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einige weitere Männer verschwanden in der Luke. Andere hantierten inzwischen auf dem Achterdeck, das vom Qualm noch verschont blieb, und drangen von dort aus vor. Aber auch sie hatten ihre Halstücher ins Wasser getaucht und schützend vors Gesicht gebunden. Der Rauch ließ sich so wesentlich besser ertragen.

      Julio Cazalilla erhielt das Gewünschte. Erst betupfte er Pigattos Stirn, gleich darauf schlug er ihm das zusammengeraffte Tuch um die Ohren, daß es laut klatschte. Wenigstens erhielt der Kapitän auf diese Weise eine gesunde Gesichtsfarbe zurück.

      Krampfhaft würgend, schlug er die Augen auf. Doch sein Blick ging durch den Arzt hindurch und verlor sich in weiter Ferne.

      „Schafft ihn zum Schanzkleid! Schnell! Hängt ihn bäuchlings über den Handlauf, aber haltet ihn fest.“

      Drei Männer genügten, um Cazalillas Befehl auszuführen. Der Kapitän hing kaum kopfüber außenbords, als er sich auch schon erbrach. Aus dem Würgen wurde ein krampfhafter, anhaltender Husten, der den Körper heftig schüttelte.

      Der Arzt grinste breit.

      „Capitán Pigatto ist unverwüstlich“, sagte er. „Was wollt ihr mehr?“

      Wassereimer in Händen, tasteten sie sich vorwärts. Juan Barbara war überzeugt davon, daß der Qualm aus der Nähe der Vorpiek heraufdrang. Wahrscheinlich war der Schwelbrand wieder aufgeflammt, obwohl keiner der Crew das noch für möglich gehalten hätte. Manchmal ging es eben saudumm zu.

      „Wir müssen bis zum untersten Deck“, bestimmte Barbara. Hinter dem Tuch klang seine Stimme seltsam dumpf.

      „Wenn der Kahn inzwischen absäuft, sitzen wir gewaltig in der Tinte“, erwiderte Zapata.

      „Denk an die Schätze in den Laderäumen.“

      „Davon habe ich herzlich wenig, wenn ich erst im Himmel bin.“

      „In der Hölle“, berichtigte der Segelmacher.

      „Hä?“

      Langsam drang der Rauch auch durch die feuchten Tücher hindurch. Jorge Zapata spürte ein stärker werdendes Brennen im Hals, das nur davon herrühren konnte.

      Im Bereich des Vorschiffs und unmittelbar über der Bilge waberte der Rauch besonders dick. Zudem breitete sich ein Gestank wie nach verbranntem Fisch aus. Von hier in die Piek vorzudringen, war schier unmöglich.

      „Wir müssen zurück!“ bestimmte Barbara. „Kippt das Wasser meinetwegen hier hin.“

      Die Männer akzeptierten ihn als Anführer, weil er oft bewiesen hatte, daß er zu improvisieren verstand und seit mehr als zwanzig Jahren zur See fuhr. Die Erfahrung blieb bei einem so langen Zeitraum nicht aus.

      Sie mußten zusehen, daß sie wieder an die frische Luft gelangten. Der Rauch rief bohrende Kopfschmerzen und eine zunehmend bleierne Schwere in den Beinen hervor.

      „Wir können nur von oben her an die Vorpiek heran“, sagte Barbara. „Wenn wir die Planken über den Zwischendecksbalken zerschlagen …“

      „Wenn! Wieviel Zeit bleibt uns überhaupt?“

      „Auf jeden Fall genug. Sagt dem Zimmermann Bescheid und holt euch Pigattos Zustimmung.“

      Unvermittelt fühlte sich Jorge Zapata an der Schulter gepackt. Der Segelmacher hinderte ihn daran, den anderen nach oben zu folgen.

      „Wir gehen nach achtern“, raunte Juan Barbara ihm zu. „Ich habe mit dir zu reden.“

      Der Rauch war inzwischen überall, er kroch wie ein unersättlicher Moloch durch die „Respeto“. Unter dem Achterdeck, ungefähr auf der Höhe des Spills für den Heckanker, war er aber noch einigermaßen erträglich.

      „Wieviel Rum hast du herangeschafft?“ fragte der Segelmacher unvermittelt.

      „Wieviel …? Ich verstehe nicht.“

      „Du weißt, von was ich rede. Oder soll ich dir auf die Sprünge helfen?“

      „Laß mich in Ruhe. Das Schiff ist in Gefahr, und dir fällt nichts Besseres ein, als über Rum zu reden.“ Zapata wollte sich losreißen, doch da geriet er bei Juan Barbara an den Falschen. Der hielt ihn mit eisernem Griff zurück.

