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schwanden sie zum verhaltenen Raunen eines Maienlüftchens und schienen möglicherweise gar nicht mehr vorhanden zu sein, sondern auf bloßer Einbildung zu beruhen.

      Jorge Zapata verstand ohnehin nicht, was sie sagten.

      Seine Lider waren schwer wie Blei. Er hatte Mühe, sie wenigstens so weit zu öffnen, daß er unter den Wimpern hindurch verschwommen seine Umgebung wahrnehmen konnte.

      Rauch wölkte über ihm. Aber da waren auch straff durchgeholte Taue und ein im Dunst verschwindender Mast. Und flüchtig gewahrte er ein winziges Stückchen blauen Himmels, das sich jedoch rasch wieder verhängte.

      Er lag an Deck und wußte nicht, wie er es geschafft hatte, nach oben zu gelangen. In seiner Erinnerung klaffte eine mehr oder weniger große Lücke.

      Die Stimmen wurden deutlicher. Jorge Zapata hörte den Capitán Befehle brüllen. Hand in Hand mühte sich die Crew, von außenbords Wasser in Pützen aufzuhieven und unter Deck zu mannen. Aber offenbar war das Feuer nicht einzudämmen.

      Wie lange mochte er ohne Besinnung gewesen sein? Zapata hatte keine Ahnung. Ebensowenig wußte er, was geschehen war. Hatte er sich aus eigener Kraft über die Niedergänge nach oben geschleppt, oder war er von jemandem entdeckt und gerettet worden?

      Gesicht und Hände glühten, die Kopfhaut juckte schier unerträglich. Mühsam versuchte er, sich zu bewegen. Wieder wurde ihm schwarz vor Augen, aber er schaffte es, einen Arm zu heben und sich mit den Fingern durchs Haar zu fahren.

      Die Berührung erzeugte einen stechenden Schmerz. Erschrocken zog Zapata die Hand zurück. Abgesehen von den großflächigen Brandblasen, war sie plötzlich rußgeschwärzt. Versengte Haare klebten zwischen den Fingern.

      Bruchstückweise entsann er sich. Erst die Vorpiek, danach der Laderaum, aber auch hier Feuer und Flammen, die ihn einschlossen.

      Verzweifelt raffte er sich auf, um dem Tod zu entgehen. Er kroch, taumelte und stolperte vorwärts, seine Kleidung fing Feuer, er schlug die Flammen aus, doch sie züngelten von neuem hoch. Aber plötzlich waren da schemenhafte Gestalten. Die jähe Kälte über ihm zusammenschlagenden Wassers raubte ihm endgültig die Besinnung …

      Mühsam stemmte er sich hoch. Niemand achtete auf ihn, die Mannschaft befand sich in Panikstimmung. Aber noch dachte keiner daran, die Jollen klarzumachen und auszusetzen. Der Capitán hatte befohlen, die „Respeto“ zu retten. Wer unter diesen Umständen nicht bis zum Letzten seinen Mann stand, würde wenig zu lachen haben.

      Julio Cazalilla, der Feldscher, nahm sich seiner an. Ein verflucht mulmiges Gefühl breitete sich in Zapatas Magengegend aus, als er endlich die vielen Verbrennungen sah, die er erlitten hatte. Daß er noch lebte, schien schlichtweg ein Wunder zu sein.

      Andere hatten weniger Glück als der Decksmann. Während sich die einen verbissen bemühten, das Feuer in der Vorpiek von oben her unter Kontrolle zu bringen und Unmengen von Wasser auf das schwelende und brennende Gerümpel ausleerten, versuchten die anderen, ein weiteres Ausbreiten der Flammen zum Achterschiff hin zu verhindern, was sich letztlich als schwieriger erwies als angenommen.

      Das ausgedörrte Werg in den Plankennähten wirkte zum Teil wie eine Pulverspur, so schnell und zielstrebig fraß sich die Glut daran entlang.

      Und plötzlich loderten irgendwo neue Flammen auf und griffen gierig um sich.

      Rußgeschwärzte, schwitzende Gestalten hasteten durch den Qualm, der sich wieder dichter ausbreitete. Verschalkungen wurden eingerissen und Latten und Taue nach achtern geschleppt, um dem Feuer möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten.

      Aber auch Gold und Silber behinderten die Löschmannschaften, zumal Glutnester überall entstanden – es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der massive Rumpf der Galeone entweder durch die Flammen selbst oder durch langsam kokelnde Balken so weit geschwächt sein würde, daß er dem Wasser nicht mehr standhielt. Die „Respeto“ war dann unweigerlich verloren.

