufig Dinge verstaut wurden, die man selten brauchte, angefangen von Farben und Hölzern über Werg, Segeltuchballen und Taue bis hin zu Teer und Pech fürs Kalfatern.

      Da die Bilge als Raum an der tiefsten Stelle eines Schiffes häufig genug feucht oder gar mit Wasser angefüllt war, in dem hin und wieder sogar Kadaver von Ratten trieben, stapelte sich all der Kram zumeist in den äußersten vorn und achtern liegenden Räumen, eben der Piek.

      Schon nach dem ersten kräftigen Schluck Rum hatte Mario Morales ein angenehmes Kribbeln im Magen verspürt, das rasch von einem wohligen Brennen verdrängt wurde. Die Wärme von innen heraus tat ihm gut.

      Auf seinem Weg in die Vorpiek blieb er zweimal stehen, setzte die Flasche an und trank. Wie durch eine Fügung des Schicksals blieb er dabei allein.

      Noch immer lastete Brandgeruch im Vorschiff der „Respeto“. Der kalte Rauch stammte von dem Schwelbrand, den die Besatzung anderthalb Tage hindurch einzudämmen versucht hatte und der letztlich von Don Julio de Vilches und seinen Männern gelöscht worden war, indem sie einfach angefangen hatten, das kokelnde Zeug über Bord zu werfen. Sehr zum Leidwesen von Capitán Pigatto, der das meiste als durchaus noch brauchbar eingestuft hatte. Letztlich war alles in einer Prügelei ausgeartet.

      Mario Morales stellte erstaunt fest, daß sich erneut ein beachtlicher Kram angesammelt hatte, einiges davon vom Brand angekohlt. Womöglich hatte Pigatto das Zeug wieder aus der See auffischen lassen.

      Er, Morales, wußte das nicht so genau, denn zu jener Zeit hatte er sich unter Deck aufgehalten, weil ihm wieder übel gewesen war wie sooft in letzter Zeit. Aber jetzt, die beiden Rumflaschen an sich gepreßt, fühlte er sich schon merklich wohler.

      Selbst vor der Vorpiek lagerten Seegrasmatratzen und lose aufgeschichtete, frisch gelohte Segel. Ihnen haftete noch ein intensiver Geruch nach Eichenrinde und Fischöl an, mit dem sie vor dem Verrotten geschützt wurden. Erst durch die Tränkung erhielten die Segel ihre typische rotbraune Farbe.

      Die Decksplanken, aber auch die meisten Balken in dem Bereich waren vom Feuer geschwärzt. Jemand hatte den Versuch unternommen, die dicken, teils öligen Rußflocken aufzuwischen. Das Ergebnis war eine verschmierte schwarze Schicht, die sich wohl nur noch mit Sand und Wetzsteinen beseitigen ließ.

      Flüchtig blickte Mario hinter sich, ob er in dem Dreck eine sichtbare Spur hinterließ. Zufrieden stellte er fest, daß das nicht der Fall war.

      Niemand würde ihn suchen, da er zur Freiwache gehörte. Ihm blieb also Zeit, sich mit den beiden Flaschen zu befassen, deren Inhalt wie Medizin wirkte. Mit nichts anderem ließen sich die bohrenden Leibschmerzen und die jedesmal stärker werdende Übelkeit vertreiben.

      Der Arzt auf der „Respeto“ war ein Quacksalber. Seine Pulver und Pillen hatten absolut nichts bewirkt außer einer gräßlichen Austrocknung von Mund und Rachen. Mario erklärte sich lieber für gesund, ehe er Julio Cazalilla noch einmal unter die Augen trat.

      Sorgfältig schloß er die Vorpiek hinter sich. Bewußt verzichtete er darauf, die Lampe anzuzünden, die draußen hing.

      Schon nach kurzer Zeit hatten sich seine Augen an die Schwärze in dem muffigen, spitz zulaufenden Raum gewöhnt. Nach und nach registrierte er, daß die Plankennähte der Innenwand Licht durchließen. Winzige Bahnen von Helligkeit fielen herein und zeigten ihm die Umrisse der verstauten Waren.

      Mario setzte sich auf einen gepreßten Wergballen. Den nach Fischöl stinkenden Eimer gleich daneben schob er mit den Füßen zur Seite. Er zupfte ein Loch in das Werg und stellte die volle Flasche hinein – auf die Weise konnte sie nicht umfallen und zerbrechen.

      Aber die andere Flasche war ohnehin fast leer. Mario trank einen kräftigen Schluck, danach schüttelte er den Rest. Das Gluckern verriet ihm, daß höchstens noch eine Fingerbreite Rum drin war.

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