      „Wenn es dir lieber ist, daß ich dem Kapitän die Augen öffne! Ich habe im Gegensatz zu dir nichts zu verlieren.“

      Zapata erschrak, aber er ließ sich nichts anmerken. Was wußte Juan? Hatte er eine Ahnung, wie der Schwelbrand in der Vorpiek ursprünglich entstanden war? Oder ging es ihm lediglich um den heimlich an Bord geschafften Rum?

      „Ich gebe dir zwei Stunden Zeit“, sagte Barbara in dem Moment. „Dann mußt du dich entschieden haben, ob Pigatto dich auspeitschen oder kielholen lassen soll, oder du mir lieber ein kleines Schweigegeld zahlen willst.“

      Darauf legte Juan es also an. Jorge Zapata lachte schrill, aber er merkte selbst, daß seine Stimme unsicher klang.

      „Ich habe nichts“, erklärte er. „Such dir einen anderen Dummen, den du leichter einschüchtern kannst.“

      „Zweihundert Reales, Jorge. Das ist der Preis für mein Stillschweigen. Ich weiß, du besitzt soviel, du hast es dir jahrelang vom Mund abgespart.“

      „Dann werde ich das Geld bestimmt keinem solchen Mistkerl wie dir in den Rachen werfen!“

      „Du wirst“, sagte Barbara zuversichtlich. „Weißt du, wie das ist, wenn du unter dem Kiel durchgezogen wirst und die scharfkantigen Muscheln am Rumpf dir das Fleisch von den Knochen fetzen? Pigatto läßt sich bestimmt Zeit, dich durchzuholen, darauf hast du mein Wort.“

      In der ersten zornigen Reaktion war Jorge versucht, sich auf den Segelmacher zu stürzen und ihm an die Kehle zu gehen. Aber Juan Barbara schien genau das geahnt zu haben, denn er hatte sich bereits herumgeworfen und verschwand mit weit ausgreifenden Schritten hinauf zum Achterdeck.

      Sehr zur Belustigung der Arwenacks hatte der Kutscher nacheinander seinen großen Kochkessel und eine Reihe kleiner Töpfe und Pfannen auf der Kuhl aufgereiht und schickte sich an, sie mit Seewasser und einer gehörigen Menge Sand auf Hochglanz zu bringen.

      „Hä-hä-hä!“ äffte er die feixenden Gestalten nach, die ihm mehr oder weniger ungeniert bei der Arbeit zusahen, freilich ohne auch nur im Entferntesten auf die Idee zu verfallen, ihm bei der umfassenden Säuberungsaktion zu helfen.

      Sauberkeit war eines guten Kochs oberstes Gebot – noch dazu, wenn er wie der Kutscher zugleich die Funktion des Feldschers innehatte. Auf Schiffen, auf denen die Kombüse zumeist vor Dreck starrte, waren die Kerle häufig krank, wenn sie nicht gleich wegen Dünnpfiff oder gar der Ruhr darniederlagen.

      „Spül den Sand gut ab, Kutscher“, sagte Big Old Shane. „Die Körner knirschen sonst zwischen den Zähnen.“

      Der Koch blickte nur kurz auf.

      „Feiner Sand reinigt auch die Zähne“, erwiderte er. „Du solltest das beherzigen. Oder hast du nichts dagegen, wenn ich dir nacheinander alle Beißerchen ziehe?“ Er hatte die Lacher auf seiner Seite.

      „Ihr habt es gehört!“ rief Shane in die Runde. „Ab morgen gibt es unserer gesunden Zähne wegen nur noch Sandsuppe, und zwar morgens, mittags und abends.“

      Zu seiner Überraschung kippte der Kutscher tatsächlich einen ganzen Eimer voll Sand in den Kessel und schüttelte gleich mehrere Pützen Seewasser hinterher. Grinsend schlug er sich die Hemdsärmel bis hinter die Ellenbogen zurück, dann tauchte er die Arme ein und begann eifrig zu rühren.

      „Wichtig ist, daß die Zutaten gut vermischt werden“, sagte er. „Damit sich kein Bodensatz bildet, der anbrennen kann, sobald der Kessel über dem Feuer hängt. He, Bill, ich brauche noch einige Gewürze! Du findest sie auf der Platte in der Kombüse.“

      Bill, mit Ausnahme der Zwillinge der jüngste Mann an Bord, wirkte völlig verdattert. Offenbar war er sich nicht schlüssig, ob der Koch es ernst meinte oder nicht.

      „Geh

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