      Francisco Avila, der Navigator, und Vincente Camoiras, der Stückmeister, hatten gerade im vorderen Teil eines Laderaums alle Glutnester gelöscht und waren im Begriff, goldene indianische Kultgegenstände umzuladen, als sie unvermittelt auf ein Fäßchen stießen, dessen Dauben bereits brannten. Seltsamerweise wirkten die Bodenplanken rundherum, als böten sie den Flammen besonders viel Nahrung.

      Das Faß gehörte bestimmt nicht hierher. Bevor Avila sich jedoch darüber klarwerden konnte, sagte Camoiras: „Das ist Rum!“

      Er deutete auf die Dauben, zwischen denen eine sofort hell auflodernde Flüssigkeit hervorquoll.

      Im selben Moment schlug das Feuer durch. Eine grelle Stichflamme sprengte das Holz und die schon lockeren Eisenreifen.

      Der Stückmeister, der unmittelbar vor dem Faß gestanden hatte, wurde von der Verpuffung zurückgeschleudert. Im Nu glich er einer lodernden Fackel, die nichts und niemand mehr zu löschen vermochte. Brüllend wirbelte er im Kreis herum, aber sein Schreien verstummte sehr schnell.

      Avila, der mit sich selbst mehr als genug zu tun hatte und ebenfalls schwere Verbrennungen davontrug, konnte ihm nicht helfen. Bis weitere Männer, dem Lärm folgend, zu Hilfe eilten, lebte Vincente Camoiras schon nicht mehr und nur mit Mühe schafften sie es, den Navigator zu löschen und ihn aus der unmittelbaren Gefahrenzone zu schleppen.

      An einigen Stellen brannte der Laderaum lichterloh. Die um sich greifende Hitze zwang die Männer, sich weiter zurückzuziehen.

       7.

      „Dieser Capitán Pigatto ist ein hirnloses Rindvieh“, sagte der Profos im Brustton der Überzeugung. „Man sollte ihn in den Hintern treten und danach versuchen, den Brand zu löschen.“

      „Er unternimmt sicher alles in seiner Macht Stehende“, erwiderte Matt Davies, wobei er sich vergeblich bemühte, eine zwischen seinen Zähnen hängende Fleischfaser zu entfernen. Er schmatzte und schnitt Grimassen, die selbst Old Donegal das Fürchten gelehrt hätten.

      „Nimm einfach den Haken!“ riet Carberry und deutete auf die Prothese, die Matts rechte Hand ersetzte.

      „Was du nicht sagst.“ Davies reagierte überaus gereizt. „Deine klugen Ratschläge kannst du dir sonstwohin stecken, Mister.“

      „Ach nee. Wohin zum Beispiel?“

      Matt Davies schmatzte steinerweichend. Er ließ den Profos Profos sein und zeigte ihm die kalte Schulter.

      Es sah nicht so aus, als hätten die Dons auf der „Respeto“ den geringsten Erfolg zu verzeichnen.

      „Denen brennt der Kahn unter dem Hintern weg, und sie tun nichts dagegen“, sagte der Profos grollend. „So etwas muß man erst mal gesehen haben. Oder bist du immer noch anderer Meinung, Matt?“ Er verpaßte Davies einen freundschaftlichen Klaps zwischen die Schulterblätter, daß der beinahe über Bord gegangen wäre.

      „Hoppla! Wenn ich dich nicht aufgefangen hätte, wärst du glatt naß geworden. Stehst ziemlich wacklig auf den Beinen, was, wie?“

      Matt Davies schwieg. Dazu gehörte eine gehörige Portion Selbstbeherrschung. Er brachte es sogar fertig, den Profos anzulächeln.

      „Du bist mir doch von allen der Liebste, lieber Edwin.“ Sprach’s, drehte sich auf dem Absatz um und verschwand, nach wie vor heftig schmatzend, unter Deck. Er ließ einen völlig verdatterten Profos zurück, der sich intensiv und nachdenklich die Nase rieb.

      „Was das Rübenschweinchen damit wohl meint?“ Dan O’Flynn trat vorsichtig näher, darauf bedacht, nicht in Carberrys Reichweite zu gelangen. „Womöglich ist er ein feuriger Verehrer deiner Männlichkeit und du hast es nur noch nicht spitzgekriegt. Du solltest ihn einfach mal fragen.“

      „Noch ein Wort von Feuer, und ich vergesse mich“, sagte der Profos grollend. Womit er wieder beim Thema war. Und das behagte ihm überhaupt nicht. Ob die „Respeto“ zum Teufel ging, war ihm scheißegal, aber das schöne Gold und Silber, das unwiederbringlich verloren wurde, taten ihm auf der Seele weh.

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